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Moderne Wasserkraft:

Gut für Fische, gut fürs Klima

Seit Jahrtausenden nutzt der Mensch Wasserkraft. Ein neuartiger Anlagentyp kann der Stromgewinnung an Flüssen neue Impulse geben.

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© Daria Fürst/BDEW

„Es klappert die Mühle am rauschenden Bach“ – knapp 200 Jahre alt ist das Kinder und Volkslied, in dem unter anderem die Nutzung der Wasserkraft besungen wird. Ob es eines Tages auch musikalische oder literarische Hymnen auf Photovoltaik oder Offshore-Windparks geben wird, wissen wir nicht. Was wir wissen, ist, dass die Wasserkraft die älteste von Menschen genutzte erneuerbare Energiequelle ist. Vermutlich kamen in China schon vor 5.000 Jahren erste Wasserräder zum Einsatz, in der griechischen und römischen Antike gab es bereits wassergetriebene Arbeitsmaschinen.

Um 1800 gab es in Europa bereits mehr als eine halbe Million Wassermühlen. Seit 1880 wird aus Wasserkraft elektrischer Strom gewonnen. Auch heute hat der erneuerbare Energieträger Wasser einige Vorteile: Er steht rund um die Uhr und bei (fast) jedem Wetter zur Verfügung; Wasserkraftwerke können also im Gegensatz zu Wind- oder Solarparks in die Grundversorgung des Netzes mit Strom eingeplant und -gebunden werden.

Dennoch werden trotz des großen Bedarfs an klimaneutraler Energie an und in Deutschlands Flüssen kaum mehr neue Kraftwerke gebaut. Das hat mit  der Bauweise von herkömmlichen Laufwasserkraftwerken zu tun: Bei diesen wird der Wasserlauf von einem Staubauwerk aufgehalten und durch das im Uferbereich errichtete eigentliche Kraftwerk geleitet, wo es Turbinen antreibt, aus deren Rotation die Generatoren dann den Strom erzeugen und ins Netz einspeisen. Solche Kraftwerke verändern den Flusslauf und greifen in die Ökologie des Gewässers ein. Gerade für viele flussabwärts wandernde Fische sind Laufwasserkraftwerke oftmals unüberwindbare Hindernisse.

Alte Energiequelle, neuer Anlagentyp

Forscherinnen und Forscher der Technischen Universität München /TUM) haben deshalb einen neuartigen Kraftwerkstyp entwickelt: das Schachtkraftwerk. In diesem sind Turbine und Generator unterhalb der Wasseroberfläche in Schächten im Staubauwerk selbst angeordnet. Dadurch werden der Flusslauf nicht unterbrochen und so die ökologischen Auswirkungen sehr gering gehalten. Ein Teil des Wassers durchläuft nicht die von einem horizontalen Rechen vor Geschiebe (vom Wasser mitgeführte feste Stoffe wie etwa Steine) geschützten Schächte, sondern über- oder durchströmt einen Verschluss, so dass Fische die Anlage leicht und kaum gefährdet passieren können. Ein weiterer ökologischer Vorteil des neuen Anlagentyps: Die Einheit aus Turbine und Generator gibt keine störenden Geräusche an die Umgebung ab, da sie vollständig unter Wasser arbeitet. Da klappert im Gegensatz zu der besungenen Mühle am Bach nichts. Auch ökonomisch ist die Technik attraktiv: Der Erwerb von Land und der aufwändige Kraftwerksbau darauf entfallen beim Schachtkraftwerk. Lediglich ein Trafohäuschen ist für die Anbindung an das Stromnetz erforderlich.



Einer der geistigen Väter des neuartigen Anlagentyps ist Prof. Dr. Peter Rutschmann, bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2021 Lehrstuhlinhaber für Wasserbau und Wasserwirtschaft an der TUM. Er erinnert sich an die Anfangszeit des Konzepts: „Die ursprüngliche Idee hatte vor mehr als zehn Jahren mein Mitarbeiter Albert Sepp. Damals hat er eine Lösung gesucht, wie ein Wasserkraftwerk an einem denkmalgeschützten Wehr gebaut werden kann. Seine Idee, Turbine und Generator in einem Schacht unter Wasser einzubauen, haben wir dann in den kommenden Jahren weiterentwickelt und untersucht.“

Diese Weiterentwicklung der Idee erfolgte zunächst in den Köpfen, Werkstätten und Laboren der Hochschule in München, später in einer funktionstüchtigen  Prototypenanlage mit einer 35 kW-Turbine auf dem Gelände der TUM-Versuchsanstalt in Obernach (Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen). Hierbei wurde großes Augenmerk auf den Fischschutz gelegt: „Wir hatten von Anfang an angenommen, dass Fische über einen horizontalen Rechen problemlos schwimmen können, ohne eingezogen zu werden. Das hat sich dann bei unseren Untersuchungen, die von Anfang an auch von Fischbiologen und dem Landesfischereiverband begleitet wurden, auch bewahrheitet.“  

Dennoch reichten der Bund Naturschutz und der Landesfischereiverband zunächst Klage gegen die Planungen ein, das erste „richtige“ Schachtkraftwerk an der Loisach, einem Nebenfluss der Isar, im Landkreis Garmisch Partenkirchen zu errichten.  Doch nachdem die Investoren weiter reichenden Naturschutzauflagen zugestimmt hatten, wurde die Klage zurückgezogen. So konnte die Genehmigung erfolgen, obwohl der Standort in einem Natura-2000-Schutzgebiet liegt.

Der Prototyp hat sich bewährt

Es entstand eine Anlage mit zwei Schächten. Das Kraftwerk hat eine Fallhöhe von 2,5 m, einen Kraftwerksabfluss von 22 m³/s und eine Leistung von 420 kW. Damit kann es seit dem Sommer 2020 den Strombedarf der nahe gelegenen Ortschaft Großweil vollständig decken. Nach mehr als einem Jahr zieht Professor Rutschmann eine erste Bilanz: „Großweil war unsere erste Gelegenheit, einen Prototypen zu errichten, aber es war eigentlich nicht unser Wunschstandort: Wir wussten, dass die Loisach extreme Hochwasser haben und dann enorm viel Geschiebe mitführen kann. Viele haben gewarnt, dass unser Projekt dort gar nicht gelingen könne.“ Doch es funktioniert, und das seit mehr als eineinhalb durchaus fordernden Jahren: „Wir hatten seitdem neben einem jährlichen ein etwa zehnjährliches Hochwasser. Bei dem ist ein Felsbrocken von einem halben Meter Durchmesser und einem Gewicht von fast 200kg über die Anlage gespült worden. Das hat die Anlage gut überstanden. Da waren ein paar Stäbe vom Rechen verbogen. Aber die ließen sich wieder zurechtbiegen. Nach diesem Härtetest kann man wohl sagen, dass die Technik überall funktionieren muss.“

Marktchancen im In- und Ausland

Wird der neue Anlagentyp einen neuen Wasserkraftboom in Deutschland auslösen können? Obwohl zwischenzeitlich ein zweites Schachtkraftwerk an der Iller realisiert werden konnte, ist Prof. Rutschmann eher skeptisch: „Im Grunde wird hier gegen jede geplante und genehmigte Wasserkraftanlage geklagt. Da braucht man als Betreiber schon einen langen Atem und eine harte Schale. Generell ist das Klima für kleine Wasserkraftanlagen in Deutschland eher schlecht.“ Deutlich größere Marktchancen sieht er in Weltregionen, in denen eine zuverlässige Energieerzeugung und -versorgung erst noch errichtet werden müssen. Dort könnten die Vorteile des Schachtkraftwerkes voll zum Tragen kommen.



Doch auch in Deutschland und Europa sieht Prof Rutschmann bedeutende Potenziale: „Das Konzept ist eigentlich sehr simpel – Sie haben im Prinzip eine Betonkiste mit einer getauchten Turbine drin. Die ganze Planung einer Zentrale mit Maschinen in verschiedenen Räumen entfällt ja. Und weil es so einfach ist, ist es sehr gut adaptierbar. In den nächsten zwei Jahrzehnten müssen in Deutschland, in ganz Europa etliche Wasserkraftlizenzen erneuert werden. Weil Umweltschutz heute ein weit höheres Gewicht als in früheren Jahren und Jahrzehnten hat und die Regularien wie beispielsweise die EU-Wasserrahmenrichtlinie deutlich höhere Anforderungen stellen, müssen viele Kraftwerke komplett umgebaut werden. Oft wird im Grunde nur das Querbauwerk unverändert bestehen bleiben, während das eigentliche Kraftwerk komplett neu gebaut wird. Für solche Umbaumaßnahmen unter sehr unterschiedlichen Gegebenheiten bietet das Konzept ‚Schachtkraftwerk‘ eine enorme Flexibilität. Zudem ist es mit einem bestehenden Wehr extrem ökonomisch. Deshalb sehe ich durchaus gute Markt- und Technologiechancen.“

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