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Markteinfluss der EU:

So stabilisiert(e) die EU den Energiemarkt

Geschlossene Reihen, klare Vorgaben: Wie die EU den Energiemarkt in schwierigen Zeiten stabilisiert.

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© Robert Albrecht / BDEW

Der russische Einmarsch in die Ukraine und dessen Folgen ließen den Preis für Gas in der Europäischen Union im Jahr 2022 stark steigen – und damit wegen des Merit-Order-Prinzips auch den Preis für Strom insgesamt im EU-Binnenmarkt.

Um das zu kompensieren, ergriffen nicht nur die einzelnen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zahlreiche Maßnahmen, auch die EU als Ganzes handelte. So sollten Preise stabilisiert und die Versorgung gesichert, aber auch die Transformation hin zu einem klimafreundlicheren Strommarkt forciert werden. Ein Überblick über die wichtigsten Beschlüsse der EU.

Versorgungssicherheit und Preis – kurzfristige Maßnahmen

Als erste Maßnahme nahm der Rat am 27. Juni 2022 eine Verordnung zur Gasspeicherung an. Diese schrieb vor, dass die Gasspeicher im Hoheitsgebiet der Mitgliedsländer vor Beginn des kommenden Winters zu mindestens achtzig Prozent gefüllt sein mussten, vor Beginn der darauffolgenden zu mindestens neunzig Prozent.

Am 6. Oktober 2022 verabschiedeten die Mitgliedsstaaten eine Verordnung über Notfallmaßnahmen. Diese umfassten verbindliche und freiwillige Ziele zur Senkung des Stromverbrauchs in Spitzenzeiten um fünf beziehungsweise um zehn Prozent (schon zuvor hatte es eine Verordnung über eine Senkung des Verbrauchs um 15 Prozent auf freiwilliger Basis gegeben. Für die Markterlöse von Stromerzeugern wurde eine Obergrenze von 180 Euro je Megawattstunde festgelegt, allerdings mit Raum für nationale Sonderregelungen.

Unternehmen im Bereich der fossilen Brennstoffe mussten im Rahmen der Notfallmaßnahmen eine Solidaritätsabgabe  auf wegen der Krise übermäßig hohe Gewinne zahlen. Die EU räumte den einzelnen Mitgliedsländern die Möglichkeit ein, für kleine und mittlere Unternehmen politisch gewollte Strompreise festzulegen, um diese von hohen Energiekosten zu entlasten. Die Obergrenze für die Markterlöse wurde bis zum 30. Juni 2023 befristet, die restlichen Maßnahmen bis 31. März 2023.

Am 15. Februar 2023 trat dann für ein Jahr ein Marktkorrekturmechanismus  in Kraft, der kurz vor Jahresende 2022 beschlossen worden war: Sollte der Gaspreis in der EU deutlich über dem Weltmarktpreis und außerdem über einer absoluten Obergrenze liegen, so ist der Abschluss von Terminkontrakten für Erdgas nur noch bis zu einem Höchstpreis gestattet, der aus den Rahmendaten berechnet wird. So will man verhindern, dass der Preis für Gas in Europa dem im Rest der Welt zu sehr enteilt.

Und schließlich wurde am 19. Dezember 2022 die Einrichtung einer EU-Einkaufsplattform beschlossen. Sie soll die Nachfrage nach Gas bündeln, um die Marktmacht der EU durch gemeinsame Einkäufe zu nutzen. Außerdem soll sie verhindern, dass sich einzelne Akteure innerhalb der Union gegenseitig überbieten. Der erste Aufruf an Unternehmen zum gemeinsamen Einkauf startete am 25. April 2023.

REPowerEU – der grundsätzliche Wandel in der Energieversorgung der EU

Während diese Fülle von Sofortmaßnahmen dazu diente, die Menschen und Unternehmen in der EU sicher durch die kriegsbedingte Energiekrise zu führen, nahm die EU-Kommission die Situation auch zum Anlass, einen auch vorher schon angestrebten grundsätzlichen Wandel in der Energiepolitik zu forcieren. Am 18. Mai 2022 stellte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den Plan „RePowerEU“ vor, der die Europäische Union weniger abhängig von fossilen Brennstoffen machen und die Energieversorgung diversifizieren soll.

Die ursprünglich zur Bewältigung der Corona-Folgen geschaffenen Konjunktur- und Resilienzpläne der einzelnen Mitgliedsländer sollen in diesem Rahmen um Kapitel zum Thema Energie erweitert werden. Gesteigert werden sollen dadurch insbesondere die Nutzung Erneuerbarer Energien, aber auch Effizienzmaßnahmen und Speicherkapazitäten für Energie. Konkreter werden unter anderem Gebäudeeffizienz genannt, Wasserstoff und Infrastruktur zur Verteilung von Energie. Außerdem die Schaffung von Anreizen zum Energiesparen, die Förderung eines emissionsfreien Verkehrs, aber auch die Investition in Infrastruktur für Erdgas und Erdöl, um die EU unabhängiger von Lieferungen aus Russland zu machen.

Die Verordnung zu REPower-EU wurde am 21. Februar 2023 vom Rat angenommen. Bei der Präsentation der Pläne ein Dreivierteljahr zuvor hatte Kommissionspräsidentin von der Leyen ein Gesamtvolumen von 300 Milliarden Euro genannt, davon 225 Milliarden als Darlehen.

Strommarktreform unter dem Eindruck der Krise

Auch die Reform des EU-Strommarkts, an der zurzeit gearbeitet wird, steht unter dem Eindruck der Energiekrise des vergangenen Jahres. Es wurden die Ziele formuliert, die Abhängigkeit der Strompreise von den Preisen für fossile Energieträger zu verringern, die Verbraucher vor Preisspitzen zu schützen und den Einsatz erneuerbarer Energien zu beschleunigen.

Allerdings läuft noch die Diskussion darüber, wie diese Ziele erreicht werden können. Debattiert wird unter anderem über mögliche Förder- und Preismodelle für Strom aus erneuerbaren Quellen sowie über die Rolle der Atomenergie. Nach Medienberichten soll das Merit-Order-Prinzip - also die Koppelung des Strompreises an die teuerste gerade benötigte Kilowattstunde – nicht angetastet werden.

Vorläufige Resultate und Ausblick

Trotz der deutlich geringeren Gaslieferungen aus Russland an die EU waren Energie und Erdgas im vergangenen Winter in allen Mitgliedsstaaten ausreichend verfügbar. Das dürfte sowohl auf das Handeln der einzelnen Länder wie auch auf die gemeinsamen Maßnahmen der Europäischen Union zurückzuführen sein.

Lieferte Russland zu Beginn des Jahres 2021 noch rund die Hälfte des in der EU verbrauchten Gases, war der Anteil bis Oktober 2022 auf nur noch gut zehn Prozent gesunken. Auch der Preis für Erdgas ist nach der kriegsbedingten Preisrallye wieder deutlich gesunken: Lag der Großhandelspreis pro Megawattstunde Ende August 2022 auf einem Allzeithoch von 346 Euro je Megawattstunde, waren es im Juni 2023 nur noch rund 30 Euro. Das ist so wenig wie zuletzt Anfang 2022. In den Jahren davor hatte der Preis meist zwischen zehn und 20 Euro gelegen.

Trotzdem halten Experten die angespannte Lage noch nicht für beendet. So sagte EU-Energiekommissarin Kadri Simson gegenüber finanzen.net: "Dieses Jahr wird immer noch eine Herausforderung sein, und auch das nächste Jahr wird es in sich haben. Viele Unwägbarkeiten bleiben bestehen. Trotz der insgesamt guten Energiesituation müssen wir wachsam bleiben und hart arbeiten, um uns auf den kommenden Winter vorzubereiten." Ben McWilliams vom Thinktank Bruegel fügte hinzu: „Das System wird weiterhin unter Druck bleiben. Wir befinden uns also immer noch in einer Krise."

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