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Änderung des EnWG: Beschaffung von nicht-frequenzgebundenen Systemdienstleistungen zukünftig vorrangig marktlich

Mit der heute in Kraft getretenen Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes wird diese Vorschrift in nationales Recht umgesetzt.

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Netzbetreiber sollen gemäß der Strombinnenmarkt-Richtlinie 2019 – insofern wirtschaftlich effizient umsetzbar – nicht-frequenzgebundene Systemdienstleistungen künftig vorrangig marktlich beschaffen. Mit der heute in Kraft getretenen Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) wird diese Vorschrift in nationales Recht umgesetzt. Die Bundesnetzagentur wird zur weiterführenden inhaltlichen Umsetzung ermächtigt.

Europäische Richtlinie setzt Rahmen für künftige Beschaffungsmodalitäten

Wie die Bereitstellung von sogenannten „nicht frequenzgebundenen Systemdienstleistungen“ (NF-SDL) künftig grundsätzlich organisiert werden soll, ist in der Strombinnenmarkt-Richtlinie 2019 (BMRL) geregelt. Diese definiert NF-SDL als „von Übertragungs- oder Verteilernetzbetreibern genutzte Dienstleistung[en] für statische Spannungsregelung [Blindleistung], die Einspeisung von dynamischem Blindstrom, Trägheit der lokalen Netzstabilität, Kurzschlussstrom, Schwarzstartfähigkeit und Inselbetriebsfähigkeit“ (Artikel 2 Nr. 49 BMRL). 

Nach den Bestimmungen der BMRL müssen Netzbetreiber NF-SDL künftig vorrangig marktlich beschaffen. Artikel 31 Absatz 7 BMRL schreibt vor, dass der Verteilernetzbetreiber (VNB) „die für sein Netz benötigten nicht frequenzgebundenen Systemdienstleistungen gemäß transparenten, diskriminierungsfreien und marktgestützten Verfahren [beschafft]“.

Ausnahmen hiervon kann die zuständige Regulierungsbehörde gewähren, wenn sie zu der Einschätzung gelangt ist, dass die marktgestützte Beschaffung nicht frequenzgebundener Systemdienstleistungen wirtschaftlich nicht effizient ist. Gemäß Artikel 40 Abs. 5 BMRL gilt die neue Beschaffungsvorschrift – ebenso wie die Ausnahmemöglichkeit – analog auch für Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB). Die Verpflichtung gilt nicht für vollständig integrierte Netzkomponenten.

Die Bestimmungen der BMRL sind bis Ende des Jahres 2020 in nationales Recht umzusetzen. 

EnWG-Änderung schafft nationale gesetzliche Grundlage

Mit der am 27. November 2020 in Kraft tretenden Änderung des EnWG wird die o.g. Vorschrift aus der europäischen Richtlinie in nationales Recht umgesetzt. Der neu eingefügte § 12h EnWG führt noch einmal explizit auf, welche NF-SDL von der Regelung umfasst sind (vgl. obige Definition in Artikel 2 Nr. 49 BMRL).

Es wird klargestellt, dass VNB diese NF-SDL nur zu beschaffen haben, soweit sie diese in ihrem eigenen Netz benötigen oder die Beschaffung im Einvernehmen mit dem regelzonenverantwortlichen ÜNB erfolgt. 

Mit der Festlegung weiterer Einzelheiten wird die Bundesnetzagentur betraut. 

Weitere Ausgestaltung liegt nun bei der Bundesnetzagentur

Auf Basis des Gesetzestextes ist die Bundesnetzagentur dazu ermächtigt, die Regelung der BMRL bzw. des neu eingefügten §12h EnWG in die Praxis umzusetzen. Zunächst obliegt es der BNetzA, eine Einschätzung der wirtschaftlichen Effizienz einer marktlichen Beschaffung einzelner NF-SDL vorzunehmen.

Diesbezüglich ist das BMWi im Rahmen des Projektes „SDL-Zukunft“ bereits in Vorleistung gegangen und hat zur Durchführung der o.g. Bewertung wie auch hinsichtlich der Ausgestaltung möglicher Beschaffungsmodelle ein Konsortium aus fünf Beratungsunternehmen beauftragt. Der Bericht der Gutachter wurde am 20.10.2020 unter dem Titel „Effizienzprüfung marktgestützter Beschaffung von nicht-frequenzgebundenen Systemdienstleistungen (NF-SDL)“ veröffentlicht.

Die Prüfung und die daraufhin ergehende Festlegung von Ausnahmen von der marktlichen Beschaffung obliegt jedoch der BNetzA und wird zur vollständigen Umsetzung der BMRL ebenfalls noch für dieses Jahr erwartet. Die BNetzA kann entsprechende Festlegungen ohne weitere Anhörung und auch separat für einzelne Spannungsebenen erlassen. 

Nach erfolgter Prüfung ist die BNetzA aufgefordert, für die Bereiche bzw. die NF-SDL, für die sie keine Ausnahme gewährt, geeignete Spezifikationen und technische Anforderungen einer marktlichen Beschaffung zu erarbeiten, zu konsultieren und festzulegen. Diese Spezifikationen und Anforderungen müssen so ausgestaltet sein, dass sich alle in Frage kommenden Marktteilnehmer wirksam und diskriminierungsfrei beteiligen können.

Anstelle der Erarbeitung im eigenen Hause kann die BNetzA auch die Netzbetreiber auffordern, gemeinsam Spezifikationen und technische Anforderungen zu erstellen. Dabei müssen alle relevanten Netznutzer und VNB die Möglichkeit erhalten, sich einzubringen. Die auf diesem Weg entstandenen Beschaffungsregeln müssen anschließend durch die BNetzA genehmigt werden. 

Vor Erlass von Beschaffungsvorschriften kann Schwarzstartfähigkeit angeordnet werden

Solange die BNetzA die Spezifikationen und technischen Anforderungen an die marktliche Beschaffung noch nicht festgelegt hat, sind ÜNB und VNB berechtigt, Betreiber von Erzeugungsanlagen und von Stromspeichern zu verpflichten, die Schwarzstartfähigkeit ihrer Anlagen vorzuhalten, um die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Stromversorgungssystems sicherzustellen. Gleiches gilt, sofern die BNetzA eine Ausnahme von der Pflicht zur marktlichen Beschaffung festgelegt hat. In beiden Fällen haben Anlagen- bzw. Speicherbetreiber Anspruch auf eine angemessene Vergütung.

BDEW äußerte sich bereits zu Gesetzentwurf und Modellvorschlägen der Berater des BMWi

Der BDEW hatte sowohl die Modellvorschläge der Berater als auch den Gesetzentwurf zu § 12h EnWG kommentiert. Er unterstützt ausdrücklich den Ansatz einer diskriminierungsfreien und vor allem technologieneutralen Ausgestaltung der Beschaffung von NF-SDL unter Berücksichtigung von allen verfügbaren, wirtschaftlich erschließbaren Optionen.

In den Arbeiten der Gutachter fehlt aus Sicht des Verbandes allerdings eine über den heutigen Status Quo hinausgehende Untersuchung des künftigen Bedarfs der verschiedenen NF-SDL. Der BDEW fordert zudem, dass die von den Regelungen betroffenen Wertschöpfungsstufen eine angemessene kostenbezogene Planungssicherheit erhalten, um notwendige Investitionsentscheidungen treffen zu können. 

Diese und weitere Hinweise sind ausführlich in den BDEW-Stellungnahmen vom 26. Mai 2020 (zu den Eckpunkten des BMWi), vom 12. Juni 2020 (zu den Modellvorschlägen der Gutachter) und vom 3. Juli 2020 (zum Gesetzentwurf) dokumentiert. 

Weitere Schritte

Den Beginn der Festlegungsprozesse und -verfahren durch die BNetzA erwartet der BDEW bis Ende 2020. Der BDEW wird sich auch weiterhin aktiv in diese Prozesse einbringen.

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