Krawatten ablegen wird nicht reichen!

Start-ups und neue Geschäftsmodelle sind in aller Munde. Überall scheinen Inkubatoren, Akzeleratoren, Pitching-Wettbewerbe wie Pilze aus dem Boden zu schießen. Doch woher rührt dieser Hype?

Und wird dadurch die Energie­branche weiter oder schneller umgebaut? Bereits vor über 15 Jahren begann der Umbau unserer Branche: Spätestens mit dem EEG wurden neue Technologien weiterentwickelt, zeitgleich ein erster Ausstiegspfad aus der Atomenergie definiert. Neue Unternehmen sind seitdem in den Energiemarkt hineingewachsen, und wichtige Trends wirken: hin zu mehr Dezentralität, zu Null-Grenzkosten-Technologien, zu den erneuerbaren Energieträgern. Jetzt kommt ein weiterer Veränderungstreiber hinzu: die Digitalisierung, mit Schlagwörtern wie Internet of Things, Smart x oder Plattformtechnologien. Sie verstärkt Trends und setzt mit Sharing-Economy-Ansätzen, Selbststeuerungen über Algorithmen oder regionalen Geschäftsprozessen noch neue Trends obendrauf. Es ist insbesondere die Digitalisierung, durch die es jungen Gründern und Technologiefreaks nun gelingt, schnell völlig neue Geschäftsmodelle zu definieren. Traditionelle Player der Branche suchen daher proaktiv die Zusammenarbeit mit externen Innovatoren und unterstützen diese finanziell.

Jedoch haben sich klassische Risikokapital-Investoren mehr und mehr aus den Frühphasenfinanzierungen herausgezogen, zugleich sind Investments in „Hardware-Innovationen“ massiv zugunsten von Digitalisierungs-Geschäftsmodellen ins Hintertreffen geraten. Es ist heute im eher anlagengetriebenen Bereich schwer, Investoren gerade in der frühen Phase zu gewinnen. Eine zunehmende Risikoaversion und auch eine Nachwirkung der Finanzkrise 2008 tragen hierzu bei.

Aber die Energiewende und die Digitalisierung benötigen letztlich auch Veränderungen der „Physik“, der Hardware, der Infrastruktur – den langen Atem. Digitale Start-ups werden die Branche verändern, etablierte Player vor sich hertreiben – aber alleine werden sie nicht erfolgreich sein können. Daher werden auch aus anderen Branchen neue Investoren gerade für Finanzierungs- und Skalierungsprozesse gebraucht. Und schließlich: Energieversorger benötigen interne Organisations- und Kulturveränderungen. Das Ablegen der Krawatten mag symbolisch wichtig sein, wie auch ein veränderter Dresscode. Aber wir sollten uns nicht selber in einen Start-up-Hype mit überzogenen Erwartungen bringen. Ich bin überzeugt: Wir brauchen Entrepreneure und Intrapreneure!

Dirk Bessau

Dr. Dirk Bessau, Leiter der Berliner Büros von KIC InnoEnergy

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