„Die Energieimporte aus Russland auslaufen zu lassen, ist ein richtiger politischer Schritt, um Geldflüsse aus der EU in ein Land zu beenden, dass seit über drei Jahren einen Angriffskrieg führt. Um es gleich vorwegzunehmen: Die Gasversorgung in Deutschland und Europa ist dadurch nicht gefährdet. Ohnehin muss aufgrund der veränderten geopolitischen Weltlage die Diversifizierung der Gasversorgung weiter vorangetrieben werden. Die Restmengen, die heute noch aus Russland in die EU geliefert werden, müssen nun aus anderen Ländern bezogen werden. Hier stehen wir allerdings im internationalen Wettbewerb. Deswegen muss es weiterhin Ziel sein, Konzentrationsrisiken und einseitige Abhängigkeiten von einzelnen Lieferländern zu vermeiden, um Produktions- und Lieferschwankungen, seien sie technischer, ökonomischer oder geopolitischer Natur, ausgleichen zu können. Entscheidend ist daher, die Rahmenbedingungen und die Planungssicherheit für die marktliche Beschaffung zu verbessern. Dazu braucht es unter anderem einen gemeinsamen strategischen Ausblick und realistische Gasnachfrageszenarien, damit europäische Importeure als langfristige Partner anerkannt werden.
Strategisch wichtig bleiben gemeinsame europäische Anstrengungen, um erneuerbare und kohlenstoffarme Gase, Biogas und Wasserstoff, voranzubringen. Dabei könnte die vom BDEW und zwölf weiteren deutschen Energie- und Wirtschaftsverbänden vorgeschlagene europäische Wasserstoff-Allianz die richtigen Weichen stellen. Die Allianz könnte sich für eine ambitionierte sowie umsetzungsorientierte Wasserstoff-Politik einsetzen. Und zugleich Vehikel dafür sein, engere Brücken zu strategisch wichtigen Nicht-EU-Partnern, wie etwa dem Vereinigten Königreich und Norwegen sowie weiteren potenziellen Importstaaten zu bauen.
Wichtig ist auch das heute von den Energieministern diskutierte Thema Resilienz. Strategisch entscheidend ist der weitere Zubau von Produktionskapazitäten für Erneuerbare-Energien-Anlagen in Deutschland und Europa sowie den Schutz von kritischen Infrastrukturen gegen digitale und physische Bedrohungen unter dem Resilienz-Aspekt mitzudenken. Diese müssen bei der EU-Energiegesetzgebung angesichts einer Häufung von festgestellten Kommunikationskomponenten etwa in Wechselrichtern für Windräder und hybriden Angriffen auf Energieinfrastrukturen stärker in den Vordergrund rücken.
In Europa gibt es also viel zu tun: Die Modernisierung und der Ausbau der Energieinfrastruktur, insbesondere von Stromleitungen und speziell Interkonnektoren zwischen den Mitgliedsstaaten, sind wichtige Grundlagen für eine resiliente Energieversorgung in Europa. Für eine starke, vernetzte Energiezukunft in der EU unterstützt die deutsche Energiewirtschaft die klare Zielsetzung der EU, den Ausbau und die Modernisierung insbesondere der grenzüberschreitenden Energieinfrastruktur mit dem voraussichtlich für Ende 2025 geplanten „EU Grids Package” zu beschleunigen. Nur mit robusten, digitalisierten und interoperablen Netzen können wir Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und Klimaneutralität langfristig gewährleisten. Das anstehende Netzpaket bietet zugleich die Chance, bürokratische Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie die Finanzierung zu vereinfachen. Das ist dringend notwendig, wenn diese Projekte zügig realisiert werden sollen.“