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Kernkraft:

Das letzte Kapitel

Der Atomausstieg ist in Sicht. Doch radioaktive Abfälle werden noch Generationen beschäftigen. Ein Gespräch mit Wolfram König (BASE).

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© Daria Fürst / BDEW

Die Tage der Kernenergie in Deutschland sind gezählt: Ende 2022 werden die drei letzten Atomkraftwerke heruntergefahren. Doch von den nuklearen Abfällen geht noch in tausenden von Jahren große Gefahr aus. Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) ist verantwortlich für die Suche nach einem sicheren Endlager. Wir sprachen mit dessen Präsidenten Wolfram König über den Stand der Dinge und aktuelle energiepolitische Debatten.

Herr König, der Gesetzgeber hat allen Beteiligten den Auftrag gegeben, bis 2031 den Standort für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle zu finden. Wo stehen Sie neun Jahre vor dieser Frist?
Für die eigentliche Suche ist ein 2016 gegründetes, bundeseigenes Unternehmen, die Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) zuständig. Das BASE, also das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung, das ich leite, führt dabei die Aufsicht. Die BGE hat vor eineinhalb Jahren ein Gutachten vorgelegt, welche Flächen in Deutschland überhaupt grundsätzlich für eine sichere Endlagerung infrage kommen. Dies sind 54 Prozent des Bundesgebietes.

Ich warte jetzt auf einen Vorschlag zur Eingrenzung auf wenige Standorte, die dann intensiv fachlich und öffentlich zu diskutieren sind und am Ende vom Bundestag beschlossen werden müssen. In der zweiten von insgesamt drei großen Suchphasen der Endlagersuche werden dann die verbliebenen Standorte intensiver untersucht, beispielsweise durch Bohrungen. In der dritten Phase schließlich muss die Entscheidung zwischen wenigen verbliebenen potenziellen Standorten fallen. Die Entscheidung für einen Endlagerstandort trifft letztlich der Bundestag.
 
Und nach der Entscheidung?
Dann beginnt die Projektphase, in der Antrags- und Genehmigungsverfahren durchgeführt werden müssen und auch der Bau eines Endlagers ansteht. Wir können also frühestens im Jahr 2050 mit einem betriebsbereiten Endlager rechnen.

Das sind ja noch überschaubare Zeiträume. Wie lange muss denn dieses hoch radioaktive Material sicher gelagert werden?
Derzeit lagern die hochradioaktiven Abfälle in Castorbehältern in 16 Zwischenlagern. Die robusten Behälter werden dort hinter Beton und Stacheldraht gut bewacht und vor äußeren Einflüssen geschützt. Aber das kann nicht die geologische Sicherheit eines Endlagers ersetzen. In einem tiefengeologischen Endlager werden die Abfälle überwachungsfrei dauerhaft sicher von der Biosphäre ferngehalten. Denn die hochradioaktiven Stoffe sind quasi unendlich lange hochgefährlich, wenn sie unkontrolliert in die Umwelt kommen: Das Standortauswahlgesetz legt bestmögliche Sicherheit für den dauerhaften Schutz von Mensch und Umwelt für einen Zeitraum von einer Million Jahren fest.
 
Ein für uns Menschen unvorstellbarer Zeitraum.
Ja, das sprengt schlicht und einfach unsere Vorstellungskraft. Was aber die Grundlage dafür ist, sind geowissenschaftliche Erwägungen. Man schaut in die Erdgeschichte zurück. Hier in Deutschland kann man rund 250 Millionen Jahre rückwirkend betrachten. Und ich sage es mal salopp so: Wenn wir mit dem Auto 250 Kilometer zurückgelegt haben, dann trauen wir uns durchaus zu, mit einer gewissen Sicherheit zu prognostizieren, wie der nächste Kilometer aussieht. Also aus rein geologischer Sicht ist das ein eher kleiner Zeitraum.
 
Wenn wir auf die in Deutschland endende Zeit der Kernkraft zurückblicken, können Sie ein kurzes Fazit ziehen?
Mit dem Einstieg in die Nutzung der Atomenergie ist eine Entscheidung getroffen worden, die mit einem hohen Risikopotenzial verbunden ist und sehr sehr viele Generationen bindet. Um eine sichere Entsorgung hat man sich von Anfang an nicht ausreichend gekümmert – und zwar weltweit.

Jetzt haben wir die Situation, dass sich diejenigen um die sichere Entsorgung kümmern müssen, die nicht einmal von der Atomkraft als Lieferantin günstigen Stromes profitiert haben. Es ist ein Teil der Energiewende, dass wir dieses letzte Kapitel der Atomenergie – den Ausstieg – schreiben müssen.
 
Wirklich das Schlusskapitel? Angesichts des Krieges in der Ukraine werden Überlegungen und Forderungen laut, die Nutzung der Atomkraft zu verlängern, etwa durch Verlängerung der Laufzeit der verbliebenen Kraftwerke oder neue Nukleartechnologie, wie Mini-AKW oder European Pressurized Reactors.
Der Ausstiegsbeschluss, der vor elf Jahren erneut getroffen worden ist, war kein Kurzschlussbeschluss. Und - das ist mir wichtig festzuhalten - er hat überhaupt erst die Tür geöffnet, sich der immer wieder verdrängten Frage der Endlagerung anzunehmen. Erst durch die Einigung auf den Atomausstieg und die dadurch entstandene Begrenzung der Laufzeiten der Atomkraftwerke gibt es jetzt eine erwartbare und begrenzte Menge an Abfallstoffen.



Daraufhin haben sich alle, egal wie sie zur Nutzung der Atomenergie standen, an einen Tisch gesetzt, um gemeinsam die bestmögliche Lösung zur Entsorgung der hochradioaktiven Abfälle zu erarbeiten. Wenn diese Grundlage jetzt infrage gestellt wird, dann stehen überwundene Konflikte wieder auf der Tagesordnung und rückt die dauerhafte sichere Entsorgung in weitere Ferne. Der durch den Ausstiegsbeschluss erreichte Gewinn an langfristiger Sicherheit sollte in meinen Augen nicht für kurzfristige Entlastungen aufs Spiel gesetzt werden.

Wolfram König…

...ist Präsident des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE). Davor leitete er über 18 Jahre das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS). Zu Beginn seiner Laufbahn gründete König ein Umweltbüro, später arbeitete er als stellvertretender Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Zentrums „Mensch-Umwelt-Technik“ der Universität Kassel und war Staatssekretär im Umweltministerium des Landes Sachsen-Anhalt.

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