Gemeinsam den Brownout vermeiden: Der Zubau insbesondere von PV-Anlagen an das Stromnetz erreicht immer neue Rekorde. Dies ist eine gute Entwicklung, die gleichzeitig neue Herausforderungen an die Netze mit sich bringt: So steigen die Anforderungen an die Steuerbarkeit von Anlagen. Nur mit einer gemeinsamen Initiative aller beteiligten Akteure wird es gelingen, das Risiko eines Brown-outs – insbesondere in Zeiten hoher PV-Einspeisung und geringer Last – so weit wie möglich auszuschließen. Was bedeutet das konkret?
Netzbetreiber müssen im Sinne der Systemstabilität jederzeit in der Lage sein, die an das Netz angeschlossenen Anlagen vom Netz zu nehmen bzw. die Einspeisung zu steuern. Anlagen- und Messtellenbetreiber sind in der Verantwortung, hierfür notwendigen technischen Anforderungen erfüllen.
Der Gesetzgeber hat mit der „kleinen“ Energierechtsnovelle im Februar 2025 auf diese Entwicklungen reagiert. Jeder Betreiber eines Elektrizitätsversorgungsnetzes muss sicherstellen, dass er jederzeit in der Lage ist, Anpassungen an den Anlagen vorzunehmen, die an seinem Netz sind, und die jeweilige Ist-Einspeisung abzurufen (§ 12 Absatz 2a EnWG). Dies betrifft Anlagen zur Erzeugung oder Speicherung von elektrischer Energie mit einer Nennleistung ab 100 Kilowatt sowie Anlagen zur Erzeugung oder Speicherung von elektrischer Energie, die durch einen Betreiber eines Elektrizitätsversorgungsnetzes jederzeit fernsteuerbar sind.
Um die jederzeitige Funktionsfähigkeit sicherzustellen, müssen die Netzbetreiber mit den Anlagenbetreibern jährlich Tests durchführen (§ 12 Abs. 2a-h EnWG, sog. „Anlagencheck“). Für 2025 beschränken sich die Tests im Sinne der Praktikabilität auf die Anlagen mit einer Nennleistung ab 100 kW. Der BDEW hatte sich für dieses stufenweise Vorgehen eingesetzt. Mit diesem Schwellenwert ist auf der einen Seite bereits nahezu jeder Verteilnetzbetreiber in Deutschland in den Anlagencheck involviert. Die gute Nachricht ist: Bei der Mehrzahl der Netzbetreiber betrifft es nur einige wenigen Anlagen im Netz.
Die Tests sollen im Laufe des Sommers 2025 durchgeführt, dokumentiert und an den jeweils vorgelagerten Netzbetreiber gemeldet werden. Messstellenbetreiber müssen den aktuellen Stand der Erfüllung der Pflichten zur Ausstattung von Messstellen mit intelligenten Messsystemen überprüfen und dem Betreiber von Energieversorgungsnetzen des jeweiligen Netzgebiets übermitteln. Bis zum Ablauf des 30. November haben die ÜNB dann aus den Meldungen einen Gesamtbericht zu erstellen. Teile des Berichts und damit des Gesamtergebnisses veröffentlicht die Bundesnetzagentur nach § 12 Abs. 2c Satz 4 EnWG, drei Monate nach Erhalt. Dies gilt insbesondere für die Ergebnisse hinsichtlich der systembezogenen Bewertungen und Handlungsempfehlungen.
ÜNB-Leitlinien liegen vor
Um eine einheitliche und praxisnahe Handhabung zu gewährleisten, haben die ÜNB entsprechend ihrer gesetzlichen Aufgabe am 25. April 2025 Leitlinien veröffentlicht. Diese Leitlinien wurden in enger Zusammenarbeit mit Verteilnetzbetreibern erstellt, auch der BDEW war einbezogen. Sie sollen einerseits die Netzstabilität stärken und andererseits den Aufwand für die VNB möglichst geringhalten und Umsetzungsspielräume ermöglichen. Die Leitlinien sind hier zu finden und beschreiben den Ablauf sowie die Aufgaben der Beteiligten beim Steuerbarkeitscheck. Im beigelegten Erhebungsbogen werden die Ergebnisse der Steuerbarkeitschecks einheitlich dokumentiert und können über das Portal des zuständigen ÜNB zurückgemeldet werden.
Der Ablauf des Anlagenchecks gliedert sich grob wie folgt:
- Meldung durch Messstellenbetreiber: Jeder grundzuständige Messstellenbetreiber muss den aktuellen Stand der Ausstattung von Messstellen mit intelligenten Messsystemen an seinen VNB melden.
- Eintragung durch Netzbetreiber: Der VNB trägt diese Informationen in einem vorgegebenen Datenformat ein.
- Jährlicher Steuerbarkeitscheck: Jeder VNB muss jährlich alle Anlagen mit Netzanschluss auf Steuerbarkeit testen und die Ergebnisse an seinen vorgelagerten Netzbetreibermelden.
- Plausibilisierung durch vorgelagerte Netzbetreiber: Die vorgelagerten Netzbetreiber überprüfen die Steuerbarkeitsangaben auf Plausibilität.
- Übermittlung der Ergebnisse: Die Ergebnisse der Plausibilisierung werden an den grundzuständigen Messstellenbetreiber und den nachgelagerten Netzbetreiber weitergeleitet.
- Frist: Bis zum 31. Oktober eines jeden Jahres müssen die den ÜNB unmittelbar nachgelagerten VNB die plausibilisierten Ergebnisse des Steuerbarkeitschecks inklusive der Angaben zur Ausstattung von Messstellen an die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) übermitteln. Bis zum 30. November verfassen die ÜNB einen Gesamtbericht für BMWK und BNetzA.
§ 12 Abs. 2a EnWG bezieht sich für das erste Berichtsjahr auf alle Anlagen zur Erzeugung oder Speicherung von elektrischer Energie, die eine Nennleistung größer oder gleich 100 kW haben. Die Testpflicht erfasst nicht nur Erneuerbare Energien Anlagen und ist unabhängig von der Art der eingesetzten Steuerungstechnik. Sie ist auch nicht auf Anlagen beschränkt, die über Smart-Meter-Gateways gesteuert werden. Ab 1. Januar 2026 werden auch kleinere Anlagen in die Tests einbezogen, die durch den Netzbetreiber steuerbar sein müssen.
Die Leitlinien geben auch Hinweise zum Umfang der Testpflicht. Für bestimmte Anlagen muss keine Testung der Ansteuerbarkeit im laufenden „Testjahr“ erfolgen. Dies gilt beispielsweise für Anlagen, die erst nach dem 30. Mai 2025 in Betrieb genommen wurden oder bei denen bereits im Rahmen der Betriebserlaubnis ein Test erfolgt ist. Zusätzliche Tests sollen bei derartigen Anlagen sowie bei gesteuerten Redispatch-Anlagen vermieden werden. Die Leitlinien geben auch Orientierung zu der Frage, was und wie lange getestet werden soll.
Hintergrund der Pflicht zur Testung der Steuerungsfähigkeit und des Abrufs der Ist-Einspeisung
Das Ziel der neuen Regelungen in § 12 Abs. 2 EnWG ist eine möglichst flächendeckende Steuerungsfähigkeit der Netzbetreiber. Auslöser für die Einführung dieser Pflichten, sind kritische Situationen im Übertragungsnetz im Jahr 2024, die PV-bedingt in der Mittagsspitze aufgetreten sind.
Die Überprüfung der Sicherstellung ihrer Fähigkeiten erfolgt jährlich durch entsprechende Tests für Redispatch-Anlagen und, soweit die Anlagen insbesondere nach § 9 EEG dazu in der Lage sein müssen, sind auch Ist-Einspeisungs-Abrufe vorzunehmen. Bestandteil dieser Tests ist auch die Prüfung der tatsächlichen Reaktion der angesteuerten Anlagen. Der wiederholte und dauerhafte Verstoß gegen diese Vorgaben, kann für die Netzbetreiber Konsequenzen haben.
Mögliche Folgen der Nichteinhaltung der Pflichten zum Anlagencheck
Messstellenbetreiber und Netzbetreiber sind zur Testung und zur Mitarbeit an der Erstellung des Gesamtberichts verpflichtet. § 12 Abs. 2 e und h EnWG sehen auch Sanktionsmöglichkeiten für die BNetzA vor, wenn der Netzbetreiber dauerhaft und wiederholt gegen seine gesetzliche Verpflichtung verstößt. Im Extremfall kann dem Verteilnetzbetreiber die Befugnis zur Fernsteuerung der an sein Netz angeschlossenen Erzeugungs- oder Speicheranlagen entzogen werden und soweit notwendig auf einen vorgelagerten Verteilnetzbetreiber übertragen werden.
Auch grundzuständige Messstellenbetreiber, die ihre Rollout-Verpflichtungen hinsichtlich der Erzeugungsanlagen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 MsbG (neu) (Erzeugungsanlagen und steuerbare Verbrauchsanlagen nach § 14a EnWG), können im schlimmsten Fall ihre Grundzuständigkeit verlieren. Hierfür muss aber die Rolloutpflicht um mindestens 25 Prozent unterschritten sein und dies zu einer nicht unerheblichen Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems in mindestens einer Regelzone wesentlich beitragen können. Nur in diesem Fall kann die BNetzA die Grundzuständigkeit auf den sogenannten Auffangmessstellenbetreiber nach § 11 MsbG übertragen.
Betreiber von Erzeugungs- und Speicheranlagen müssen gewährleisten, dass ihre Anlagen den technischen Anforderungen entsprechen und im Netz sichtbar sind. Diese Anforderungen ergeben sich jeweils bereits aus anderen Vorgaben, z.B. aus dem EEG oder aus den technischen Anforderungen auf der Grundlage des EnWG. Mit den Tests nach § 12 Abs. 2a ff. EnWG erfolgt auch eine Prüfung dieser Steuerungs- und Kommunikationsfähigkeiten. Sofern Anlagen betrieben werden, die auf die Steuersignale nicht wie vorgesehen reagieren, ist die gesetzliche Sanktion, dass der Netzbetreiber diese Anlagen vom Netz trennt (§ 52a EEG).
Unterstützung seitens des BDEW
Ausführliche Hinweise zum Anlagencheck finden Sie in der BDEW-Anwendungshilfe zur „kleinen Energierechtsnovelle“, S. 46-51. Sollten sich zum Anlagencheck und zu seiner Umsetzung Fragen ergeben, können diese gerne auch an den BDEW gerichtet werden. Im letzten Fall würde der BDEW sich um eine einheitliche Auslegung bemühen. Aktuell arbeitet der BDEW an einem Musterinformationsschreiben für die Ansprache der Anlagenbetreiber durch die Netzbetreiber.
Der BDEW hatte sich im Gesetzgebungsverfahren für eine deutliche Straffung und Entbürokratisierung der Vorgaben ausgesprochen. Dies konnte aber aufgrund der politischen Umstände und des vorzeitigen Endes der Legislaturperiode nicht mehr umgesetzt werden.