Quo vadis Energiewirtschaft: Mehr Innovationen! Teil 4

Die Veränderungen durch die Energiewende und die Digitalisierung sind eher eine Chance für die Branche und nicht so sehr Risiko, wenn man es richtig macht.

Innovationen sind gefragt. Stefan Kapferer, Vorsitzender der BDEW-Hauptgeschäftsführung, hat zu einem „Round Table“ eingeladen. Es sind gekommen: Dr. Susanna Zapreva, Vorstandsvorsitzende enercity AG, Stefan-Jörg Göbel, Managing Director, Head of Distri­buted Energy at Statkraft Markets GmbH, Dr. Frank Pawlitschek, CEO ubitricity GmbH, und Dr. Dieter Steinkamp, Vorstandsvorsitzender der RheinEnergie AG. Moderation von Tom Levine

Reden wir über Innovationen, über Innovationskultur. Was tun Sie konkret, damit die Innovations­fähigkeit stärker gefördert wird? 

Kapferer: Ich glaube, der erste Schritt ist schon getan. Das ist der Imagetransfer der Branche selbst. Der Energieversorger galt ja lange als klassisch-traditionelles, „langweiliges“ Geschäft. Heute ziehen wir ganz andere Leute an, und das hat dann schon etwas damit zu tun, wofür wir stehen. Deswegen finde ich auch so wichtig, dass wir als Branchenverband diese ganze bunte Energiewelt repräsentieren. Das macht den Reiz der Branche aus. Das ist, glaube ich, der erste Schritt, um neue, innovationsfreudige Leute anzulocken und um diejenigen zu Innovationen zu ermuntern, die schon in der Branche arbeiten. 

Steinkamp: Wir gehen bei uns gerade ganz neue Wege, die auch konsequent aus der Mannschaft heraus entwickelt werden. Wir geben den guten neuen Gedanken einen Raum – sowohl physisch als auch virtuell. Da kann ich zum Beispiel virtuell mein Kärtchen anheften mit meiner Idee und schaffe Möglichkeiten der Kommunikation mit allen anderen RheinEnergie-Leuten, die dann mal die Kundensicht, mal die Außensicht mitbringen. Das ist ein gesteuerter Prozess mit mehreren Filtern, in dem nicht hierarchisch bewertet wird. Für unser Unternehmen ist das etwas ganz Neues. Ich bin mal gespannt, was die ersten drei Monate da bringen – vielleicht unser unternehmensinternes Bitcoin. 

Göbel: Ich glaube, die Kunst für unsere Branche besteht darin, das Thema Innovationen gut zu steuern. Es geht nicht, dass die Kollegen, die im 24/7-Geschäft dafür sorgen, dass das Kraftwerk an- oder abgefahren wird, schnell neue Ideen entwickeln und diese ganz nebenbei implementieren. Da gibt es zu Recht Testprozesse, um zum Beispiel Blackouts zu vermeiden. Wir müssen außerhalb des Livesystems Freiräume schaffen, in denen man experimentieren und vor allem auch Fehler machen darf. 

Pawlitschek: Wir sind jetzt noch nicht so groß mit 40 Mitarbeitern, aber schon bei uns sehe ich, wie wichtig das ist, Menschen richtig einzusetzen und denen die richtigen Freiräume zu geben. Was mir dar­über hinaus auffällt: Es wird im Bereich der Energie weiterhin ein ganz großer Fehler begangen, nämlich neben Technik und Wirtschaftlichkeit das Thema Emotionen draußen zu lassen. Bei uns bewerben sich, und das ist genau das, was Sie vorhin auch schon gesagt haben, ungefähr 90 Prozent der Leute vor dem Hintergrund, dass wir uns irgendwie darum kümmern, wie man Erneuerbare Energien besser in den Energiemarkt reinbekommt. Die folgen ihrem Bauchgefühl. Und diesen Aspekt vergessen wir in der Branche zu oft. Wir sind jetzt zum Beispiel gerade dabei, an unseren mobilen Stromzähler selbst erzeugten Solarstrom zu hängen, sodass man einfach den Strom, den man auf dem eigenen Dach erzeugt, mitnehmen und nutzen kann für sein elektrisch betriebenes Auto. Ist das aus Netzsicht sinnvoll? Ja, wenn ich das noch synchronisiere und den Einspeisevorgang auf den Lastgang des Fahrzeugs drauflege und das nicht zu weit auseinander sitzt. Kann man damit heute besonders viel sparen? Nein, weil uns mit der EEG-Umlage und den Netzentgelten der Strom genau das Gleiche kostet. Wollen die Leute es haben? Ja. Die Leute rufen uns reihenweise an, die fünf Zahnärzte zum Beispiel, die ihr Windrad betreiben. Die sagen: Ist das cool, jetzt kaufe ich einen Tesla, und ich möchte den Strom aus meinem Windrad einfach überall nutzen. Das ist emotional. 

Zapreva: Ich glaube, das ist eines unserer Hauptthemen. Das Problem ist mittlerweile nicht so sehr die Wirtschaftlichkeit, sondern dass die Dinge so günstig sind. Ich vergleiche das mit der Sauna, die rechnet sich ja auch nie. Trotzdem bauen Menschen, die ein neues Haus bauen, sich eine Sauna ein. Das ist Lifestyle.

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