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Drei Fragen an...

Kerstin Andreae

Wie weiter nach dem russischen Angriff auf die Ukraine? Drei Fragen an die BDEW-Chefin Kerstin Andreae.

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© Robert Albrecht/BDEW

Am 24. Februar begannen russische Truppen ihren Angriffskrieg gegen die Ukraine. Als Reaktion verhängte die EU-Kommission umfangreiche Sanktionen. Die Bundesregierung verkündete das vorläufige Aus für die umstrittene Gas-Pipeline Nord Stream 2. Was bedeutet der Krieg für Energieimporte, Preise und die Energiewende? Aus diesem Anlass ein 3-Fragen-an-SPEZIAL mit Kerstin Andreae, Hauptgeschäftsführerin des BDEW.

Frau Andreae, welche Maßnahmen sind jetzt notwendig, um unabhängiger von russischen Energieimporten zu werden? 
Die Energiewirtschaft arbeitet bereits mit Hochdruck daran, kurzfristig Energiemengen aus Russland zu substituieren und einzusparen und mittel- bis langfristig unabhängig von fossilen Rohstoffen und damit auch von russischen Importen zu werden. Der Aufbau von zwei LNG-Terminals, die Erhöhung der Importmenge aus anderen Ländern und eine nachhaltige Sicherung der Füllstände in den Gasspeichern sind unabdingbar.



Alternativen wie Flüssigerdgas können helfen, fehlende Mengen auszugleichen. Eine Ausweitung der inländischen Förderung ist begrenzt. Auch Optionen wie zum Beispiel Biogas stehen insbesondere kurzfristig nur begrenzt zur Verfügung. Hier müssen mit Blick auf den Anbau von Energiepflanzen auch ökologische Aspekte und mögliche negative Folgen für die Wasserressourcen bedacht werden.

Die aktuelle Situation zeigt, wie dringend wir insgesamt unabhängig von fossilen Energieträgern werden müssen. Wichtig ist, dass die Bundesregierung schnellstmöglich die richtigen Rahmenbedingungen schafft, um den Ausbau der Erneuerbaren voranzutreiben. 

Wird der Krieg die Energiewende beschleunigen oder sehen Sie die Gefahr, dass sich der geplante Ausstieg aus der Kohle verzögert und alte Strommeiler sogar wieder ans Netz gehen? 
Die derzeitige Lage kann dazu führen, dass wir auf dem Weg der CO2-Minderung mal einen Schritt zur Seite gehen müssen. Eines ist jedoch klar: Für unsere Branche ist der Kohleausstieg gesetzt und das Ziel haben wir klar vor Augen: Klimaneutralität, verbunden mit dem schnellen und massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien.



Der Krieg in der Ukraine zeigt deutlich, dass wir uns schneller als gedacht unabhängig von fossilen Energieträgern und damit von russischen Energieimporten machen müssen. Mit Blick auf den steigenden Bruttostromverbrauch wird zudem der Bedarf an erneuerbar erzeugtem Strom steigen.  Wir müssen also gleichzeitig unabhängiger und grüner werden. Das ist sehr ambitioniert, aber machbar. Um diese Ziele zu erreichen, müssen wir das Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren Energien noch einmal deutlich erhöhen und dauerhaft den Turbo einstellen. 

Zu den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine gehört, dass die Energiepreise rasant steigen. Was können Politik und Energiewirtschaft dagegen tun? 
Der Druck auf die Strom- und Gaspreise ist aufgrund des Krieges in der Ukraine enorm. Hinzu kommt, dass die Großhandelspreise bereits vor Kriegsausbruch auf einem außergewöhnlich hohen Niveau lagen. Die Energieversorger sind beim Einkauf von Energie deshalb mit Kosten in nie dagewesener Höhe konfrontiert. Zum Teil müssen sie an den Börsen mehr als das Fünffache für Energie bezahlen als noch Anfang 2021. Das stellt auch die Unternehmen vor enorme Herausforderungen. Es ist nicht absehbar, wann diese Hochpreisphase endet. 



Jetzt geht es darum, die Haushalte zu entlasten. Es ist deshalb gut, dass die Bundesregierung einen Zuschuss zum Heizen und die Abschaffung der EEG-Umlage auf den Strompreis beschlossen hat. Die Hochpreisphase macht aber weitere Schritte erforderlich: Die Mehrwertsteuer auf Strom und Gas sollte gesenkt werden, das gilt auch für die Stromsteuer. Die Bundesregierung sollte auch das angekündigte Klimageld Anfang 2023 einführen, das die Verbraucher ebenfalls entlasten würde. Die Herausforderungen sind außergewöhnlich. Deshalb brauchen wir auch außergewöhnliche Maßnahmen, um die Haushalte vor explodierenden Kosten zu schützen und die Handlungsfähigkeit der Unternehmen zu sichern.

Kerstin Andreae

war von 2002 bis 2019 Mitglied des Deutschen Bundestages für die Partei „Bündnis 90 / DIE GRÜNEN“. 2012 wurde sie zur stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden gewählt. Ihr oblag bis 2017 die Koordination der Wirtschafts-, Haushalts-, Finanz-, Arbeits- und Sozialpolitik. Ab 2017 war sie wirtschaftspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN und Initiatorin sowie Koordinatorin des Wirtschaftsbeirates der Fraktion.

Am 1. November 2019 hat Kerstin Andreae die Tätigkeit als Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des BDEW übernommen.


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