Grünes Methanol gilt als Schlüssel für eine klimafreundlichere Zukunft der Schifffahrt, der Luftfahrt und der Chemieindustrie. Doch bislang wird der wichtige Grundstoff fast ausschließlich aus Erdgas oder Kohle hergestellt, seine nachhaltige Alternative scheitert vor allem am Preis: Grünes Methanol ist bisher erheblich teurer als fossiles Methanol.
Das Berliner Start-up C1 Green Chemicals will das ändern – mit einem neu entwickelten Verfahren, das Methanol kostengünstiger und CO2-neutral produziert. „Wir haben das über hundert Jahre alte Herstellungsverfahren völlig neu erfunden und können die Investitions- und Produktionskosten von grünem Methanol deutlich senken“, sagt CEO Christian Vollmann. Der Kern der Innovation liegt im Prozess selbst: C1 nutzt die patentierte Methode der sogenannten homogenen Katalyse. Diese chemische Reaktion läuft bei niedrigeren Temperaturen und geringerem Druck ab als die herkömmliche Methanolherstellung. Entwickelt wurde das Verfahren vom Chemiker und Mitgründer Marek Checinski, der mithilfe von Supercomputern Milliarden chemischer Reaktionen auf atomarer Ebene simulierte, um winzige Moleküle zu finden, die den Prozess der Methanolherstellung weniger energieintensiv machen als bisher.
Vom Klärschlamm zum grünen Kraftstoff
Als Rohstoffe für das klimafreundliche Methanol dienen grüner Wasserstoff und CO2 – oder vergaste Biomasse wie Klärschlamm, Gülle und Holzabfälle. „Gerade für Europa ist der Weg über Biomasse besonders attraktiv. Er macht uns unabhängiger von fossilen Energieimporten und kommt ohne teuren grünen Wasserstoff aus“, so Vollmann.

Der 48-jährige Gründer, der bereits Plattformen wie nebenan.de oder eDarling aufgebaut hat, konnte prominente Investoren überzeugen. Etwa den ehemaligen BASF-Chef Jürgen Hambrecht, Ex-Linde-Boss Wolfgang Reitzle und Jim Hagemann Snabe, Aufsichtsratschef von Siemens. Rund 28 Millionen Euro Eigenkapital und 12 Millionen Euro Fördermittel hat C1 seit der Gründung des Start-ups 2022 eingesammelt. „Wir wissen, wie man Innovationen skaliert“, sagt Vollmann. „Unser Team mit 37 Mitarbeitern vereint IT, Chemie, Ingenieurwesen und klassischen Großanlagenbau. Expertise von der Computersimulation bis zur industriellen Produktion.“
Auf dem Weg zur ersten Anlage
Derzeit arbeitet C1 an einer Demonstrationsanlage in Sachsen-Anhalt, der ersten ihrer Art weltweit. Sie soll 20 Tonnen Methanol täglich produzieren und den Übergang vom Pilotprojekt zur industriellen Produktion markieren, die sich in anderen Größenordnungen abspielt: Allein die deutsche Chemieindustrie hat 2024 mehr als 757.000 Tonnen des Industriealkohols produziert. Noch fehlen für die Demonstrationsanlage von C1 weitere Gelder und Genehmigungen, doch das Ziel ist klar: eine Finanzierungsentscheidung bis Frühjahr 2026.
Wie viele Deeptech-Unternehmen befindet sich C1 derzeit im sensiblen „Tal des Todes“ zwischen Prototyp und Marktreife, einer Phase, in der Kapitalbedarf und Risiko besonders hoch sind. Aber Vollmann ist optimistisch: „Wenn wir zeigen, dass unsere Technologie im industriellen Maßstab funktioniert, öffnen wir eine Tür für weitere Anwendungen – von nachhaltigen Kunststoffen bis zu synthetischen Kraftstoffen. So können wir eine geschlossene Kohlenstoffkreislaufwirtschaft etablieren, basierend auf grünem Methanol.“
Subventionen als Markthindernis
Bisher wächst der europäische Markt für grünes Methanol langsam: In Dänemark ging 2025 die erste kommerzielle E-Methanol-Anlage Europas in Betrieb, Reedereien wie Maersk setzen bereits methanolfähige Containerschiffe ein. „Mit unserer Technologie können solche Anlagen künftig deutlich effizienter werden“, betont Vollmann.
Während China die grüne Methanolproduktion staatlich fördert, sieht er in Europa Nachholbedarf und kritisiert bestehende Subventionen: „Fossile Energieträger werden nach wie vor staatlich subventioniert. Wir können Kostenparität erreichen, aber nur wenn diese Förderungen fallen.“ Erst dann könne grünes Methanol vom Nischenprodukt zum Standard werden.
Besonders große Hoffnungen setzte Vollmann auf eine globale CO2-Bepreisung in der Schifffahrt. Doch die geplante Vereinbarung scheiterte im Herbst 2025 an der Blockade der USA. Ein Rückschlag, der zeigt, wie langsam internationale Klimapolitik vorankommt. „Wir hätten uns ein klares Signal gewünscht“, sagt Vollmann. „Aber Veränderung verläuft selten geradlinig. Wichtig ist, dass wir technologisch vorangehen und zeigen, was möglich ist.“

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