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BDEW zum Klimaschutzplan 2050: viel erreicht, viel zu tun

Die Bundesregierung hat den Klimaschutzplan 2050 beschlossen. Der BDEW begrüßt den Beschluss grundsätzlich. Allerdings enthält er mit den Vorgaben des Sektorziels für die Energiewirtschaft ein Korsett, das eine wirtschaftlich effiziente, schrittweise Reduktion der Kohleverstromung schwierig macht und viele Fragen der Umsetzung offen lässt. Hier muss bei der im Plan vorgesehenen Überprüfung 2018, die mit dem Beginn der Arbeit der Kommission zusammenfällt, erneut für Realismus geworben werden.

Kernstück des Klimaschutzplan (KSP 2050) ist das Mengengerüst. Es beschreibt - differenziert nach Handlungsfeldern - eine Bandbreite von C02-Äquivalenten in Millionen Tonnen, die 2030 noch emittiert werden darf. Zugleich wird angegeben, in welcher Bandbreite sich die Emissionen 2030 gegenüber 1990 in Prozent verringert haben müssen.

Für die Energiewirtschaft heißt das, dass der CO2-Ausstoß auf 175-183 Millionen Tonnen reduziert sein muss. Dies entspricht einer Verringerung um 62 – 61 Prozent gegenüber 1990. In letzter Minute konnte der BDEW dafür sorgen, dass die Restmengen zumindest etwas angehoben werden. Die Einschnitte für die Branche fallen insgesamt jedoch noch tiefer aus, als die Zahlen auf den ersten Blick aufzeigen.

Im Klimaschutzplan zählen zur Energiewirtschaft nicht nur die öffentliche Elektrizitätsversorgung, sondern auch Kokereien, Raffinerien und Abfallverbrennungsanlagen. Das heißt, dass für die öffentliche Stromversorgung zur Verfügung stehende Emissionsvolumen verringert sich nochmals. Ähnlich anspruchsvoll fallen die Emissionsreduktionen für den Gebäudesektor aus, nämlich um 67 - 66 Prozent gegenüber 1990. Aus Sicht des BDEW erfordert dies auch bei Bestandsgebäude sehr weitgehende Eingriffe. Ob der angestrebte radikale Wandel erreicht werden kann, ohne Wohnen unverhältnismäßig zu verteuern, bleibt abzuwarten.

Bedauerlich bleibt, dass andere Sektoren, wie vor allem der Verkehrssektor nicht noch viel stärker verpflichtet wurden. Nach bisher vollständig ausgebliebenen CO2 Reduktionen hätte es hier klarere Einsparungen bedurft. So bleibt es, dass die Lastenteilung zwischen den Sektoren eine große Spannweite aufweist (Gebäude: 67-66 Prozent, Landwirtschaft: 34-31 Prozent).

Nachjustierung 2018 möglich

Die Sektorziele waren im Entwurf des BMUB Ende September noch nicht enthalten. Sie haben Auswirkungen, deren Tragweite weder mit der Energiewirtschaft noch im politischen Raum ausreichend diskutiert worden sind. Dies gilt insbesondere für die Kosten und die Energieversorgung, aber auch für die betroffenen Wirtschaftszweige und unsere europäischen Nachbarn. Deshalb ist es nur folgerichtig, dass der KSP 2050 eine umfassende Folgenabschätzung vorsieht, deren Ergebnis mit den Sozialpartnern diskutiert wird und 2018 eine Anpassung der Sektorziele ermöglicht. Einer solchen Schleife würde es allerdings erst gar nicht bedürfen, wenn eine derart folgenschwere Entscheidung nicht mit der heißen Nadel gestrickt und am Parlament vorbei getroffen worden wäre.

Der KSP wird regelmäßig fortgeschrieben. "Dabei wird auch überprüft, ob der technische Fortschritt und ökonomische Entwicklungen, die heute noch nicht vorhergesehen werden können, sowie die in diesen Minderungskorridoren abgebildete Sektorkopplung Anlass zur Neujustierung zwischen den Korridoren gibt".

BDEW-Bewertung

Der BDEW unterstützt das Ziel einer bis 2050 weitestgehend klimaneutralen Energieversorgung. Die vom BDEW erhobenen fünf Kernforderungen haben eine Reihe von Anpassungen im KSP 2050 ausgelöst: Eindeutig positiv sind die Veränderungen, die der BDEW für die Gaswirtschaft erreicht hat. Hier zahlt sich der vom BDEW initiierte Gasappell aus: Die Bundesregierung bekennt sich zum Erfordernis von Gaskraftwerken, bestätigt die kurz- und langfristigen Minderungspotenziale von Gas im Wärmesektor und benennt die Gasmobilität in einem emissionsarmen Verkehrsbereich. Alles das war vor wenigen Wochen nicht Bestandteil des Plans. Ein Erfolg des gesamten BDEW.

Auf den letzten Metern hat die Bundesregierung auch den wiederholten Hinweis des BDEW berücksichtigt, dass bei erfolgreicher Sektorkopplung das bisherige Quellprinzip nicht mehr zielführend ist. Ein wichtiger Erfolg, da sonst die Minderungsnotwendigkeiten für die Energiewirtschaft weiter angestiegen wären.

Klar ist aber auch: Der jetzige Beschluss wird erneut mit hohen volkswirtschaftlichen Folgekosten verbunden sein, die bei einer breiteren Beratung - und ohne die Ziele für 2050 zu gefährden - hätten vermieden werden können. In die nur 14 verbleibenden Jahre bis 2030 soll neben dem Atomausstieg nun auch noch ein weitgehender Kohleausstieg gepresst werden. Dies ist regionalpolitisch und volkswirtschaftlich unsinnig. Die Bundesregierung setzt offensichtlich damit auf den raschen Neubau von Gaskraftwerken, um die Versorgungssicherheit aufrecht zu erhalten. Für solche Investitionen fehlt - Stand heute - die Planungssicherheit. Finanzielle Anreize müssten dies ausgleichen, aber zugleich auch beihilfekonform ausgestaltet sein. Auch der erforderliche Ausbau Erneuerbarer Energien zeigt nur in dem Umfang Wirkung, in dem auch der Netzausbau gelingt.

Wenn man die erforderlichen Investitionen stemmen will, die gleichzeitig in Netzausbau, Erneuerbaren-Ausbau und neue Kraftwerke fließen sollen, müssen sich die Rahmenbedingungen ändern. Wenn die Bundesregierung Kraftwerkskapazitäten will, wird sie an einem Kapazitätsmarkt, der das anreizt, nicht vorbei kommen. Es ist auch an der Zeit, den Bürger aufzuklären, dass ein solcher Komplettumbau des Energiesystems mit hohen Kosten verbunden sein wird, die letztlich zwangsläufig der Endkunde tragen wird.

Der KSP 2050 verengt Sektorkopplung noch immer vornehmlich auf die Elektrifizierung anderer Sektoren auf Basis Erneuerbarer Energien. Es heißt dort: "Strom aus erneuerbaren Energien wird im zukünftigen Energiesystem der zentrale Energieträger sein". Nach Auffassung des BDEW beschränkt sich Sektorkopplung nicht nur auf die Dekarbonisierung durch Elektrifizierung anderer Sektoren. Vielmehr geht es um eine Gesamtoptimierung des Energiesystems bei Chancengleichheit der Energietechnologien. Hier ist also gegenüber der Politik weitere Überzeugungsarbeit notwendig.

Deutschland ist nur ein kleiner Teil des großen Klimaschutzpuzzles. Deshalb wird es darauf ankommen, dass sich nicht erneut eine Schere zwischen den europäischen Zielen für 2030 und den Zielen, die wir uns in Deutschland setzen, auftut. Minderemissionen in Deutschland würden dann automatisch durch Mehremissionen in der übrigen EU kompensiert. Die deutsche Wirtschaft würde zugunsten ihrer Wettbewerber geschwächt, ohne den Klimaschutz voranzubringen.

Europa

Aus Sicht des BDEW stellt der KSP 2050 in seiner jetzigen Fassung zutreffend fest: "Der Emissionshandel ist ein EU-weites Instrument, das strukturell nicht darauf ausgerichtet ist, zielgerichtet in einzelnen Ländern und Sektoren Emissionsreduktionen zu bewirken und damit die Erreichung nationaler Klimaziele sicherzustellen." Um ein mögliches Auseinanderklaffen europäischer und nationaler Anstrengungen zu vermeiden, verpflichtet sich die Bundesregierung im KSP 2050 sich auf europäischer Ebene für mehr Effektivität im ETS einzusetzen.

Zwischenfassungen des Klimaschutzplans hatten die Forderung nach einem europäischen CO2-Mindestpreis enthalten. Richtig daran ist, dass ehrgeizige nationale Minderungsziele und ein europaweiter Überschuss an Emissionszertifikaten kaum zusammen passen. Denn bei einem niedrigen Zertifikatpreis fehlt es an Preissignalen, die die politisch gewollten Investitionen in neue Anlagen auch betriebswirtschaftlich sinnvoll erscheinen lassen. Ein Mindestpreis von signifikanter Höhe hätte ohne gleichzeitig stattfindende Verknappung der Zertifikate allerdings zur Folge, dass aus dem Handel mit Zertifikaten eine Besteuerung würde. Die optimierende Funktion eines Handelssystems wäre damit hinfällig. Der Königsweg besteht daher in einer Verknappung der Zertifikate. Im Kern bedeutet dass jedoch auch, dass Europa schneller mehr tun muss. Deutschland wäre dann nicht länger Vorreiter, sondern Schrittmacher.

Hintergrund

Der Klimaschutzplan konkretisiert das deutsche Klimaschutzziel für 2050 und die vereinbarten Zwischenziele im Lichte des Übereinkommens von Paris und unterlegt diese mit Maßnahmen. Er beschreibt den Weg zur weitgehenden Treibhausgasneutralität bis zur Mitte des Jahrhunderts. Der Klimaschutzplan ist kein Gesetz. Das bedeutet, er wird nicht vom Bundestag beschlossen. Gleichwohl entfaltet er - wie schon das Energiekonzept der Bundesregierung von 2010 - eine starke politisch prägende Kraft.

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