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BGH zum EEG-Einspeisemanagement

Entschädigungsanspruch auch bei Wartungs- und Reparaturarbeiten.

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© BDEW

In seiner Entscheidung vom 11. Februar 2020 hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) erneut mit der Frage auseinandersetzt, wann ein im Rahmen des Einspeisemanagements entschädigungsfähiger Netzengpass vorliegt. Abweichend von seiner bisherigen Rechtsprechung kam das Gericht dabei zu dem Ergebnis, dass ein solcher Engpass bereits dann vorliegen könne, wenn ein Betriebsmittel infolge einer Störung oder der Durchführung von Reparatur-, Instandhaltungs- oder Netzausbaumaßnahmen nicht zur Verfügung stehe. Der BDEW vertrat bislang eine hiervon abweichende Rechtsauffassung.

Entschädigungsanspruch

Mit seiner am 6. Mai 2020 veröffentlichten Entscheidung, die bereits am 11. Februar 2020 (XIII ZR 27/19) ergangen ist, hat der BGH teilweise neue Maßstäbe für die Entschädigung von Anlagenbetreibern im Falle eines „Netzengpasses“ gesetzt. Damit werden die Fallgestaltungen, in denen eine Entschädigung zu leisten ist, gegenüber der bisher überwiegend vertretenen Rechtsauffassung erweitert.

Der BGH setzt sich in seiner Urteilsbegründung intensiv mit dem Vorliegen eines Netzengpasses im Sinne von § 11 Abs. 1 Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2012 und § 14 Abs. 1 EEG 2014 auseinander. Ein solcher „Netzengpass“ ist Voraussetzung für den Entschädigungsanspruch nach § 12 Abs. 1 EEG 2012 sowie nach § 15 Abs. 1 EEG 2014. Diese Vorschriften entsprechen den heutigen Vorgaben für das Einspeisemanagement in den §§ 14 und 15 EEG 2017. Damit hat das Urteil auch Relevanz für die heute geltende Rechtslage.

Einspeiseunterbrechung

Das Gericht stellt zunächst fest, dass nicht in jedem Fall der Trennung einer Anlage vom Stromnetz und einer damit verbundenen (vollständigen) Einspeiseunterbrechung für diese Anlage eine durch einen Netzengpass bedingte Reduzierung der Stromeinspeisung im Sinne des EEG-Einspeisemanagements zu bejahen wäre. Beruhe die Anlagentrennung etwa auf dem Umstand, dass beispielsweise die Zuleitung von der Anlage zum Netz aufgrund der Reparatur-, Instandhaltungs- oder Netzausbaumaßnahmen außer Funktion gesetzt werde, könne eine Stromeinspeisung von der betreffenden Anlage unabhängig von den aktuellen Netzkapazitäten bzw. einem Netzengpass nicht erfolgen. 

Eine zur Entschädigung verpflichtende Einspeisereduzierung sei demgegenüber jedoch dann gegeben, wenn in den betroffenen Bereich des Netzes weiterhin von anderen Stromerzeugungsanlagen Strom eingespeist und die geregelte Anlage gerade zu dem Zweck vom Netz getrennt werde, eine Verringerung der insgesamt einzuspeisenden Strommenge herbeizuführen. Ein Entschädigungsanspruch bestehe mithin, wenn die jeweilige Reparaturmaßnahme einen (drohenden) Netzengpass verursache und die Regelungsmaßnahme des Netzbetreibers eine Reaktion auf diesen Umstand sei, also der Entlastung des andernfalls überlasteten Netzes diene. Es bestehe kein Anlass, solche Fälle aus dem Anwendungsbereich des Einspeisemanagements auszuschließen, in denen die Netzkapazität infolge von Reparatur-, Wartungs- oder anderen dem Erhalt des Netzes dienenden Maßnahmen vorübergehend vermindert sei. Dies gelte auch dann, wenn die vorübergehende Trennung der Anlage auf Baumaßnahmen beruhe, die dem Netzausbau dienten.

Eine andere Sichtweise ergebe sich auch nicht aus der bisherigen Rechtsprechung des BGH. Seinem Urteil vom 11. Mai 2016 (siehe hierzu auch BDEW News vom 30. August 2016) habe insofern ein anderer Sachverhalt zugrunde gelegen, als dass dort die Einspeisung von Strom in den von den Reparaturmaßnahmen betroffenen Netzbereich generell, für alle Einspeisewilligen ausgeschlossen gewesen und die Einspeisemenge nicht infolge der reduzierten Netzkapazität verringert worden sei.

Einzelne Aspekte der Entscheidung

Auch wenn Teile der Rechtsliteratur die Ansicht vertreten, dass geringfügige oder kurzzeitige Kapazitätsengpässe, die durch Wartungs- oder Instandhaltungsmaßnahmen bedingt seien, nicht als Netzengpässe im Sinne des § 11 Abs. 1 EEG 2012 und des § 14 Abs. 1 EEG 2014 eingeordnet werden sollten, die zu einer Entschädigungspflicht nach § 12 Abs. 1 EEG 2012 oder § 15 Abs. 1 EEG 2014 führen, kommt der BGH zu einem anderen Ergebnis. Weder ein erkennbarer Wille des Gesetzgebers noch Sinn und Zweck des Gesetzes würden es gebieten, die Entschädigungspflicht bei Einspeisereduzierungen, die auf einem reparatur-, wartungs- oder instandhaltungsbedingten Netzengpass beruhen, auszuschließen. Ziel des Gesetzes sei es die Position des Anlagenbetreibers, der von einer durch Netzengpass bedingten Regelung betroffen ist, zu stärken. Dies spreche dafür, den Anwendungsbereich für die Entschädigungsregelung weit zu fassen. Daher sei Voraussetzung hierfür nur das Vorliegen eines Netzengpasses. Dadurch solle sichergestellt werden, dass die Anlagenbetreiber nicht aufgrund von Kapazitätsengpässen im Stromnetz wirtschaftliche Einbußen erleiden, weil sie den in ihren Anlagen erzeugbaren Strom nicht in das Stromnetz einspeisen und damit auch nicht veräußern könnten. Denn das gesetzgeberische Ziel werde gerade dann bestmöglich erreicht, wenn der Entschädigungsanspruch bei jeder Einspeisereduzierung aufgrund eines Netzengpasses und unabhängig von dessen Ursache bestehe. Dies ermögliche auch, neben der wirtschaftlichen Absicherung die Planungs- und Investitionssicherheit für die Anlagenbetreiber zu erhöhen.

Als weiteren Aspekt führt der BGH an, dass eine Anwendung der Entschädigungsregelung ohne Rücksicht auf die konkrete Ursache des Engpasses eine weitgehende Gleichbehandlung der Anlagenbetreiber untereinander und damit die Möglichkeit eines effizienten Einsatzes des Einspeisemanagements durch die Netzbetreiber garantiere.

Sanktionen

Schließlich trifft das Gericht die Feststellung, dass die Entschädigungspflicht nicht als Sanktion für Netzbetreiber ausgestaltet sei, die ihrer Pflicht zum Netzausbau nicht nachkämen. Vielmehr knüpfe sie allein an den von den Anlagenbetreibern vorgefundenen technischen Status quo des Stromnetzes an und stelle diese wirtschaftlich im Wesentlichen so, wie sie stünden, wenn es wegen des Vorhandenseins der erforderlichen Netzkapazität keines Einspeisemanagements bedürfte.

Hinweis zur Darlegungs- und Beweislast

Im Ergebnis hat der BGH die Entscheidung des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur Neuverhandlung und Entscheidung an das OLG Naumburg zurückzuverweisen.  Für die neue Verhandlung erlässt der BGH abschließend folgenden Hinweis: 

Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass eine die Stromeinspeisung betreffende Regelungsmaßnahme des Netzbetreibers auf einem drohenden Netzengpass beruhe, liege nach allgemeinen Grundsätzen beim anspruchstellenden Anlagenbetreiber. Da hiervon auszugehen sei, solange in den betroffenen Netzbereich Strom eingespeist werde, genüge der Anspruchsteller seiner Darlegungslast, wenn er vortrage, dass der Netzbetreiber die Einspeisemenge aus seiner Anlage im betreffenden Zeitraum auf einen Wert größer null reduziert habe. Sollte jedoch eine vollständige Trennung der Stromerzeugungsanlage vom Netz erfolgen und dem Anlagenbetreiber die Gründe hierfür nicht bekannt sein, würde den Netzbetreiber eine sekundäre Darlegungslast treffen, anzugeben, ob im fraglichen Zeitraum in den betroffenen Netzabschnitt Strom eingespeist wurde.

Auffassung des BDEW

Interessant erscheint auf den ersten Blick die „Fortführung" der bisherigen Rechtsprechung des BGH. Diese hat nach bisheriger Auffassung des BDEW auch eine andere Sichtweise zugelassen. 

So vertrat der BDEW bislang die Ansicht, dass zwischen „Regelmaßnahmen im ungestörten Netzzustand“ und „Regelmaßnahmen im gestörten Netzzustand“ differenziert werden müsse (siehe Stellungnahme im Clearingstellenverfahren 2015/48). Nur erstere Regelmaßnahmen würden unter § 11 EEG 2009 fallen und seien damit auch nach § 12 EEG 2009 zu entschädigen gewesen. „Regelmaßnahmen im gestörten Netzzustand“ seien demgegenüber nicht solche nach § 11 EEG 2009 mit der Folge der Nichtanwendbarkeit der Entschädigungsregelung in § 12 EEG 2009. Unter diese Regelmaßnahmen fielen solche zur konkreten technischen Durchführung eines Netzausbaus für die EEG-Anlage, die durch die Regelmaßnahme betroffen sei, sowie Regelmaßnahmen zur konkreten technischen Durchführung eines Netzausbaus für eine andere EEG-Anlage, wobei die Netzausbaumaßnahme Auswirkungen auch auf andere EEG-Anlagen habe.

Ebenfalls nicht in den Anwendungsbereich von § 11 EEG 2009 fielen nach Auffassung des BDEW Regel- oder sonstige Maßnahmen, die zur Durchführung notwendiger Reparatur- oder Wartungsarbeiten erforderlich gewesen seien.

Die Geschäftsstelle des BDEW wird vor diesem Hintergrund sowohl das Urteil vertieft auswerten,  seine Rechtsauffassung überprüfen und seine Mitgliedsunternehmen weiterhin informieren. 

Weitere Informationen

Weiterführende Fragen zur Engpassbewirtschaftung werden auf dem BDEW-Informationstag „Redispatch 2.0“ am 1. Oktober 2020 in Mainz erörtert, wobei insbesondere das neue System beleuchtet wird, auf das sich die Netz- und auch Anlagenbetreiber in den kommenden eineinhalb Jahren einstellen müssen: nach welchen gesetzlichen Vorgaben dürfen in Zukunft welche Anlagen in welcher Reihenfolge zu welchen Kosten ab- und heraufgeregelt werden? Wer liefert wem in welchem Umfang welche Daten? Und wie erfolgen der bilanzielle und der finanzielle Ausgleich? 

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