Drucken

Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes

Gute Ansätze, aber noch immer zu viel Bürokratie

Das Kabinett hat gestern die Energierechtsnovelle verabschiedet. Die Novelle dient hauptsächlich der Umsetzung europäischer Vorgaben. Positiv sind erste Bürokratieabbaumaßnahmen. Dennoch bedarf es weiterer Maßnahmen, um zu der dringend erforderlichen Entlastung der Energieversorgungsunternehmen zu kommen. Dazu erklärt Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung:

„Mit der Novelle wird primär das Energiewirtschaftsgesetz an die Gesetzgebung auf EU-Ebene angepasst. Gerade für die Vertriebe heißt das, dass weitere bürokratische Vorgaben Gesetz werden. Gut ist, dass im Gegensatz zum Referentenentwurf erste Maßnahmen zum Bürokratieabbau umgesetzt wurden. Hier ist aber noch mehr zu tun. Noch fehlt der Mut, umständliche Vorgaben aus Europa in Deutschland pragmatisch umzusetzen und auch in Europa dafür einzutreten, dass übertriebene Regelungen zurückgenommen werden. Allein für die Energiewirtschaft beläuft sich der geschätzte personelle und finanzielle Aufwand für alle geltenden Normen auf rund 8,2 Milliarden Euro pro Jahr. Die bürokratische Gesamtlast ist erdrückend.

Mit einem echten Bürokratieabbau können wir Kräfte freisetzen, die wir dringend für den Erfolg der Energiewende brauchen. Oder wie es im Koalitionsvertrag steht: ‚Gesetze, Verordnungen und Regelungen, die nicht gemacht werden müssen, werden wir nicht machen‘. Die Energierechts-Novelle 2025 muss sich daher am Koalitionsvertrag messen lassen.

Gemeinsame Energienutzung (Energy Sharing): Die Bundesnetzagentur ist gefragt, mit der Branche den Rahmen praxisnah zu gestalten, um Aufwand und Nutzen sinnvoll abzuwägen. Energy Sharing verändert nur die bilanzielle Abwicklung, entlastet das Stromnetz aber physikalisch nicht. Es gilt, eine faire Kostentragung für den zusätzlichen Aufwand zu finden.

Internetplattform für Netzzugang: Umfang, Kosten und Nutzen einer zentralen Internetplattform für den Netzzugang sowie zur Abwicklung des Energy Sharings müssen effizient umgesetzt und daher vor einer gesetzlichen Festlegung mit der Energiewirtschaft besprochen werden. 50 Millionen Euro einmaliger und elf Millionen Euro jährlicher Erfüllungsaufwand allein für die Plattform sind erheblich. Es ist zu begrüßen, dass die Bundesregierung die konkrete Ausgestaltung in die Hände der Branche und der Bundesnetzagentur legt. So können effiziente Lösungen gefunden werden.

Planungsrechtliche Vorgaben: Im Planungs- und Genehmigungsrecht geht das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie weitere wichtige Schritte. Absolut unterstützenswert sind die geplanten Maßnahmen zur Beschleunigung von Energieinfrastrukturprojekten, etwa der Abwägungsvorrang für Energiespeicher und Verteilnetze, die Ausweitung des Bauzeitraums für Offshore-Anbindungsleitungen sowie die Aktualitätsvermutung für Umweltgutachten. Diese tragen zur Vereinfachung von Genehmigungsverfahren und zur Rechtssicherheit bei. Wir haben Vorschläge unterbreitet, wie ihre Wirkung in der Praxis noch verbessert werden kann.

Datenerhebung und Monitoring: Der BDEW kritisiert nach wie vor die wachsende Zahl an Datenlieferpflichten. Insbesondere für das jährliche Monitoring steigen diese bei jeder Novellierung, ohne dass Nutzen und Aufwand gegeneinander abgewogen werden. Jede neue Datenerhebungs- und Berichtspflicht ist zu prüfen. Wie heißt es so schön in der Koalitionsvereinbarung: One in – two out ist das Ziel. Wenn eine dazu kommt, müssen zwei wegfallen.

Neue Informationspflichten: Auch bei der Vertrags- und Produktgestaltung werden die gesetzlichen Vorgaben für vorvertragliche Informationspflichten ständig erweitert. Energieversorger müssen Kunden auf Sonderangebote, separate Kündigungsmöglichkeiten oder Preise von Bündelprodukten hinweisen, und gleichzeitig Endkunden über Chancen, Kosten und Risiken der jeweiligen Vertragsart – Festpreisvertrag oder dynamischer Vertrag - informieren. Transparenz ist wichtig für eine gute Kundenbeziehung. Doch mit jeder Informationspflicht steigt auch die Komplexität der Vertragsunterlagen und Rechnungen. Am Ende führt sie zu Intransparenz für den Kunden und die intendierte Wirkung verpufft.

Gesetzliche Inzidenzkontrolle: Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur bereitet die Behörde Festlegungen für die Entgeltregulierung ab 2027 vor. Ohne eine gesetzliche Anpassung müssten Netzbetreiber die ersten rahmensetzenden Entscheidungen der Bundesnetzagentur vorsorglich gerichtlich anfechten, auch wenn sie noch nicht individuell betroffen sind. Nur so würden sie ihre Rechtsposition sichern. Das Resultat wären unnötige gerichtliche Verfahren und hohe Kosten. Um solche Situationen in Zukunft zu vermeiden, enthält der Entwurf nun die Möglichkeit einer gesetzlichen Inzidenzkontrolle im Zuge der Überprüfung von Einzelentscheidungen, was ausdrücklich zu begrüßen ist.

Messstellenbetriebsgesetz: Die Änderungen gehen in die richtige Richtung, aber weitere Anpassungen sind notwendig. Positiv beurteilen wir, dass der Regierungsentwurf erste Schritte zur Harmonisierung der Steuerungsregelungen in Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und dem Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) unternimmt. Dies ist ein wichtiger Ansatz für eine bessere Integration steuerbarer Verbraucher und Erzeuger. Richtig ist auch die Streichung der umstrittenen Aufwandsentschädigung (§ 78 MsbG) sowie eine Entbürokratisierung bei der Datenübermittlung: Viertelstundendaten müssen künftig nur auf ausdrückliche Anfrage des Kunden bereitgestellt werden.

Kritisch betrachten wir jedoch, dass der Kabinettsentwurf unbeirrt an einer Rolloutpflicht für Steuerungseinrichtungen ab 2026 festhält – obwohl deren flächendeckender Einsatz durch Netzbetreiber technisch erst ab Ende 2027 möglich sein wird. Es wird jetzt Aufgabe des Gesetzgebers sein, eine realistische und praxisnahe Umsetzungsperspektive für den Markt zu schaffen.

Es muss endlich gelingen, dass die für den Erfolg der Energiewende eminent wichtigen Steuerungsregelungen praktikabel und in der Praxis realisierbar ausgestaltet werden.“   

Ansprechpartner

Suche