Drucken

Ammon: „Die größten Probleme sind fehlende Planbarkeit und nicht praktikable Regelungen“

Gerhard Ammon, Geschäftsführer der Stadtwerke Fellbach, über die aktuellen regulatorischen Hürden für Stadtwerke.

Gerhard Ammon zur Stadtwerkestudie 2025

© Stadtwerke Fellbach

Gerhard Ammon ist seit Januar 2016 alleiniger Geschäftsführer der Stadtwerke Fellbach GmbH. Dorthin hat er sich nach seinem Maschinenbau-Studium vom Klimaschutzbeauftragten, technischen Betriebsleiter und weiteren Geschäftsführer hochgearbeitet. Sein Hauptaugenmerk lag in der ganzen Zeit darauf, dass sich die Stadtwerke Fellbach, neben den klassischen Stadtwerke-Aktivitäten, zu einem innovativen Energiedienstleister mit den Schwerpunkten Erneuerbare Energien und nachhaltigen Quartierslösungen entwickeln. In Baden-Württemberg leitet Gerhard Ammon den Lenkungskreis für kleine und mittlere Unternehmen des VfEW und ist darüber hinaus im VfEW und im BDEW in verschiedenen Gremien aktiv.


Wie sehen Sie die Entwicklung der Stadtwerke in den letzten Jahren? Was waren Ihre größten Herausforderungen? Wie haben Sie diese bewältigt?

Ammon: Die letzten Jahre waren sehr komplex, mit vielen Herausforderungen wie Corona und dem Angriffskrieg auf die Ukraine, die zu Energiepreiskrisen führten, sowie die Vorbereitung auf eine mögliche Gasmangellage. Das Unternehmen musste sich an gesetzliche Verordnungen wie die EnSiKuMaV (Kurzfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung) oder die Preisbremsengesetze anpassen, was zu erheblichen Umsetzungsherausforderungen führte. Trotz der Schwierigkeiten gelang es dem Unternehmen, die Herausforderungen umzusetzen, auch Konzepte zur Abschaltung von Unternehmen wurden entwickelt. Das hätten wir als Unternehmen organisatorisch hinbekommen. Die Preisbremsen- Gesetzgebung mit zwei unterschiedlichen Gesetzen hatte und hat immer noch großen Einfluss auf den operativen Betrieb. Die Vorgaben konnten wir fristgerecht umsetzten, was jedoch sehr hohe Kosten verursacht und viel Personalkapazität bindet und gebunden hat. Insgesamt sind uns Kosten von rund 300.000 Euro entstanden.

Weitere Herausforderungen sind der 24-Stunden-Lieferantenwechsel, das Thema der dynamischen Tarife und Redispatch 2.0, mit den Regelungen zu abschaltbaren Einspeisungen — eine extrem komplexe Abwicklungsvorgabe, die letztendlich an sich selbst gescheitert ist. Wir hatten damit sehr viel Ärger mit Kunden, weil wir Technik installieren mussten, die anteilig auch von den Kunden zu bezahlen war. Jetzt steht diese nur rum, weil die Umsetzung des Prozesses versandet ist oder ggf. erst wieder bei Redispatch 3.0 eine Rolle spielt.

Ein weiterer Albtraum war die Nachhaltigkeitsberichterstattung, die ebenfalls viel Personal gebunden hat. Hier sehen wir durch das Omnibusgesetz der EU etwas Licht am Horizont. Die Stadtwerke Fellbach sind nachhaltig, sie engagieren sich stark im Bereich Klimaschutz und bei sozialen Themen, aber die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben zur Nachhaltigkeitsberichterstattung waren sehr herausfordernd. Eine hohe finanzielle Belastung waren für uns die Folgen der Insolvenz von zwei Biomethanhändlern.

Inwieweit stimmen Regelwerk und Realität im Alltag eines Stadtwerks überein? Wo gibt es die größten Diskrepanzen?

Oft wird das Regelwerk auf einer hohen Flugebene erdacht und nicht im Vorfeld geprüft, ob es praktisch umsetzbar ist. Es gibt Konsultationsverfahren und Reaktionsmöglichkeiten durch Verbände, aber oft ist die Zeit, die für die Reaktion auf komplexe Regelwerke zur Verfügung steht, sehr kurz. Die Regelungen, die am Schreibtisch erdacht werden, sind in der Praxis oft kaum zu realisieren. Es gibt keinen Probebetrieb, um die Dinge vorher auszuprobieren oder mit Fachleuten zu sprechen, die die Umsetzung übernehmen müssen. Das größte Problem zwischen Regelwerk und Realität ist, dass die Regelungen oft nicht praktikabel sind. Zum Vergleich: Kein Auto kommt ohne Probefahrt auf den Markt. Wünschenswert wäre ein Probebetrieb für neue gesetzliche Regelungen.

Ein weiteres Beispiel ist die Zunahme an Photovoltaikanlagen in Fellbach. Die Zahl der Photovoltaikanlagen hat sich in den letzten zwei Jahren nahezu verdoppelt; die Abarbeitung dieser Anlagen ist komplex und erfordert hoch qualifizierte Fachkräfte. Wir kommen mit dem Abarbeiten kaum hinterher. Die Kunden verstehen oft nicht die komplexen Sachverhalte. Die Regulatorik ist für die Kunden oft nicht verständlich und führt zu Problemen im Umgang mit den Stadtwerken.

Wie vergleichen Sie Ihre Ansätze mit denen anderer Stadtwerke in Deutschland?

Ich glaube, dass wir in vielen Themen sehr weit vorn mitmischen, weil wir uns frühzeitig mit relevanten Themen beschäftigen. Das hängt damit zusammen, dass wir in Verbänden und verschiedenen Arbeitskreisen sehr aktiv vertreten sind. Wir sind nicht nur Zuhörer, sondern bringen aktiv Themen ein. Dadurch haben wir ein großes Netzwerk, das es uns ermöglicht, Entwicklungen und Themen frühzeitig zu erkennen. Oft kann ich bereits Impulse empfangen, bevor sie in der energiewirtschaftlichen Landschaft präsent sind. Diese Impulse kommen häufig von Behörden oder Ministerien, die sich mit bestimmten Themen auseinandersetzen. Ich würde nicht behaupten, dass wir die Dinge besser machen als andere, aber wir haben mehrere Bereiche, in denen wir gut aufgestellt sind. Besonders stark sind wir im Bereich der Marktkommunikation, der Abrechnung und der Bilanzierung sowie in den Themen der Energiewende, insbesondere im Anlagenbau und -betrieb. Auch in der kommunalen Umsetzung der Energiewende sind wir gut aufgestellt, insbesondere hinsichtlich der Wärmeversorgung. In diesem Bereich sind wir möglicherweise sogar weiter als andere Unternehmen, was auch an der kommunalen Wärmeplanung in Baden-Württemberg liegt. Diese Planungsgesetze haben sich als wertvoller strategischer Planungsansatz erwiesen. Es ist wichtig zu verstehen, dass Wärmeplanung ein strategisches Planungsinstrument ist.

Gibt es Fälle, in denen Sie das Gefühl haben, dass Regulierung oder gesetzliche Vorgaben für die Umstellung auf erneuerbare Energien eher hinderlich als förderlich sind?

Es gibt viele Themen, die hinderlich sind. Ein einfaches Beispiel sind Balkonanlagen, für die eine Einspeisevergütung möglich ist. Bei einer Anlage mit einer Leistung von weniger als 10 kW erhält man etwa 8 Cent pro kWh. Wenn eine Balkonanlage im Jahr 700 kWh Strom erzeugt, fließen davon vielleicht 300 kWh in unser Netz. Das ergibt einen Ertrag von weniger als 30 Euro, was für uns und die Kunden einen hohen Aufwand bedeutet. Die Kunden haben eine hohe Erwartungshaltung und sind dann enttäuscht über die geringen Erträge. Der Zeitaufwand für die Kunden steht in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Ertrag. Hier könnte man den Prozess deutlich vereinfachen, indem man sagt: „Nutzen Sie den Strom, der Rest geht ins Netz.“ Auch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist viel zu komplex, sodass kaum jemand den Überblick hat. Die Abrechnung ist sehr aufwendig.

Ein weiteres großes Thema ist die Planungssicherheit, insbesondere im Wärmebereich. Wir haben hier zu kämpfen, denn langfristige Planungssicherheit hat absolute Priorität. Wir bereiten uns auf der Basis der kommunalen Wärmeplanung und der Wärmeplanungsgesetze darauf vor, Netze zu bauen. Da geht es um Investitionen in die Wärmeversorgung in Höhe von etwa 160 Mio. Euro bis 2040 und dafür benötigen wir Planungssicherheit. Momentan befinden wir uns noch im Prüfstatus und fragen uns, ob wir aufgrund möglicher gesetzlicher Änderungen alle Prozesse stoppen sollen. Diese Unsicherheit belastet uns stark.

Das Gebäudeenergiegesetz (GEG), egal wie gut oder schlecht es ist, zeigt einen Zielpfad mit dem Zieljahr 2045 auf, wie wir unsere Heizungsanlagen ohne fossile Energieträger betreiben können. Wenn man die Klimaschutzgesetzgebung ernst nimmt, muss man solche Zielpfade schaffen und den Weg dorthin beschreiben. Es ist jedoch problematisch, wenn man jedes Jahr mit Unsicherheiten leben muss, weil Gesetze möglicherweise abgeschafft oder Förderungen ausgesetzt werden. Der gesamte Prozess von der Festlegung eines Wärmenetz-Prüfgebiets bis zum ersten Baggerbiss dauert etwa sechs Jahre, was umfangreiche Planungsprozesse erfordert.

Ein weiteres Beispiel, das zeigt, wie die Regulatorik uns zu schaffen macht, ist die Einhaltung der Kostenneutralität. Wenn wir bestehende Heizungsanlagen auf gewerbliche Wärmelieferungen umstellen, haben wir oft Schwierigkeiten, einen fairen Vergleich zu ziehen. Viele Hausverwaltungen und Eigentümer sind froh über unsere Lösung, aber die Kostenneutralität stellt ein großes Problem dar. Bei Contracting-Anlagen kommen wir aus einer alten Welt mit fossilen Energieträgern und müssen diese in eine neue Welt mit regenerativen Energien transformieren. Diese beiden Welten können nicht miteinander verglichen werden und dennoch muss die Umstellung kostenneutral erfolgen. Dies ist schwierig und daher hindert uns diese Regulatorik der Kostenneutralität stark am Ausbau.

Gibt es spezifische Herausforderungen, die Sie in der Zusammenarbeit mit Regulierungs- und Genehmigungsbehörden erlebt haben?

Die Zusammenarbeit mit Regulierungsbehörden erleben wir hauptsächlich im Netzbereich. Das NESTVerfahren zur Modernisierung der Anreizregulierung umfasst viele komplexe Themen wie RAMEN, StromNEF, GasNEF, Kapitalverzinsung, Produktivitätsfaktor, OpEx, Qualitätsregulierung und Effizienzvergleich. Diese neuen Regulierungsformen sind zwar gut gemeint, aber sie bringen auch viele Probleme mit sich. Jeder Faktor und jedes Kürzel in diesen Formeln stammt aus einer eigenen Verordnung, und das macht die Anwendung kompliziert. In Summe sehen wir derzeit eher eine deutliche Verschlechterung für unseren Netzbetrieb auf uns zukommen und das bei ständig zunehmenden Herausforderungen.

Bei Genehmigungsverfahren gibt es zwar Vorgaben zur Vereinfachung, aber die Genehmigungsbehörden sind oft nicht in der Lage, diese Vorgaben umzusetzen. Obwohl die Verfahren zeitlich straffer durchgeführt werden sollen, hören wir immer wieder, dass Anfragen abgelehnt werden, weil die Behörden überfordert sind. Wenn ein Gesetz erlassen wird, das eine Beschleunigung der Verfahren vorsieht, muss auch sichergestellt werden, dass die Genehmigungsbehörden in der Lage sind, diese beschleunigten Vorgänge abzuwickeln. Leider ist das oft nicht der Fall, was die Realität für uns sehr herausfordernd macht.

Können Sie auch Beispiele nennen, bei denen regulatorische Änderungen positive Auswirkungen auf Ihr Unternehmen hatten und Ihre Prozesse oder Projekte erleichtert haben? Haben Sie Beispiele für erfolgreiche Projekte, die durch gesetzliche Vorgaben initiiert wurden?

Es gibt auch positive Beispiele, die ich gerne erwähnen möchte. Ein wesentliches positives Beispiel ist die Umstellung auf digitale Antragsverfahren. Wir haben ein Projekt, das sich über zwei Landkreise erstreckt, mit zwei Genehmigungsbehörden. Die Behörde weigerte sich, das Antragsverfahren digital durchzuführen, was bedeutete, dass wir die Unterlagen in mehrfacher Ausführung einreichen mussten. Jede Änderung erforderte, dass wir die betroffenen Seiten in den Antragsunterlagen austauschten, was sehr aufwendig war. Diese Prozesse wurden mittlerweile deutlich vereinfacht. Ein weiteres Beispiel ist die Digitalisierung der Genehmigungsregelungen, jedoch gibt es hier Einschränkungen, da die Plattform nur Dateien bis maximal 5 MB akzeptiert. Bei großen Projekten wie einem Windpark sind die Datenmengen jedoch erheblich größer, was zu Problemen führt.

Weitere positive Beispiele sind das Osterpaket, das den Ausbau erneuerbarer Energien vorantreibt, und das EEG 2023. Diese gesetzlichen Änderungen haben dazu geführt, dass wir in Fellbach einen deutlichen Anstieg der PV-Anlagen verzeichnen konnten, insbesondere bei Balkonanlagen. Diese Anlagen sind zwar leistungstechnisch nicht entscheidend, haben aber eine wichtige psychologische Bedeutung für die Haushalte. Auch das Mieterstrommodell wurde im Rahmen des Solarpakets 1 vereinfacht. Auch im Bereich des Gasnetzbetriebs ist mit KANU 2.0 ein Rahmen geschaffen worden, der uns beim möglichen Ausstieg aus der fossilen Gasversorgung gut unterstützt.

Gibt es spezifische Regulierungen, die Innovationen im Bereich der dezentralen Erzeugung (z. B. Mieterstrommodelle) behindern oder unterstützen?

Ja, die Solarpakete haben in der Tat einiges bewirkt, insbesondere im Bereich Mieterstrommodell. Allerdings gibt es auch neue Herausforderungen, etwa das EuGH-Urteil vom 28.11.2024, das Unsicherheiten für zukünftige Mieterstromprojekte und Bestandsanlagen mit sich bringt. Es besteht die Möglichkeit, dass alle Strommengen innerhalb dieser Projekte regulierungspflichtig werden, was die Frage aufwirft, wie wir damit umgehen sollen. Wir warten auf die Stellungnahme des BGH, um zu klären, ob wir betroffen sind oder nicht.

Positiv ist der Wegfall der Steckerpflicht für Balkonkraftwerke, was eine erhebliche Vereinfachung darstellt. Auch die doppelte Anmeldepflicht für Kunden ist entfallen, was den Prozess erleichtert. Das Marktstammdatenregister hat sich als führendes Register etabliert, über das wir wichtige Informationen erhalten. Dennoch bleibt der Aufwand für die Prüfung und gegebenenfalls Richtigstellung der Daten bestehen. Insgesamt hat die Regulierung jedoch die dezentrale Erzeugung deutlich beschleunigt.

Wie wirken sich die aktuellen Regulierungen auf die Gestaltung von Stromtarifen und Energiedienstleistungen aus?

Die wesentlichen Themen, die sich auf unsere Tarifgestaltung auswirken, sind dynamische Tarife, der 24-Stunden- Lieferantenwechsel und § 14a EnWG. Wir waren in Bezug auf dynamische Tarife schon längere Zeit bereit und mussten aber auf die endgültige Umsetzung durch unseren Softwarehersteller warten. Der 24-Stunden- Lieferantenwechsel betrifft uns weniger in der Tarifgestaltung, hat aber enorme Auswirkungen auf die Umsetzung als Unternehmen.

Bei den Energiedienstleistungen hat die aktuelle Regulierung positive Effekte, insbesondere bei Mieterstrommodellen und der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung, die es uns erleichtern, neue Modelle umzusetzen. Wir müssen jedoch abwarten, was das EuGH-Urteil für unsere Photovoltaikanlagen bedeutet, da wir interessante Modelle anbieten könnten, die durch die aktuellen Regulierungen erleichtert wurden. Auf der anderen Seite bringt § 14a EnWG umfangreiche Pflichten mit sich, die hohe Investitionen in neue Vertrags- und Abrechnungsstrukturen erfordern.

Der Grundgedanke ist sinnvoll, da er es ermöglicht, zu bestimmten Zeiten Leistung aus dem Netz zu entnehmen, aber die Abwicklung ist komplex. Wir laufen hier Gefahr, dass wir unsere Netzkosten überhaupt gar nicht mehr erlösen können, weil wir die hohen Aufwendungen aus der Regulatorik und der Energiewende umsetzen und dadurch extrem gestiegenen Personalaufwand haben, aber keiner bereit ist, uns die Kosten dafür zu ersetzen.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung in Ihrer Strategie zur Einhaltung gesetzlicher Vorgaben?

Ohne Digitalisierung können wir die Anforderungen nicht mehr erfüllen. Daher versuchen wir, alle unsere Prozesse so intensiv wie möglich zu digitalisieren. Im Bereich der Marktkommunikation sind viele Prozesse bereits digitalisiert. Wir nutzen Kunden- und Netzanschlussportale, um die Verfahren zu beschleunigen. Als urbaner Versorger haben wir weniger Probleme als regionale Anbieter, da unser Netz noch Reserven hat.

Wir setzen uns intensiv mit der Automatisierung und dem Einsatz von Robotik auseinander, um gleich bleibende Prozesse zu gewährleisten. Bei 46.000 Kunden und verschiedenen Sparten wie Strom, Gas, Wasser und Wärme müssen wir abwägen, ab wann sich Investitionen in Digitalisierung tatsächlich rechnen. Die Digitalisierung ist notwendig, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und die anfallenden Arbeiten effizient zu erledigen. Momentan sind wir in allen Bereichen gut besetzt, mussten aber in einigen Teilbereichen bereits um Personal kämpfen.

Welche Unterstützung und Reformen wären aus Ihrer Sicht notwendig, um die gesetzlichen und regulatorischen Hürden zu reduzieren und die Transformation effizienter zu gestalten?

Wir benötigen vor allem Verlässlichkeit und Planungssicherheit. In der Energiewirtschaft ist es wichtig, langfristige Horizonte für Planung und Betrieb zu haben. Ein Beispiel ist der Kraftwerksbau, wo jahrelang versucht wurde, einen Kapazitätsmechanismus zu schaffen, um Kraftwerke zu bauen und zu betreiben. Die Ampel-Regierung war auch kurz davor, ein entsprechendes Gesetz in den Bundestag zu bringen, was dann nicht mehr geschah. Mit einer neuen Regierung fangen wir wieder von vorn an. Hier ist es wichtig, einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, damit durch Verlässlichkeit und Planungssicherheit die Bereitschaft besteht das viele Geld in die Hand zu nehmen.

Ein weiteres Thema ist die Zieldiskussion in Deutschland. Wir haben unterschiedliche Zielvorgaben für Klimaneutralität, die es schwierig machen, einheitliche Bedingungen zu schaffen. Die Klimaneutralität wird in Europa bis 2050, in Deutschland bis 2045 und in Baden-Württemberg bis 2040 angestrebt. In Fellbach müssen wir unsere Ziele fünf Jahre früher erreichen als andere. Diese Unterschiede führen zu Verzerrungen in den Wettbewerbs- und der Umsetzungsbedingungen. Ich wünsche mir pragmatischere Ansätze und einheitliche Zielpfade für alle.

Die Finanzierung der Energiewende ist ebenfalls ein großes Thema. Wir benötigen klare Regeln für die Finanzierung und Eigenkapitalausstattung, um die notwendigen Investitionen zu tätigen. In Fellbach haben wir einen Finanzierungsbedarf von etwa 300 Mio. Euro bis 2040, was für die Kommune und die Anteilseigner eine große Herausforderung darstellt.

Zudem müssen wir die regulatorischen Anforderungen entschlacken. Ein Beispiel ist das Omnibusgesetz der EU, das viele Unternehmen belastet. Wir sollten grundsätzlich Gesetze so gestalten, dass sie mit minimalem Aufwand maximalen Nutzen bringen, ähnlich der Pareto- Regel, bei der 20% Aufwand 80% Ergebnis liefern.

Wie beeinflussen die gesetzlichen Vorgaben Ihre strategische Planung?

Die gesetzlichen Vorgaben beeinflussen unsere strategische Planung massiv. Die Klimaschutzgesetzgebung und die damit verbundenen Zielfestlegungen zwingen uns dazu, einen Ausstieg aus der fossilen Gasversorgung bis zum Jahr 2040 zu planen. Wir müssen konkrete Schritte unternehmen und Alternativen für unsere Gaskunden entwickeln, um sie nicht im Regen stehen zu lassen. Daher überlegen wir, wo wir Wärme-Netzgebiete aufbauen können. Diese Zielfestlegungen haben einen erheblichen Einfluss auf unsere strategischen Überlegungen.

Es wäre ein strategischer Albtraum für uns, wenn wir alles zurück auf null setzen müssten, wie es einige Extrempositionen fordern. Die jahrelange Planung, die wir bereits für die kommunale Wärmeplanung und den Ausbau erneuerbarer Energien geleistet haben, wäre dann hinfällig. Als Geschäftsführer muss ich immer mindestens fünf Jahre in die Zukunft planen, insbesondere in der Energiewirtschaft, wo die Planungszeiträume noch länger sind. Diese Unsicherheit, dass jede Regierung alles umdrehen könnte, ist eine der größten Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert sind. Verlässliche Ziele und Rahmenbedingungen sind für uns wichtig.

Welche Erwartungen haben Sie an die Politik im Hinblick auf die Weiterentwicklung des regulatorischen Rahmens?

Meine Erwartung ist, dass der regulatorische Rahmen nicht weiter verkompliziert, sondern vereinfacht wird. Dies betrifft alle Bereiche, einschließlich Netze, Vertrieb, Messstellenbetrieb und den Ausbau erneuerbarer Energien. Wir sollten nicht zurück auf null gehen, sondern die bestehenden Prozesse vereinfachen. Ein weiterer Punkt ist, dass bevor Gesetze oder Regulierungsverordnungen auf den Weg gebracht werden, deren Praktikabilität mit Fachleuten aus der Branche besprochen werden sollte. Die Durchführung muss geprüft werden und die Dinge sollten stärker vom Ende gedacht werden, also aus der Perspektive derjenigen, die sie umsetzen müssen. Es ist wichtig zu verstehen, was der Kunde tatsächlich davon hat und ob die gesetzgeberischen Maßnahmen für ihn von Nutzen sind.

Zudem sollte man bei manchen Gesetzesvorhaben das Tempo herausnehmen. Viele Gesetze wurden unter hohem Zeitdruck erstellt, was in Krisenzeiten wie im Sommer 2022 oder während Corona nachvollziehbar war. Aber es gibt genügend andere Gesetze, bei denen mehr Zeit für Prüfungen und Stellungnahmen sinnvoll wäre. Wir haben oft erlebt, dass Gesetze hastig verabschiedet werden, ohne dass Stellungnahmen ausreichend berücksichtigt werden, was zu Problemen bei der Umsetzung führt.

Ein weiterer Aspekt ist, dass wir uns fragen sollten, wer die neuen Regelungen in der vorgesehenen Zeit umsetzen kann. Insbesondere während der Energiekrise gab es immer wieder Diskussionen mit der BNetzA, in denen wir auf wenig Verständnis gestoßen sind, wenn es um die Verschiebung oder Verlängerung von Prozessen ging. Viele Prozesse können aber nicht mehr fristgerecht oder optimal umgesetzt werden, weil unsere IT-Dienstleister mit der Umsetzung der vielen regulatorischen Anforderungen nicht hinterherkommen. Realistische Umsetzungsvorgaben sollten daher zukünftig viel stärker berücksichtigt werden.

Vielen Dank für das Gespräch!

Suche