Future Fuels für Strom, Wärme und Transport

Welche Chancen und Potenziale bieten synthetische Treib- und Kraftstoffe für das Energie- und Verkehrssystem der Zukunft - und können sie die fossilen ablösen?

Ein vollbesetzter Airbus A350, der sich majestätisch und fast geräuschlos per Elektroantrieb in die Luft erhebt? Trotz der aktuellen Sympathiewelle für emissionsfreie Antriebe ist dies ein nur schwer vorstellbares Bild. Gerade im Flug-, Schiffs- und Schwerlastverkehr, aber auch in der Raumfahrt wird es in den nächsten Jahren nicht möglich sein, auf flüssige oder gasförmige Treibstoffe mit hoher Energiedichte zu verzichten. Denn nur diese können derzeit hohe Reichweiten und den Transport schwerer Lasten bei vertretbaren Kosten sicherstellen.

Die Antwort auf die Frage, wie all dies trotzdem ressourcenschonender und emissionsärmer geschehen kann, könnte in den sogenannten Future Fuels liegen - speziell designten Brennstoffen, die Motoren und Turbinen treiben, ohne aber den vollen Umfang der Nachteile herkömmlicher, fossiler Kraftstoffe wie Diesel, Benzin oder Kerosin mitzubringen. Future Fuels sind aber auch im Rahmen der Sektorkopplung als flüssige oder gasförmige Zwischenspeicher von großem Interesse: Sonst ungenutzte, abgeregelte Solar- oder Windenergie könnte über automatisierte Prozesse in solche Treibstoffe umgewandelt werden, die dann zu einem späteren Zeitpunkt bei entsprechendem Bedarf zur Anwendung kommen.

Das Thema ist eindeutig auf dem Vormarsch: "Flüssige Brenn- und Kraftstoffe leisten einen unverzichtbaren Beitrag zu einer sicheren und wirtschaftlichen Energieversorgung in den Sektoren Mobilität und Wärme. Künftig soll ihr Beitrag zum Klimaschutz und zur Energiewende deutlich steigen. Daher arbeitet die Forschung intensiv an der Herstellung treibhausgasreduzierter flüssiger Brenn- und Kraftstoffe, um ihre Vorteile auch in Zukunft nutzen zu können", berichtet David Diarra, Geschäftsführer des Oel-Waerme-Instituts, eines An-Instituts der RWTH Aachen, welches seit 2014 ein eigenes Forschungscluster für zukünftige Brenn- und Kraftstoffe betreibt. Auch das Institut für Verbrennungstechnik am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) forscht zurzeit intensiv an den Kraftstoffen der Zukunft. Prof. Dr. Uwe Riedel, Abteilungsleiter am Institut, sieht große Notwendigkeiten für diese Treibstoffe:

An Future Fuels kommen wir gar nicht vorbei, wenn wir die Klimaschutzziele erreichen wollen und zugleich hierzulande die Mobilität, das Transportwesen und die Versorgung mit Kraftstoffen sicherstellen möchten.


Doch was sind Future Fuels nun eigentlich und wie werden sie hergestellt?

Allen Future Fuels ist gemeinsam, dass sie auf einer eleganten Verbindung bestehender Ressourcen basieren. Bei den Ausgangsstoffen handelt es sich bevorzugt um Abfall-Biomasse. Die zugeführte Prozessenergie zur Herstellung wiederum stammt aus den Erneuerbaren - wahlweise überschüssige Wind- und Solarenergie oder direkte thermische Energie des Sonnenlichts. Grob lassen sich Future Fuels einteilen in:

  • flüssige und gasförmige Brennstoffe, die direkt durch biologische Prozesse wie Fermentierung entstehen. Als Rohstoffe können beispielsweise Stroh, Holzreste oder Energiepflanzen wie Raps eingesetzt werden.

  • Brennstoffe, die über Synthesegase erzeugt werden. Hierbei werden entweder die Grundstoffe zunächst in brennbare gasförmige Verbindungen überführt und dann über Katalyseverfahren in flüssige Kohlenwasserstoffe umgewandelt - alternativ entsteht das synthetische Gas direkt durch die Spaltung von Wasser per Sonnenenergie.


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Es herrscht Forschungsbedarf

Bis zur Marktfähigkeit eines Future Fuels ist es jedoch ein weiter Weg. Zum einen gibt es - vornehmlich in der Luftfahrt, wo das Postulat »Safety First« gilt - strenge Zertifizierungsprozesse. Schließlich soll eine Flugzeugturbine unter der Nutzung von Future Fuels die gleiche Leistung und Ausfallsicherheit wie unter fossilem Kerosin erbringen. Zum anderen müssen Future Fuels vor dem Beginn der Massenproduktion aufwändige Simulations- und Experimentierphasen durchlaufen, denn es gilt, eine Vielzahl von Parametern zu evaluieren: Wie zündwillig ist der Treibstoff? Wie schnell setzt die Wärmeproduktion ein? Wie resistent ist die Flamme gegen eine ungewollte Verlöschung? Welche Emissionen fallen an? Solche Fragen entscheiden darüber, ob Future Fuels auf bestehende Motoren und Turbinen hin optimiert werden können - oder ob es sich für eine optimale Energieausbeute des Gesamtsystems lohnt, in neue Motortechnologien zu investieren, die speziell für einen bestimmten Treibstoff designt werden. Hier hat das Institut, erklärt Riedel, den DLR Fuels Preselection Process entwickelt, der ein effizientes Screening von neuen Fuels erlaubt. Zu einem ganzheitlichen Realitätscheck gehört auch die Frage, wie komplex und kostspielig die Herstellung und Lagerung der Treibstoffe sind - und ob sie mit der bestehenden (Tankstellen-) Infrastruktur kompatibel sind. Und zu guter Letzt, so betont Riedel, müsse jedes potenzielle Future Fuel einer kompletten Systemanalyse unterzogen werden, bei der quasi von der Wiege bis zur Bahre alle Herstellungs- und Nutzungskosten sowie Emissionen analysiert und in Bezug zu den klassischen, vorhandenen Treibstoffen gesetzt werden.

Die Reise hat begonnen - Aber wer zahlt die Rechung?

Die Future Fuels sind auf dem Weg, sie haben den Status der Laborversuche bereits verlas-sen. Doch es gibt noch eine Herausforderung – die Finanzierung. Denn erst wenn diese Brenn- und Treibstoffe in großer Menge produziert werden, wird der exakte Preis für die Erzeugung abschätzbar. Große Industrieanlagen müssen vorfinanziert werden, die Investments sind teilweise immens. Riedel: "Das unternehmerische Risiko ist hoch - die Chancen natürlich auch. Wenn die Politik Produzenten mit Förderungen unterstützen könnte, wäre schon einiges gewonnen: Im Idealfall trifft man sich in der Mitte."

Text: Jochen Reinecke


Lesen Sie zum Thema auch das ausführliche Interview mit Prof. Dr. Uwe Riedel vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)



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