Smarte Daten helfen, Kundenbedürfnisse zu verstehen

In einer digitalen Welt sind intelligente Messsysteme unverzichtbar. Verbraucher und Energieversorger profitieren gleichermaßen.

Ist es vorstellbar, dass eine Bank ihre Kunden nur einmal im Jahr über den Kontostand informiert und dabei nur den Saldo ausweist, nicht aber einzelne Überweisungen oder Abbuchungen? Was im Finanzsektor undenkbar ist, ist in der Energiebranche seit jeher gängige Praxis. Die Haushalte erfahren nur alle zwölf Monate, wie viel Strom, Gas oder Fernwarme sie verbraucht haben.

Dieser Anachronismus allein ist ein Argument für den Einbau von intelligenten Zählern. Kunden können sich dann einfach und jederzeit auf dem Smartphone, Tablet oder PC über ihren Energieverbrauch informieren. Sie erfahren unter anderem, welche Gerate Stromfresser sind, wann sie am meisten Strom verbrauchen und wie sich bestimmte Verhaltensweisen des täglichen Lebens auf die Stromrechnung auswirken. Diese Transparenz hilft ihnen, Einsparpotenziale zu erkennen und den Energieverbrauch zu senken.

Wer eine Photovoltaikanlage betreibt, profitiert ebenfalls von intelligenten Messsystemen, denn er kann mit Hilfe der Daten Erzeugung und Verbrauch aufeinander abstimmen, so den Zukauf von Strom verringern und die Haushaltskasse entlasten. Vorteile haben auch kleine und mittlere Unternehmen: Sie können auf Grundlage der Messwerte ihr Energiemanagement und die Auslastung ihrer Maschinen optimal steuern.

In vielen Pilotprojekten mit Smart Metern für Privathaushalte haben wir die Erfahrung gemacht, dass sich Kunden nur ein paar Tage für ihre eigenen Verbrauchskurven interessieren. Danach liegt die Smart-Meter-App sozusagen brach, vor allem wegen der sehr geringen finanziellen Vorteile, die durch ein Verschieben der Verbrauchskurven heute erreichbar sind.

Die Erneuerbaren brauchen Flexibilität

Smart Meter kommen erst wirklich zur Geltung, wenn der Strom knappes Gut wird. Denn dann wird es notwendig, den Energieverbrauch über die unterschiedlichen Tarifmodelle sorgfältig zu steuern – ein durchaus realistisches Szenario. Versetzen wir uns also in diese Zeit, in der wir deutlich über 50 Prozent des Stroms erneuerbar, also wetterabhangig erzeugen. In den Verteilnetzen wird dann jegliche Flexibilität als Puffer gebraucht, um Netzstabilitat und Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Jedes Unternehmen, jeder Haushalt wird durch seinen Smart Meter Teil eines riesigen Netzspeichers, der hilft, Flexibilität in Echtzeit bereitzustellen, wenn es eng wird.

Unseren Kunden werden wir dann ganz andere Angebote machen können und das Smart-Meter-Surfen wird richtig spannend: Stellen Sie sich vor, Ihr Smart Meter ist für das Wochenende auf den Modus ≫ideal günstig≪ eingestellt, weil Ihnen dann egal ist, wann das Geschirr und die Wasche fertig sind oder Ihr E-Auto geladen ist. Sie haben Ihre Spulmaschine und den Wäschetrockner gefüllt. Mehr brauchen Sie nicht zu tun: Schon sind Sie Teil der flexiblen Netzzelle und werden dafür auch "bezahlt". Denn Ihr Smart Meter gibt Ihr „Ideal-günstig-Signal“ an Ihre Haushaltsgerate und Ihr Auto weiter, die sich erst einschalten, wenn genug Strom vorhanden ist. Am Abend sagt Ihnen schließlich Ihr Smart Meter, was Sie gespart haben oder ob Sie sogar durch eine dringend benötigte Spannungsentlastung Frei-Kilowattstunden erwirtschaftet haben.

Verteilnetze werden echtzeitfähig

Smart Meter sind wichtig, denn sie sind die erste digitale Schnittstelle im Verteilnetz. Die Echtzeitfähigkeit, die sie in unsere Verteilnetze bringen, ist ein großer Sprung in Richtung moderne Energiesteuerung. Smart Meter kommen erst richtig zur Geltung, wenn auch die Gerate intelligent geworden sind und wir einen Markt haben, der die Bereitstellung von Flexibilität belohnt. Da wir es mit der Energiewende ernst meinen, führt daran kein Weg vorbei.

Als Energielieferanten und Netzbetreiber akzeptieren wir, dass sehr große Sorgfalt an den Tag gelegt werden muss, um die Gateways der Smart Meter sicher vor unwillkommenen Zugriffen zu machen. Dies ist in keiner Weise zu kritisieren. Allerdings gibt uns der Zeitverzug von mehr als einem Jahr, damit die Gateways vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik für den Markt freigegeben werden können, einen Vorgeschmack auf die digitale, dezentrale Energiewelt von morgen: Der Regelbedarf, der entsteht, bevor wir wirklich in einzelne  Verbrauchseinheiten werden hineinsteuern können, ist enorm. Gerade um diesen Regelbedarf frühzeitig aufzuzeigen und zugig mit den staatlichen Institutionen abzuarbeiten, brauchen wir einen starken BDEW.

Ein Gastbeitrag von Marie-Luise Wolff

Marie-Luise Wolff
Dr. Marie-Luise Wolff ist Vorstandsvorsitzende der ENTEGA AG aus dem hessischen Darmstadt. Zuvor war sie unter anderem Vorstand der Mainova AG und Geschäftsführerin von E WIE EINFACH. Der Regionalversorger ENTEGA wurde bereits 2013 für seine Nachhaltigkeitsstrategie ausgezeichnet und ist deutschlandweit einer der größten Anbieter klimaneutraler Energien.


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