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"Wir müssen einen Motor im laufenden Betrieb umbauen."

Weg von der Kohleverstromung, hin zu neuen Geschäftsfeldern - Chancen und Herausforderungen beim Umbau eines Energieversorgungsunternehmens. Ein Gespräch mit Leag-Chef Helmar Rendez
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© Foto: shutterstock

Die Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäf­tigung hat in ihrem Abschluss­bericht empfohlen, dass 2038 die letzte Anlage in der Kohle­verstromung abgeschaltet wird. Was bedeutet das für die LEAG und die Region?
Das ist ein Umbruch von historischer ­Dimension. Die Kommission musste nicht nur die drei zentralen Themen der Energiewirtschaft im Auge behalten – Versorgungssicherheit, Ökologie und Entwicklung der Strompreise –, sie musste sich auch Gedanken machen zu der Frage, wie man für diesen Prozess eine gesellschaftliche Akzeptanz findet. Hier haben insbesondere die Vertreter der Wirtschaft, der Gewerkschaften, der Regionen und der Landesregierungen gut zusammengearbeitet. Es war sicherlich einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren dieser Strukturkommission, dass sie versucht hat, wirklich alle Beteiligten an einen Tisch zu bekommen. Mit Blick auf die LEAG: Die Kommission hat sich auf einen Zeitraum von 20 Jahren verständigt. Das hört sich zunächst nach einer langen Zeit an. Aber für uns ist das ein recht kurzer Zeitraum, denn wir müssen ein Unternehmen mit 8.000 Industriearbeitsplätzen und einer jährlichen Wertschöpfung von 1,3 Milliarden Euro vollständig transformieren. Wenn man die Wertschöpfung in der Region erhalten will, bedeutet das, dass jedes Jahr ein neues Unternehmen mit 70 Millionen Euro Wertschöpfung und 400 hochwertigen Industriearbeitsplätzen entstehen müsste. Und dabei sind unsere Auftragnehmer und deren Arbeitsplätze noch nicht einmal eingerechnet. 

Wie geht man so eine Aufgabe an?
Stellen Sie sich das so vor, als ob Sie einen Motor, der unter Last fährt, im laufenden Betrieb umbauen. Unser Hauptgeschäft ist nun mal die Braunkohleförderung und -verstromung. Beides wird auch noch eine lange Zeit die zentrale Quelle sein, wenn es um die Generierung des Cashflows geht. Diesen Cashflow brauchen wir aber auch, um zugleich in neue Technologien und Geschäftsfelder zu investieren. Da muss man im Grunde verschiedene Saaten aussäen und schauen, welche davon keimen und belastbare Triebe hervorbringen. 

Welche Geschäftsfelder sehen Sie denn für die LEAG in der Zukunft?
Auf der einen Seite können wir einige unserer existierenden Geschäftsfelder jenseits der Kohleverstromung für den Markt zugänglich machen: Wir sind beispielsweise mit ­unseren rund 300 Lokführern und 90 Loks eines der größeren Eisenbahnunternehmen Deutschlands und haben eine der modernsten Schienenfahrzeuginstandsetzungszentralen, die es hierzulande gibt. Wir verfügen über reichhaltiges Wissen in Bezug auf die Forstwirtschaft und die Nutzbarmachung von Flächen. Und wir haben umfangreiche Kompetenzen im Stahlbau. Das sind Pfunde, mit denen wir auch nach 2038 wuchern können. 

Doch es gibt auch eine Vielzahl neuer Geschäftsfelder: Am Industriestandort Schwarze Pumpe wird im ersten Halbjahr 2020 unsere »BigBattery« in den Probebetrieb gehen, ein Batteriespeicher zur Flexibilisierung und Absicherung des Stromnetzes mit einer Kapazität von 53 Megawattstunden. Der Speicher ist eingebunden in ein Reallabor, bei dem wir zeigen möchten, wie Erneuerbare mit konventionellen Energien optimal zusammenarbeiten und sich mit dem Verkehrssektor vernetzen können. Weiterhin haben wir auf unseren Freiflächen beste Voraussetzungen, um Photovoltaik- und Windkraftprojekte umzusetzen. Und wir können Seenflächen gestalten, die nicht nur touristischen Wert haben, sondern auch energiewirtschaftlich – zur Erzeugung und Speicherung – genutzt werden können. 


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Wichtig ist aber auch, dass wir bei allen diesen Modellvorhaben den energiepolitischen Rahmen mit abstecken und die entsprechenden Impulse setzen, damit vielversprechende Konzepte nicht im Dickicht von Steuern, Abgaben und Umlagen untergehen oder neue Dauersubventionen entstehen. Denn eines darf nicht vergessen werden: Wir müssen das energiewirtschaftliche Dreieck aus Ökologie, Ökonomie und Versorgungssicherheit auch in der Zukunft stabil halten. Derzeit haben wir in Deutschland die höchsten Strompreise Europas. Die lassen sich ein Stück weit damit rechtfertigen, dass wir auch Europameister beim Thema Versorgungssicherheit sind. Wenn das aber eines Tages nicht mehr so sein sollte, bekommen wir ein Problem. 

Was erwarten Sie von der Politik noch, damit der Strukturwandel gelingt?
Wenn ich im Jahr 2020 auf der A13 von Cottbus nach Berlin fahre, kann ich Ihnen genau sagen, an welchem Kilometerzählerstand meine Handyverbindung zusammenbricht. Das muss ganz schnell Vergangenheit werden. So können Sie keine Investoren in die Region holen. Wir brauchen als Grund­voraussetzung, um in der Lausitz wettbewerbsfähig zu sein, flächendeckendes und stabiles Breitbandnetz, aber auch eine ebenso zeitgemäße Logistikanbindung auf Schiene und Straße. Wir brauchen dringend Weiterbildungsmöglichkeiten für junge Menschen, also Ausbildungsbetriebe und gut ausgestattete Universitäten – sonst wandern uns die Talente ab. Deshalb müssen bei der KWSB-Umsetzung Planungsbeschleunigung, privatwirtschaftliche Investitionsanreize und Sicherheit für die Industrie und deren Arbeitsplätze an erster Stelle stehen.

Wenn ich im Jahr 2020 auf der A13 von Cottbus nach Berlin fahre, kann ich Ihnen genau sagen, an welchem Kilometerzählerstand meine Handyverbindung zusammenbricht. Das muss ganz schnell Vergangenheit werden.

Wie sieht es in der Lausitz 2050 aus?
Sicherlich werden wir nach dem Kohleausstieg Gas noch eine Weile als Brückentechnologie brauchen. Doch "Klimaneutralität 2050" bedeutet, dass dann auch Erdgas in Deutschland keinen Platz mehr haben wird. Für die volatile Wind- und Sonnenenergie werden Speicherlösungen eine immens wichtige Rolle spielen. Und ich glaube auch, dass das Thema Wasserstoff noch ganz viele spannende Szenarien bietet. Die Lausitz wird, davon bin ich überzeugt, auch 2050 immer noch eine Energieregion sein. 

Herr Rendez, vielen Dank für das Gespräch.


 

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