Elke Temme, geboren in Wolfsburg, ist eine erfahrene Führungskraft in der Energiebranche und seit 2024 Geschäftsführerin der Stadtwerke Bochum Holding GmbH. Nach ihrem Studium der internationalen Betriebswirtschaftslehre hat sie mit ihrer Familie in verschiedenen Städten gelebt, seit über 20 Jahren ist nun das Ruhrgebiet ihr Zuhause. Ihre Karriere in der Energiebranche umfasst mehr als 20 Jahre, darunter in leitenden Positionen bei RWE, Innogy und Volkswagen. Bei den Stadtwerken Bochum leitet sie den Geschäftsbereich „Transformation“, der alle relevanten Zukunftsthemen wie Wärmeversorgung, dem Ausbau erneuerbarer Energien, den Netzen, Elektromobilität, Wasser, Wasserstoff sowie Glasfaser und Telekommunikation umfasst.
Frau Temme, was waren die größten strategischen und die größten operativen Herausforderungen in den letzten Jahren für Sie, für die Stadtwerke Bochum?
Temme: Strategisch haben wir im letzten Jahr sehr viel Zeit darauf verwendet, einen Gesamt-Fahrplan bis zum Jahr 2045 zu entwickeln, der integriert die Effekte aus der Mobilitäts-, Wärme und Energiewende abbildet. Also: Wie stark bauen wir die Fernwärme aus? Wie bekommen wir die Fernwärme grün und weiterhin bezahlbar? Wie stark müssen wir die Stromnetze ausbauen, um die Effekte aus Mobilitäts- und Wärmewende abzubilden? Wie stark bauen wir die Erneuerbaren Energien aus? Dieses Gesamtbild zu entwickeln, war eine große strategische Aufgabe, die viel Zeit in Anspruch genommen hat.
Die Aufgabe ist nun, diesen Plan mit den Realitäten — zum Beispiel im Hinblick auf Städtebau und andere große Infrastrukturaufgaben — in Bochum abzugleichen. Schon um die Akzeptanz für die Transformation nicht zu gefährden, müssen wir dabei die Versorgungssicherheit und die Bezahlbarkeit für unsere Kunden und Kundinnen im Blick behalten.
Operativ besteht die Herausforderung darin, diese strategischen Überlegungen in konkrete Maßnahmen umzusetzen. Hier haben wir regulatorisch mit großen Unsicherheiten zu kämpfen. Daher haben wir uns zunächst auf „No-Regret-Maßnahmen“ fokussiert. Ein Beispiel dafür ist die Entscheidung, in allen Bereichen stark in die Digitalisierung zu investieren. Anders lassen sich die anstehenden Aufgaben nicht bewältigen, da es zum einen aufgrund des Fachkräftemangels für Infrastrukturausbau gar nicht ausreichend qualifiziertes Personal gibt und zum anderen die Kosten für den Ausbau zu hoch werden würden. Ein anderes Beispiel für eine „No-Regret- Maßnahme“ ist der Aufbau einer zusätzlichen Spannungsebene in unserem Stromnetz. Entsprechend bauen wir bereits heute die Infrastruktur für ein 20 kv Netz in Bochum auf.
Inwiefern haben sich die Kundenbedürfnisse und -erwartungen in den letzten Jahren verändert und wie haben Sie darauf reagiert?
Wie oben schon angerissen: Versorgungssicherheit hat für unsere Kunden und Kundinnen weiterhin oberste Priorität, wobei diese oft als selbstverständlich angesehen wird. Ereignisse wie der Blackout in Spanien/Portugal verdeutlichen, wie wichtig die Sicherstellung der Versorgungssicherheit ist. Daneben ist die Bezahlbarkeit entscheidend. Durch die Corona-Krise, die Verwerfungen an den Handelsmärkten nach dem russischen Angriff auf die Ukraine und die gestiegene Inflation hat dieses Thema noch einmal an Bedeutung gewonnen. Klimaverträglichkeit wird zunehmend nachgefragt, auch wenn diese noch nicht bei allen Kunden und Kundinnen im Fokus steht. Positiv stimmt mich hier die steigende Nachfrage nach unseren Vertriebslösungen im Bereich der Energiedienstleistungen sowie die Tatsache, dass die dritte Auflage unseres Klimabriefs „Natürlich Bochum“, den wir gemeinsam mit der Sparkasse Bochum zur Umsetzung von Energiewende-Projekten in Bochum aufgesetzt haben, mit einem Gesamtvolumen von 2 Mio. Euro innerhalb von zwei Wochen ausverkauft war. Insgesamt konnten wir auf diesem Weg bereits 6 Mio. Euro von Bochumer Bürger und Bürgerinnen einwerben. Das zeigt das hohe Interesse an nachhaltigen Lösungen.
Im Zuge der Energiewende haben sich die regulatorischen Anforderungen und gesetzlichen Vorgaben erheblich ausgeweitet. Welche Rolle spielen diese Rahmenbedingungen für die Tätigkeiten von Stadtwerken?
Die zunehmenden regulatorischen Auflagen schränken unsere Handlungsspielräume ein und erhöhen den Aufwand für uns Stadtwerke. Dies betrifft sowohl den operativen Betrieb als auch die Umsetzung der erforderlichen Investitionen für die Umsetzung der Energie- und Wärmewende. Dafür gibt es unzählige Beispiele, ob es das Thema „Smart Meter“ ist, wo wir im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn einen teuren Sonderweg gehen oder aber „business continuity management“ mit seinen umfangreichen Dokumentationspflichten. Allein diese Dokumentationspflichten erfordern so viele zusätzliche Ressourcen, dass wir Personal einstellen müssen, das sich ausschließlich mit dieser Aufgabe befasst.
Insgesamt ertrinken wir in Melde- und Berichtspflichten, die nicht nur inhaltlich umfangreich sind, sondern teilweise auch mehrfach an verschiedene Stellen gemeldet werden müssen. Hier wäre ein einziges digitales „Energie-dash board“ (once only Prinzip) schon enorm hilfreich, damit dieselben Daten nur einmal gemeldet werden müssen.
Ein wirklicher pain point war bislang die Vorbereitung der Nachhaltigkeitsberichterstattung nach CSRD. Hier berichten wir schon seit Jahren nach dem DNK. Durch die überbordenden Anforderungen nach CSRD waren jedoch in den letzten Monaten zwei unserer Mitarbeitenden ausschließlich mit der Vorbereitung dieser Berichterstattung mit doppelter Wesentlichkeitsanalyse und Co. beschäftigt, die eine Berichterstattung von über 800 Datenpunkten zur Folge hätte.
All diese regulatorischen Anforderungen und Dokumentations-/Berichtspflichten kosten Ressourcen und damit Geld, das sich am Ende des Tages in höheren Preisen für die Verbraucher niederschlägt. Gerade in Zeiten der Transformation, die ohnehin Mehrkosten mit sich bringt, sollten wir uns auf die wesentlichen Hebel fokussieren und stattdessen die Bürokratie stark vereinfachen.
Sie haben bereits die Nachhaltigkeitsberichterstattung angesprochen. Konkreter nachgefragt: Welche Herausforderungen sehen Sie speziell im Zusammenhang mit der Umsetzung der CSRD bzw. der ESRS, insbesondere hinsichtlich Datenverfügbarkeit und Ressourcen? Wie beeinflussen die aktuellen Entwicklungen und das Omnibusverfahren Ihre Situation?
Nachhaltigkeit liegt uns als Unternehmen sehr am Herzen. Wir erstellen bereits seit Jahren freiwillig einen Nachhaltigkeitsbericht, weil wir Transparenz und Fortschritt in diesem Bereich als zentrale Aufgaben verstehen. Grundsätzlich halte ich es für richtig, dass Unternehmen ab einer bestimmten Größe berichten müssen.
Die eigentliche Herausforderung liegt jedoch in der Komplexität und im Umfang der Vorgaben. Auch wenn die EU mit dem sogenannten Omnibusverfahren Erleichterungen beschlossen hat — etwa eine Verschiebung der Pflichten und eine Reduktion der Berichtsinhalte — bleibt der Aufwand hoch. Datenverfügbarkeit, insbesondere entlang der Lieferkette oder bei Scope-3- Emissionen, ist weiterhin schwierig. Vieles muss neu erhoben oder qualitativ verbessert werden.
Unser Wunsch ist daher, dass sich die Nachhaltigkeitsberichterstattung auf die wirklich relevanten Themen konzentriert. Statt hunderten Einzelindikatoren wären 10 bis 20 präzise, messbare Kennzahlen sinnvoll, um Wirkung zu erzielen. Klar strukturierte, schlanke Berichte helfen, den Fokus auf konkrete Verbesserungen zu lenken und vermeiden, dass wertvolle Ressourcen in aufwendige Verwaltungsprozesse fließen.
Wie tragen Ihre Stadtwerke zur Umsetzung der Energiewende bei?
Die Stadtwerke Bochum setzen konsequent auf grüne Lösungen in allen Bereichen. Bei der Wärmeversorgung arbeiten wir an Projekten zur Nutzung von Geothermie oder Abwasser als Wärmequelle. Um unsere grüne Stromerzeugung weiter auszubauen, nehmen wir gerade unseren ersten eigenen Windpark in Betrieb, und in Zusammenarbeit mit Trianel engagieren wir uns in Offshore- und Onshore-Windenergieprojekten sowie Freiflächen PV-Anlagen in ganz Deutschland. Ein weiterer Fokus liegt auf der Digitalisierung unserer Netze — ein für die Steuerung von Lasten zentraler Punkt. Im Bereich Elektromobilität sind wir in Bochum und im Ruhrgebiet im Stadtwerkevergleich führend, insbesondere hinsichtlich der Anzahl unserer Schnellladepunkte. Wir fördern mit unserem Klimabrief „Natürlich Bochum“ die Bürgerbeteiligung und haben einen Rahmenvertrag mit der Stadt Bochum geschlossen, um Photovoltaikanlagen auf städtischen Dächern zu installieren. Und seit Anfang des Jahres beliefern wir unsere Kunden und Kundinnen ausschließlich mit Ökostrom. Diese Aufzählung ließe sich fortsetzen. Wichtig ist: Wir arbeiten sehr konsequent daran, Bochum Schritt für Schritt klimaneutral zu machen.
Blicken wir noch einmal stärker auf die gesetzlichen und regulatorischen Anforderungen: In welchen Bereichen erleben Sie eine Diskrepanz zwischen den Anforderungen und der praktischen Umsetzbarkeit im Alltag?
Insgesamt haben sich die gesetzlichen und regulatorischen Anforderungen in so ziemlich jedem Bereich erhöht. Ein aktuelles Beispiel ist der verpflichtende 24-Stunden-Lieferantenwechsel im Strombereich. Die Intention — mehr Wettbewerb — mag auf den ersten Blick richtig erscheinen. Aber in der Praxis bindet diese Anforderung enorme personelle und technische Ressourcen. Wir müssen IT-Systeme umbauen, Schnittstellen überarbeiten, Prozesse neu organisieren — alles unter hohem Zeitdruck. Gleichzeitig erscheint mir der Zugewinn an Wettbewerb für den Verbraucher überschaubar: Bei Mobilfunkverträgen oder Fitnessstudio-Abos endet ein Vertrag auch nicht über Nacht. Gleichzeitig fehlen uns diese Ressourcen für die Umsetzung anderer wichtiger Themen, wie z. B. Rollout smart meter.
Diese Diskrepanz zeigt sich für uns aber auch in alltäglichen Prozessen, die technisch längst digital, effizient und kundenfreundlich ablaufen könnten — aber durch gesetzliche Vorgaben unnötig verkompliziert werden. Ein einfaches Beispiel ist der Umgang mit Papier: Wir haben uns intern das Ziel gesetzt, möglichst papierlos zu arbeiten — in der Verwaltung genauso wie in der Kundenkommunikation. Doch hier stoßen wir an gesetzliche Grenzen: In der Grundversorgung sind wir nach § 40b EnWG verpflichtet, mindestens einmal jährlich eine Abrechnung in Papierform unentgeltlich zuzustellen — selbst dann, wenn sich Kunden und Kundinne ausdrücklich eine digitale Zustellung wünschen.
Wir sehen diese Diskrepanz auch bei den Investitionen, aktuell z. B. bei der Umsetzung der Wärmewende. Hier arbeiten wir fokussiert daran, 30% der Wärmeerzeugung in der Fernwärme zu dekarbonisieren. Aktuell geraten wir mit unserer Großwärmepumpe langsam in Zeitverzug, da wir seit November -sicherlich auch bedingt durch den Regierungswechsel- auf die Genehmigung der Fördermittel warten. Insofern freue ich mich sehr auf die neue Energieministerin Katharina Reiche, die viel Praxiserfahrung aus der Branche mitbringt und den Blick für die Umsetzbarkeit vor Ort hat.
Sehen Sie denn in der Einführung dynamischer Stromtarife einen Mehrwert für Ihr Unternehmen?
Das Thema „Dynamische Stromtarife“ hat für mich eine andere Dimension. Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir die richtigen Preissignale setzen können. Momentan sehen wir, dass die Steuerung nach Marktsignalen nicht automatisch netzdienlich ist und möglicherweise zu höheren Kosten, insbesondere im Netz, führt. Es ist wichtig, dass wir die Netzdienlichkeit und den Strompreis in Einklang bringen, um die Gesamtkosten der Transformation niedrig zu halten und die erneuerbaren Energien effizient zu nutzen. Weiterhin ist zur Steuerung der Ausbau von Smart Metern unerlässlich.
Könnten Sie Beispiele für Best Practices in der Branche nennen, die Ihnen bei der Einhaltung gesetzlicher Vorgaben geholfen haben?
Für die Umsetzung gesetzlicher Vorgaben ist die Arbeit der Verbände BDEW und VKU für uns äußerst hilfreich. Der Austausch und die Zusammenarbeit innerhalb der Verbände sind von großer Bedeutung, um Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen und voneinander zu lernen.
Gibt es denn spezifische Technologien oder Tools, die Sie nutzen, um die Einhaltung von Vorschriften zu erleichtern?
Auch hier spielt die Digitalisierung eine wichtige Rolle. Wir entwickeln z. B. mit der Stadt Bochum eine gemeinsame Plattform, um den Prozess der Genehmigungsverfahren zu erleichtern. Außerdem bietet die Digitalisierung die Chance, die Anzahl der Anfragen, z. B. für PV-Anlagen, die wir manuell bearbeiten müssen, erheblich reduzieren. Mit der Automatisierung schaffen wir Freiräume, um uns auf die wirklich komplizierten Sachverhalte zu konzentrieren, während Routineanfragen effizient bearbeitet werden.
Welche Unterstützung und Reformen wären aus Ihrer Sicht notwendig, um die gesetzlichen und regulatorischen Hürden zu reduzieren und die Transformation effizienter zu gestalten?
Wir sollten uns wieder stärker auf das Wesentliche konzentrieren. Ziel muss es sein, bürokratische Hürden zu reduzieren und die Anforderungen auf ihren tatsächlichen Mehrwert für Nachhaltigkeit, Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit in der Transformation zu überprüfen.
Standardisierte, digitalisierte Verfahren, klare Schwellenwerte und realistische Fristen erleichtern die Umsetzung erheblich. Eine konsequente Digitalisierung und Vereinfachung der Melde- und Berichtspflichten sowie eine Entlastung bei administrativen ufgaben wären entscheidende Schritte, damit wir Stadtwerke unsere Ressourcen verstärkt für die konkrete Umsetzung der Energiewende einsetzen können – anstatt in immer komplexeren Berichtspflichten gebunden zu sein.
Wie schätzen Sie die zukünftige Entwicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen ein und wie bereiten Sie sich darauf vor?
Wir brauchen endlich wieder klare Rahmenbedingungen, die Legislaturperioden überdauern sowie volkswirtschaftlich kluge Investitionsanreize setzen. Mit dem vom Bundestag verabschiedeten Sondervermögen ist dafür zumindest eine wichtige Voraussetzung geschaffen. Ich bin optimistisch, dass wir gemeinsam gute Lösungen finden werden, die die Nachhaltigkeit, die Bezahlbarkeit und auch die Versorgungssicherheit im Blick behalten. Hier braucht es einen echten und ehrlichen Willen und keine Ausoptimierung der eigenen Position. Etwas nüchterner blicke ich auf das Thema Bürokratieabbau. Ich bin realistisch und erwarte, dass dieser, wenn überhaupt, nur langsam gelingt. Gerne lasse ich mich hier aber eines Besseren belehren.
Abschließen möchten wir mit zwei Fragen zur Kraftwerkreserve bzw. einem Kapazitätsmarkt und dem Netzausbau... Zunächst einmal: Sehen Sie Chancen oder Risiken für Ihr Unternehmen vor dem Hintergrund der Diskussionen über eine Kraftwerksreserve oder einen Kapazitätsmarkt in Deutschland?
Ja, das Thema Kraftwerksreserve und Kapazitätsmarkt ist für uns weiterhin von großer Relevanz, insbesondere im Hinblick auf unsere Beteiligungen, beispielsweise bei Trianel. Die neue Bundesregierung hat angekündigt, einen neuen Anlauf zur Schaffung eines Kapazitätsmarktes zu unternehmen, bei dem sowohl neue als auch bestehende flexible Erzeugungskapazitäten einbezogen werden sollen. Dies ist volkswirtschaftlich notwendig, um entsprechende Anreize für den Zubau bzw. die Vorhaltung gesicherter Leistung setzen und betriebswirtschaftlich interessant, da es, gerade für kommunale Akteure, neue Chancen eröffnet, sich an zukünftigen Ausschreibungen zu beteiligen.
Die Diskussion um Versorgungssicherheit ist aus unserer Sicht entscheidend. Die Preisspitzen, die wir zuletzt an den Märkten erlebt haben, haben deutlich gemacht, wie verletzlich unser Energiesystem geworden ist. Eine zuverlässige Kapazitätssicherung ist unverzichtbar, um Preisschocks und Engpässe in kritischen Situationen zu verhindern.
Wichtig ist, dass die neuen Rahmenbedingungen schnell und verlässlich definiert werden. Nur mit klaren Vorgaben lassen sich Investitionen in neue oder modernisierte Kraftwerke absichern. Wir befürworten ausdrücklich, dass von der neuen Koalition im Gegensatz zur Vorgängerregierung neue Kraftwerkskapazitäten auch an bestehenden Gaskraftwerksstandorten errichtet werden sollen — eine Regelung, die flexiblere Lösungen ermöglicht und bestehende Infrastrukturen nutzt. Darüber hinaus braucht ein künftiger Kapazitätsmarkt zwingend eine breite Einbindung bestehender Flexibilitäten, also auch Speicherlösungen und Lastmanagementoptionen, um die Gesamtsystemkosten effizient zu gestalten.
Und welche regulatorischen Rahmenbedingungen sind notwendig, um den Netzausbau zu beschleunigen und Engpässe zu beseitigen?
Aus unserer Sicht gibt es drei zentrale Ansatzpunkte, um den dringend notwendigen Netzausbau effektiv voranzutreiben:
Erstens benötigen wir eine angemessene Eigenkapitalverzinsung für Netzbetreiber. Der aktuelle Regulierungsrahmen setzt hier enge Grenzen. Um die enormen Investitionen in den Ausbau und die Digitalisierung unserer Netze stemmen zu können, muss die Refinanzierung wirtschaftlich attraktiv bleiben. Eine Anpassung der zulässigen Eigenkapitalrenditen wäre ein wichtiger Schritt, um die notwendigen Mittel zu mobilisieren.
Zweitens muss der Fokus stärker auf Digitalisierung und Ressourcenaufbau gelegt werden. Um die Kosten des Ausbaus im Rahmen zu halten, müssen die Netze deutlich smarter werden. Dies erfordert neben der Technik auch qualifiziertes Personal. Die neue Bundesregierung setzt richtigerweise auf Digitalisierung und Planungsbeschleunigung, aber wir brauchen auch einen Anreiz, Personal aufzubauen, deren Mehrkosten nicht erst in der darauffolgenden Regulierungsperiode vergütet werden. Gleichzeitig sollten Genehmigungsprozesse weiter verschlankt und digitalisiert werden, um Vorhaben schneller zur Umsetzung zu bringen.
Drittens ist eine effizientere Engpasssteuerung erforderlich, um die Netzkosten beherrschbar zu halten. Gerade der intelligente Einsatz von Batteriespeichern oder anderen Flexibilitätsoptionen könnte helfen, lokale Netzüberlastungen zu vermeiden und kostspieligen Leitungsausbau gezielt zu ergänzen. Dafür braucht es klare Regelungen, etwa zur netzdienlichen Integration von Speichern.
Zusätzlich halte ich es für notwendig, die derzeitige Diskussion über eine Reform der Netzentgeltsystematik konsequent weiterzuführen. Eine stärkere Ausrichtung auf kapazitätsbasierte Modelle könnte helfen, die Netze auch bei zunehmender Eigenerzeugung langfristig stabil und finanzierbar zu halten. Hier erwarten wir mutige, langfristig tragfähige Entscheidungen. Insgesamt gilt: Ein schneller, effizienter Netzausbau ist ein entscheidender Hebel für eine erfolgreiche Energiewende.
Vielen Dank für Ihre Zeit und die interessanten Einblicke!