Zur Einordnung: Ziel von EMIR ist die Steigerung der Transparenz und die Reduzierung von möglichen Risiken im Zusammenhang mit dem Over-the-Counter (OTC) Derivatmarkt – indem EMIR verbindliche Anforderungen für ein zentrales Clearing von Derivatkontrakten festlegt. Der Derivathandel ist ein erprobtes, sicheres und verlässliches Instrument der Risikominderung innerhalb der Energiewirtschaft. Daher beteiligt sich der BDEW aktiv und kontinuierlich an der Weiterentwicklung von EMIR.
Der BDEW plädiert dafür, dass eine veränderte Berechnungsmethodik im Bereich der cleared vs. uncleared OTC-Derivate unmittelbar angewendet werden kann, sobald die RTS zu den neuen Schwellenwerten veröffentlich wurde. Derzeit nehmen alle Marktteilnehmer unter EMIR 3 alle 12 Monate, am 17. Juni, Berechnungen für die Einstufung in der kommenden Clearingperiode (12 Monate) vor. Sollte eine neue RTS innerhalb dieser 12 Monate erscheinen, müssen aus unserer Sicht die Marktteilnehmer in der Lage sein, die neue Berechnungsmethode bereits für die dann laufende Periode anzuwenden. Andernfalls würden EU-Firmen dann bis zur kommenden neuen Clearingperiode keine Möglichkeit haben auf geclearten Börsenmärkten von Drittländern zu handeln – dies würde aus unserer Sicht einen Wettbewerbsnachteil von EU-Akteuren gegenüber Akteuren aus Drittstaaten darstellen.
Innerhalb des EMIR-Regimes gibt es zwei unterschiedliche Akteursklassen: Finanzielle Akteure (Financial Counterparts, FC) und Nichtfinanzielle Akteure (Non-Financial Counterparts; NFC), jeweils mit („+“) und ohne („-“) Clearingverpflichtung. Innerhalb der Energiewirtschaft sind fast alle unserer Mitglieder als NFC- klassifiziert, da ihre Haupttätigkeit nicht die Erbringung von Finanzdienstleistungen ist. Daher fokussiert sich die BDEW-Stellungnahme vornehmlich auf diesen Bereich.
EMIR kennt bestimmte Schwellenwerte, deren Überschreiten eine grundsätzliche Clearingverpflichtung des jeweiligen Akteurs für seiner Derivategeschäfte auslöst. ESMA möchte die Berechnungsmethodik im Bereich der NFC grundsätzlich verändern und die Berechnungsbasis von „OTC“ auf „nicht geclearte“ Positionen verschieben, die nicht der Absicherung dienen, – grundsätzlich erscheint die Herangehensweise sinnvoll, wenn man davon ausgeht, dass sich hinter solchen Positionen grundsätzliche Risiken verbergen – im Falle der Energiewirtschaft lässt sich dies jedoch nicht gänzlich nachvollziehen, da sich Akteure auch im OTC-Bereich grundsätzlich absichern und keine spekulativen Geschäfte betreiben. ESMA möchte zusätzlich für die Assetklassen Commodityderivate, Zinsderivate sowie Kredit- und Eigenkapitalderivate die Schwelle zur Clearingpflicht absenken. Am Beispiel der Commodityderivate wird deutlich, warum wir uns gegen eine Absenkung aussprechen:
- ESMA plant die Schwelle von 4 Mrd. Euro auf 3 Mrd. Euro abzusenken – EMIR soll eigentlich systemische Risiken im Finanzmarkt reduzieren, es gibt keine Evidenz, dass der Commodityderivathandel von NFC- erhebliche systemische Risiken für das gesamte Finanzmarktsystem darstellt. Seit 2012 haben die Inflation und die Volatilität auf den Energiemärkten das unter dem Schwellenwert zulässige effektive Handelsvolumen drastisch reduziert. So ermöglichte der Schwellenwert von 3 Mrd. EUR im Jahr 2012 den Handel von rund 70 TWh, im Jahr 2022 jedoch nur noch 11 TWh. Dies wurde in einer Studie von Frontier Economics untersucht, die Studie empfiehlt daher den Schwellenwert auf mindestens 12 Mrd. Euro anzuheben, um diesen Veränderungen Rechnung zu tragen.
Auf europäischer Ebene gibt es Bestrebungen EMIR immer granularer zu gestalten – u.a. sollen die Assetklassen weiter unterteilt werden (z.B. Commoditybereich nach Ware unterteilen: Kohle, Gas, etc.), gänzlich neue Assetklassen (Crypto) einzeln zu betrachten oder bestehende Assetklassen nach Nachhaltigkeitsfaktoren zu bewerten. ESMA betrachtet diese Herangehensweise kritisch und der BDEW teilt ESMA’s Skepsis. Eine weitere Fragmentierung der Betrachtung erschwert den Vollzug und erhöht auch den Aufwand für betroffene Marktakteure, ohne den Nutzen zu fördern. Wie bereits erwähnt gehen aus unserer Sicht keine nennenswerten systemischen Risiken für den Finanzmarkt an sich von den genannten Assetklassen aus.
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Konsultation betrifft das Thema Hedging. Nicht alle Hedgingstrategien werden derzeit adäquat von EMIR berücksichtig oder lösen unmittelbar ein Clearing, durch das Überschreiten der Schwellenwerte, aus. Ein anschauliches Beispiel für dieses Thema sind „Virtual Power Purchase Agreements“ (vPPA). Solche finanziellen PPA werden nicht konsequent als Instrument zur Verringerung von Risiken behandelt – wir setzen uns daher dafür ein, dass vPPA’s als risikomindernd im Sinne des Artikel 10 Absatz 1 CDR 149/213 anerkannt werden, wenn sie dazu dienen, etwa das Preisrisiko von Marktakteuren abzusichern.
Zuletzt geht es in der ESMA-Konsultation um die Frage, ob bestimmte Trigger eine regelmäßige Überprüfung der Clearingschwellenwerte auslösen sollten. ESMA schlägt aus unserer Sicht unklare Rechtsbegriffe vor. Aus Sicht des BDEW sollten feste Trigger mit spezifizierten Kriterien gelten, die für jeden nachvollziehbar sind, und vor allem für Vorhersehbarkeit, Transparenz und Nachvollziehbarkeit sorgen. Daher stimmen wir dem ESMA-Vorschlag teilweise zu. Die Verwendung von makroökonomischen und marktbasierten Indikatoren zur Steuerung künftiger Schwellenwertüberprüfungen könnte den Auslösemechanismus verbessern. Wir befürworten jedoch keine dynamischen Schwellenwerte und empfehlen ESMA, bei künftigen Überprüfungen keine Schwellenwerte abzusenken.