Generation Y – frischer Wind in der Energiebranche

Für die Generation Y zählt Sinnsuche statt Karriere, heißt es. Flexibilität statt Festanstellung, Work-Life-Balance statt dickes Gehalt – und alles bitte mit viel Lob vom Chef ... Wirklich?

Generation Y

Still und leise verändert die Generation Y die Arbeitswelt, sagen Soziologen. Annemarie Goth, Recruiterin bei der Berliner GASAG AG und selbst eine Um‑die‑30‑Jährige, erzählt. Interview Meike Bruhns

Frau Goth, mit 29 Jahren zählen Sie auch zur Generation Y. Erkennen Sie sich in der Liste der Thesen wieder? 

Das sind zwar Standardschubladen, aber manches passt in der Tat ganz gut. Bei anderen Sachen frage ich mich jedoch, wie die Soziologen bloß darauf kommen. 

Was passt denn so gar nicht? 

Etwa, dass ein fester Job für meine Generation keine Priorität hat. Mir ist das wichtig, meinen Freunden und vielen anderen auch. Unbefristete Verträge sind hoch im Kurs. Befristete Stellen kann ich nur schwer besetzen – alles unter einem Jahr klappt meist nur mit Zeitarbeitsfirmen. Sicher, die Lebensläufe sind nicht mehr so gradlinig. Viele reisen neben dem Studium und probieren Dinge aus, um herauszufinden, was ihnen Spaß macht. Aber wenn es an den Berufseinstieg geht, suchen die meisten ein Unternehmen, das ihnen eine Perspektive bietet.

Als Recruiterin sitzen Ihnen oft Gleichaltrige gegenüber. Haben die etwas gemeinsam, das sie von anderen Generationen unterscheidet? 

Die bringen ein ganz anderes Selbstbewusstsein mit und können sich sehr gut darstellen. Fragen zu flexiblen Arbeitszeiten, Work-Life‑Balance und Weiterbildungen kommen auch oft – zwar erst am Ende des Gesprächs, aber immerhin: Ältere Kandidaten sprechen das seltener an. 

Wie stellt sich die GASAG AG auf diese Bewerber ein? Es gibt ja nicht so viele Vertreter der Generation Y ... 

Heute müssen sich die Unternehmen verstärkt auch bei den Kandidaten bewerben. Wir lassen uns eine Menge einfallen, um die Richtigen auf uns aufmerksam zu machen. Die klassische Stellenanzeige stirbt aus, mehr Erfolg haben wir mit Tes­timonials von Unternehmensvertretern auf Jobportalen wie Stepstone. Wir untersuchen gerade das Thema mobile Re­cruiting, wo man sich direkt vom Handy aus bewerben kann, und Live-Chats, bei denen Interessenten ihre Fragen direkt stellen können. Die GASAG AG ist kein Start-up, aber als etabliertes Unternehmen haben wir durchaus unsere Vorzüge. Gutes Recruiting ist wichtig. Ich habe mir damals bei der Jobsuche auch die Bewertungen auf den Onlineportalen durchgelesen. Da ist man als Arbeitgeber sehr schnell unten durch. 

Merkt man den Einfluss der Generation Y schon in Ihrem Unternehmen?

Das ist schwer zu sagen, weil sich das Unternehmen seit Jahren ständig verändert – ganz aktuell durch die Energiewende. So viele sind wir ja auch noch nicht. Aber wir Jungen bringen doch einen anderen Blickwinkel mit. Vielleicht ist es die Bereitschaft, Fragen zu stellen, wenn wir etwas nicht wissen. Ich stelle immerzu Fragen, vielleicht auch zum Leidwesen meiner Kollegen. 

Es heißt ja, dass die Generation Y ständig Feedback braucht ...

Ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich ein Phänomen unserer Generation ist. Inzwischen hat sich ja in vielen Unternehmen herumgesprochen, dass eine gute Feed­backkultur die Ergebnisse verbessert. Es ist ja auch sinnvo ll: Wie kann man sonst an sich arbeiten und vermeiden, Fehler zu wiederholen? Aber es ist wahr, dass die Jüngeren das mehr einfordern. Die Qualität des Onboarding-Prozesses oder eines Mentoren-Programms kann entscheiden, ob Bewerber bei einem Unternehmen bleiben oder nicht. 

Zuletzt noch die Frage nach dem Sinn. Der soll der Generation Y sehr wichtig sein. 

Meinen Sie, das war früher anders? Ich kann mir keinen Menschen vorstellen, der nicht lieber etwas Sinnvolles tut. Ich persönlich habe mich umgeschaut und etwas gefunden, das zu mir passt, das mir Spaß macht – und sinnvoll ist es auch: Ich helfe anderen dabei, ihren Berufseinstieg oder -umstieg bei uns zu finden. 

Meike Bruhns ist Leitende Redakteurin bei C3 und schreibt unter anderem über soziologische Themen.

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