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Die Wasserwirtschaftliche Jahrestagung des BDEW 2016

Während der Leitveranstaltung informierte sich auch in diesem Jahr die Branche zu allen relevanten Themen und gab Impulse für aktuelle Entwicklungen. Kontroverse Debatten gab es unter anderem rund um die Freihandelsabkommen, den Gewässerschutz und die Preispolitik. Aber auch Benchmarking, Personalfragen und Digitalisierung standen im Fokus.

Fast schon traditionell haben auch 2016 der Vizepräsident des BDEW Jörg Simon und das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi), das neben Innen-, Umwelt- und Gesundheitsministerium für die Wasserwirtschaft in ordnungspolitischer Hinsicht verantwortlich zeichnet, die Veranstaltung eröffnet. Dr. Scheremet, Abteilungsleiter Industriepolitik im BMWi vertrat kurzfristig Staatssekretär Mathias Machnig. Die Diskussion eröffnete Kontroversen zur Energiesteuer bei Blockheizkraftwerken, Übergangsregelungen für die Klärschlammausbringung oder die Freihandelsabkommen.

Freihandelsabkommen

Die Freihandelsabkommen TTIP und Ceta diskutierten intensiv der Befürworter Martin Koers vom Automobilverband auf der einen Seite und der BDEW sowie ver.di, Clivia Conrad und Grüner Liga, Michael Bender, auf der anderen Seite. Die Branche insgesamt hat weiterhin große Bedenken: BDEW-Vizepräsident Jörg Simon machte gleich zu Beginn deutlich, dass vor allem die Möglichkeiten der Schiedsgerichtsbarkeit und die Standardsetzung der Branche Sorge bereiten. Die Automobilbranche hingegen sieht die Standardsetzung als Chance, um gegen einen übermächtigen Markt in China zu bestehen. Martin Weyand, BDEW, zog in der abschließenden Diskussion am zweiten Tag der Veranstaltung den Vergleich zu den Grundfreiheiten der europäischen Union, die im Frabo-Verfahren zu einer Beeinträchtigung der Regelsetzung geführt haben.

Benchmarking

Das Thema Benchmarking ist für die Branche sehr wichtig. Zum einen, wie Hermann Löhner, Fernwasserversorgung Franken, darstellte, durch die Fertigstellung der Branchen- und Hauptkennzahlen, zum anderen durch die Bedeutung, die das Benchmarking im Rahmen von Vergleichen der Aufsichtsbehörden und beim Nachweis einer rationellen Betriebsführung hat. Wenn auch die Beteiligungszahlen verbesserungswürdig seien, unterstrichen die Podiumsteilnehmer "Wasserentgelte zwischen Benchmarking und Kartellrecht" die wichtige Rolle und Notwendigkeit, das Benchmarking weiter auszubauen: Hermann Löhner, Arnold Quadflieg vom Hessischen Umweltministerium und Annette Bangard vom Bundeskartellamt wiesen auf dessen Relevanz hin.

In dem Bericht des Bundeskartellamtes zur großstädtischen Wasserversorgung findet sich diese Auffassung ebenfalls. Darin zeigt sich auch die Schwierigkeit von Vergleichen bestimmter Typfälle, die Annette Bangard auf der Tagung beleuchtete. Der Bericht lässt für die Branche im Übrigen erkennen, dass auch das Bundeskartellamt die Bestrebungen der Branche nach Transparenz und einheitlichen Grundlagen für die Kalkulation von Wasserpreisen anerkennt. Aus Sicht der Branche finden sich dort mehrere Ansatzpunkte, um in der Diskussion um die Kalkulationsgrundlagen weiterzukommen.

In der anschließenden Diskussion lag der Schwerpunkt auf einem möglichen Zeitlimit für die Branche, um mit den neuen Entwicklungen im Benchmarking eine weitere Verbesserung zu bewirken. Der Vertreter des Bundesumweltministeriums, Axel Borchmann wies in diesem Zusammenhang auf die wichtigen Kennzahlen hin, die sich aus dem Katalog vorsorgender Leistungen ergeben. Dieser Katalog zeige, wie wichtig ökologische Kennzahlen seien.

Digitalisierung

Andreas Reisen, Referatsleiter im Innenministerium zeigte die Risiken der Digitalisierung der Wasserwirtschaft auf. Die IT-Sicherheit sei einer der wichtigsten Bestandteile der "Digitalisierung in der Wasserwirtschaft".

Ralf Wegner von der Siemens AG und Gerhard Mauer von EWE Wasser stellten auf die Chancen ab, die die Verbesserung der Daten und die Digitalisierung bieten. Es wurde die enge Verknüpfung dieses Themas mit der Energieseite des BDEW und speziell mit der Energiewende deutlich. Denn einen Großteil der Kosten in der Wasserwirtschaft stellen die Stromkosten dar. Hier sind folgerichtig viele Ansätze zu finden, die zunehmende Digitalisierung zur Kosteneinsparung nutzen. Dies zeigen auch die Erfahrungen in der BDEW-Projektgruppe zur Digitalisierung der Wasserwirtschaft.

So sehr Einigkeit besteht, dass die Digitalisierung unaufhaltbar ist, so unterschiedlich ist die Auffassung, wenn es um die Verlegung von Glasfasernetzen in der Kanalisation geht. In der Debatte dominierte ein Schlagabtausch zwischen Harry Aichele von FAST Opticum, der die Verlegung stark befürwortet und Gerd Klinke, der eher schlechte Erfahrungen bei den Berliner Wasserbetrieben gesammelt hat. Insgesamt zeigt die Branche aber eine gesunde Neugier auf die Projekte der Digitalisierung.

Demografischer Wandel

Enger als es auf den ersten Blick scheint, hängt die Digitalisierung mit den Herausforderungen zusammen, die durch den demografischen Wandel entstehen. Markus Ulmer, Stadtwerke Karlsruhe und Fabiola Gerpott, Uni Bremen zeigten Lösungsansätze auf.

Nachwuchs: individualisierte Werbung um Fachkräfte notwendig

Gabriele Schambach von der SINUS-Akademie in Berlin zeigte die verschiedenen Gruppen von Jugendlichen auf: wodurch sie sich auszeichnen, ihre Qualifikation sowie Erreichbarkeit durch die Unternehmen. Individualisierte Werbung um Fachkräfte sei hier das Stichwort, auf das sich alle Teilnehmer der anschließenden Diskussion einigten. In der Diskussion wurde deutlich, dass auch die großen Unternehmen um Mitarbeiter kämpfen müssen. So stellte Natalie Leroy von Hamburg Wasser dar, dass der demographische Wandel in 15 Jahren mit voller Wucht zuschlage. Ausbildungsberufe seien attraktiver zu machen.

Gewässerschutz

Der zweite Tag der Tagung stand im Zeichen des Gewässerschutzes. Während sich ein Block mit Pestiziden und Arzneimitteln befasste, ging es im nachfolgenden Block um das Thema Nitrat.

Arzneimittel

Bei den Arzneimitteln führte zunächst Martin Schulz, Bundesvereinigung Deutscher Apotheker, in die Problematik der richtigen Arzneimittelentsorgung ein. Hier besteht Einigkeit mit dem BDEW, dass Entsorgungswege transparent für Arzneimittelverbraucher aufzuzeigen sind. Der Weg in die Kanalisation ist dringend zu vermeiden ist. Dies zeigte auch Marcel Meggeneder von der Bodenseewasserversorgung, der die Eintragspfade und den Gewässerschutz rund um den Bodensee beleuchtete. Er plädierte dafür, nicht unnötig zu beunruhigen, denn um den Wirkstoff einer Tablette einzunehmen, müsste man 80 Jahre lang jeden Tag 3.500 Liter Trinkwasser zu sich nehmen. Daher sei dringend zwischen der Humantoxikologie und der Ökotoxikologie zu unterscheiden.

Pflanzenschutzmittel

Den Fokus auf die Pflanzenschutzmittel (PSM) legte Silke Schneider, Staatssekretärin aus dem Umweltministerium Schleswig-Holstein. Sie zeigte anschaulich auf, wie zunehmend alle Gewässer durch PSM belastet sind.

91 Prozent aller Fließgewässer in Schleswig-Holstein zeigen Belastungen durch PSM. Auf diese Weise seien die Umweltqualitätsziele der Wasserrahmenrichtlinie nicht erreichbar. Die Schlussfolgerung des Ministeriums - eine Abgabe auf PSM - stößt naturgemäß auf großen Widerstand in der industriellen Landwirtschaft. Die ökologischen Landbauern hingegen begrüßen diesen Vorstoß aus Schleswig-Holstein.

Mehr Ordnungsrecht?

In der anschließenden Diskussion wurde deutlich und insbesondere von Thomas Kullick (Verband der chemischen Industrie) betont, dass ein Verzicht auf viele Stoffe nicht möglich sei und die verbesserte Messtechnik immer dazu führen wird, dass (neue) Stoffe in Gewässern zu finden sind. Daher komme es auf ein Bewusstsein aller an, wie mit kritischen Stoffen umzugehen sei. Silke Schneider plädierte dafür, den Vorsorgegrundsatz mit deutlich mehr Ordnungsrecht zu stärken. Die Wasserwirtschaft  unterstreicht das Verursacherprinzip und die Pflicht der Hersteller, für ihre Produkte einzustehen.

Nitrat

Nitrat ist ein Dauerbrenner und der Zankapfel zwischen Wasserwirtschaft und Landwirtschaft. Wie sehr hier die Positionen auseinander liegen, zeigte die Diskussion, in der zunächst Jörg Rechenberg, Umweltbundesamt, eine Bestandsaufnahme mit deutlich beunruhigenden Ergebnissen und die Herangehensweise der Umweltbehörden darstellte. Für den BDEW von besonderer Bedeutung sind die Ergebnisse des Gutachtens der Firma MOcons, die die Kosten für die Wasserversorger durch Nitratbelastung untersucht hat. Die vorläufigen Ergebnisse dieser Studie stellte Mark Oelmann vor, der nicht nur das Gutachten für den BDEW verfasst hat, sondern auch für das Umweltbundesamt weitere Analysen, aufbauend auf dem BDEW-Gutachten und unter Einbeziehung volkswirtschaftlicher Kosten, durchführen wird.

Bernhard Krüsken vom Deutschen Bauernverband erkannte die Nitratbelastung an, plädierte allerdings für eine differenzierte Messtechnik, die dann konkrete Maßnahmen nach sich ziehen könne. In der anschließenden Diskussion wurde deutlich und auch durch das Gutachten von MOcons belegt, dass die lokalen und regionalen Maßnahmen nur bedingt greifen. Bei einem echten Nitratüberschuss und bei Verlust der Fähigkeit des Bodens, Nitrat abzubauen, können vorbeugende Maßnahmen kaum noch helfen.

Matthias Meissner, WWF Deutschland übernahm die Rolle des Provokateurs und statuierte die These, dass weniger Fleisch zumindest ein Lösungsansatz sei. In seinem Vortrag war ein deutlicher Zusammenhang zwischen Nitratüberschuss, Nitratbelastung und Tierhaltung im großen Maßstab zu erkennen. Außerdem wiederholte er die Forderung des WWF nach einem "Gülle-Euro", der wegen der festzustellenden Überdüngung überfällig sei. Dies werde auch in dem aktuellen Gutachten des Landwirtschaftsministeriums bestätigt.

Steuern oder Abgaben

Bernhard Krüsken, Generalsekretär Deutscher Bauernverband, lehnt diese als "gänzlich unsinnig" ab. Auch die Hoftorbilanz sei aus seiner Sicht ein viel zu ungenaues Kriterium. Einigkeit herrschte aber bei dem Punkt, dass der Vollzug und die Kontrolle zu verbessern sind. Aus Sicht von Ulrich Peterwitz, Gelsenwasser, ist dagegen ein härteres Ordnungsrecht notwendig, denn die Nitratsituation, wie sie die aktuellen Messergebnisse bewiesen, sei noch geschönt. Eine Sättigung der Böden sei vielfach erreicht und es müsse daher massiv gegengesteuert werden. Auf den Hinweis aus dem Publikum von Michael Leonards, dass in Deutschland an der niederländischen Grenze ein Gülletourismus herrsche, weil in Holland eine exakte Verfolgung der Düngeausbringung per GPS erfolge, räumte auch die Landwirtschaft eine Lücke im Ordnungsrecht ein. Der Vertreter des Landwirtschaftsministeriums, Clemens Neumann, will deshalb auch die Düngegesetzgebung beschleunigen.

Falls Sie nicht dabei sein konnten, finden Sie alle Vorträge und einige Fotos auf der BDEW-Website.

Termin 2017

Der Termin der 16. Wasserwirtschaftlichen Jahrestagung wird in den nächsten Wochen bekannt gegeben.

Der BDEW freut sich auf Ihre Anregungen und Wünsche für die Tagung im nächsten Jahr. Bitte senden Sie diese an Frau Szymansky (vera.szymansky@bdew.de).

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