Ausschreibungen: „Das muss für ganz Deutschland passen“

Auf die Erneuerbaren kommen aufregende Zeiten zu. 2017 soll die feste Einspeisevergütung Investitionszuschüssen weichen und Grünstrom-Projekte über Ausschreibungen vergeben werden.

Hans-Heinrich Andresen, Geschäftsführer WEB Andresen GmbH und Andreas Renner, Leiter Politik, Wirtschaft und Gesellschaft der ENBW Energie Baden-Württemberg AG, diskutieren über mögliche Nachteile kleinerer Bieter.

Herr Andresen, beim Ausbau der Windenergie werden die neuen Kapazitäten in Zukunft über Ausschreibungen vergeben. Werden bei diesem Auktionsmodell die Kleinen, also Sie, gegen die Großen, also etwa Herrn Renner, gar keine Chance mehr haben? 

Andresen: Wir haben schon die Sorge, dass das Auktionsmodell gerade die Bürgerwindparks, die Genossenschaften und kleinen und mittleren Unternehmen schwächen wird. Für einen größeren Energieversorger oder einen Stadtwerkeverbund ist es doch viel leichter, das Risiko zu streuen als für den einzelnen Bürger, der nicht weiß, ob seine Genossenschaft am Ende des Tages den Zuschlag erhält. Außerdem werden sich die Bürgerwindparks schwertun, die sechs- bis siebenstelligen Summen aufzubringen, die nötig sind, um überhaupt bis zur Genehmigung zu kommen.

Haben Sie also schon gewonnen, Herr Renner? Weil die anderen ausgepreist werden?

Renner: Nein, so einfach ist das nicht. Es ist richtig, dass wir uns dafür ausgesprochen haben, etwa die BImSchG-Genehmigung als Teilnahmevoraussetzung vorzusehen. Damit sind gewisse Anforderungen für die Beteiligten verbunden. Das macht es den kleinen Anbietern sicher nicht leichter, weil der Aufwand hoch ist. Aber für ein solches Modell spricht doch ganz klar, dass fast 100 Prozent aller Projekte, die bei solchen Verfahren eingegeben werden, auch in die Umsetzung gehen. Wir brauchen ja keine Auktionen, die Gewinner produzieren, sondern solche, nach denen dann auch gebaut wird.

Und dass die Kleinen ausgepreist werden, ist dann einfach ein Kollateralschaden? 

Renner: Das wird nicht passieren. Viele der uns bekannten Auktionsmodelle für Erneuerbare Energien haben aufgrund eklatanter Design-Fehler zu einer Reduzierung der Anbietervielfalt geführt. Deshalb müssen wir uns ja auch so viel Mühe geben, das Auktionsdesign im Detail passend zu machen. Das vom Wirtschaftsministerium vorgeschlagene Modell für die Preisfindung etwa ist schwierig, denn es ist für einen kleinen Anbieter nicht leicht, in einem Gebotspreisverfahren den richtigen Preis zu bieten. Da muss man strategisch bieten und entsprechende Erfahrungen haben, das dürfte manchen überfordern. Das Einheitspreisverfahren ist viel einfacher: Da muss man nur seine Kosten kennen. Das präferieren wir deshalb auch, weil es eben die Chancen besser verteilt.

Ist das Einheitspreisverfahren auch für Sie das bessere Modell, Herr Andresen?

Andresen: Sicher. Da sind Herr Renner und ich einer Meinung. Das Einheitspreisverfahren fördert kein strategisches Bietverhalten, deshalb ist es die richtige Variante. Das ist nachher auch einfacher für den Energieversorger in der Abrechnung. Gut, wir haben bei den Testauktionen gesehen, dass dann einige sehr, sehr tief geboten haben, weil sie nachher trotzdem den Grenzpreis erhalten. Aber da wird sich das Modell entwickeln und man wird Maßnahmen finden, die so etwas verhindern.

Wissen Sie, warum die EE-Verbände eher für das Gebotspreisverfahren sind?

Andresen: Gute Frage, die Sie aber direkt dem BWE stellen sollten. Unsere Position ist es nicht, und der BWE weiß das auch.

Der BDEW schlägt ein Versicherungsmodell für kleinere Anbieter vor, um für diese eine Risikominderung zu ermöglichen. Was halten Sie davon?

Andresen: Den Ansatz finde ich vollkommen in Ordnung. Das muss man sich genau anschauen, wie das im Detail ausgestaltet wird. Was jetzt aber schon passiert, ist die Bildung von Zusammenschlüssen. Da gehen Bürgerwindparks zusammen in die Planung und ins Risiko mit mehreren Projekten. Es wird wahrscheinlich auch strategische Partnerschaften mit Stadtwerken oder Energieversorgern geben. Das Ausschreibungsmodell wird dazu führen, dass es keine reine Lehre des Bürgerwindparks und des Energieversorgers mehr geben wird.

Andreas Renner, sehen auch Sie eine Umwandlung des Marktes?

Renner: Wir sind bei EnBW dabei, unser Geschäftsmodell mit hoher Geschwindigkeit umzustellen. Das ist aber eher der Dezentralisierung des Energiesystems und dem wachsenden Konkurrenzdruck geschuldet. Insofern: Ja, es wird sich vieles bewegen zwischen Groß und Klein in den nächsten Jahren. Ich denke, wir Großen werden für die Systemstabilität noch eine Weile unverzichtbar sein. Aber im Rahmen der Flexibilisierung wird auch ein Miteinander unumgänglich werden. Wir können es uns doch nicht leisten, in der Energiewende die Dinge, die man tatsächlich besser zusammen macht, links liegen zu lassen. Wir verfolgen ja mit unseren Regionalbüros einen neuen Ansatz als Akteure auf Augenhöhe und schließen Partnerschaften mit Projektentwicklern.

Lassen Sie sich von den Großen einladen, Herr Andresen?

Andresen: Sehr gern. Wir müssen davon wegkommen, alles in schwarz und weiß zu malen. Wir müssen aufeinander zugehen. Wir selbst sind mit unseren Energieversorgern schon lange im engen Austausch, um – bei aller Vorsicht – Möglichkeiten zu suchen, Vorteile für beide zu realisieren. Der eine oder andere wird es in der näheren Zukunft allein nicht so leicht hinkriegen. Er wird den Partner brauchen können, um zum Beispiel Innovationen umzusetzen. Ob es jetzt um Mobilität geht oder Speicher, ob um intelligente Netze. Wir selbst zum Beispiel denken über Salzkavernen nach, um dort Wasserstoff zu speichern. Wir denken darüber nach, Endkundenprodukte vor Ort zu entwickeln mit unseren Energieversorgern. Und wir haben natürlich auch den Breitbandausbau bei uns in der Region vorangetrieben. Uns fehlt ein wenig der Anreiz auf politischer Ebene, um das alles wirklich umzusetzen. Im Moment wäre es tatsächlich ein wirtschaftliches Zusatzgeschäft, welches von unseren Windparks nicht zu tragen wäre.

Sind die großen Marktteilnehmer an solchen Projekten überhaupt interessiert, Herr Renner?

Renner: Die geschilderten Innovationen werden interessant, je mehr Erzeugung wir haben mit Grenzkosten um die null Euro. Wärme, Power to Heat, Power to Gas und viele andere Dinge sind dann denkbar. Aber: Es muss sich rechnen. Ich will an ein ganz altes Thema erinnern. Wir haben Pumpspeicherkraftwerke errichtet für viel Geld. Die sind extrem flexibel, weil man mit ihnen sekundengenau Schwankungen ausgleichen könnte. Aber die rechnen sich nicht mehr. Das geht so nicht. Da müssen wir ran.

Andresen: Da haben Sie Recht. Es gibt sehr viele Pumpspeicherkraftwerke in Deutschland, die nicht wirtschaftlich betrieben werden können. So ein Speicher ist eigentlich ein optimaler Partner für die Windenergie. Wundert mich ein wenig, dass das so wenig genutzt wird. Wir haben bisher Sorge, dass uns da die Energieversorger nicht richtig dran teilhaben lassen wollen. Da würden wir uns durchaus ein Zugehen der Energieversorger auf die Windbranche wünschen. Da ist sicher ein großes Potenzial, um für beide eine Win-win-Situation zu entwickeln.

So ganz versteht man das jetzt nicht. Das liegt doch offenbar auf der Hand?

Andresen: Da muss der eine oder andere ideologisch über seinen Schatten springen, ja, aber dann müsste es eigentlich ein Geschäftsmodell dafür geben. Vielleicht braucht es einen Moderator, um alle Beteiligten mal an einen Tisch zu holen, um ein vernünftiges wirtschaftliches Modell zu entwickeln.

Renner: Ich denke, das Thema sollten wir aufgreifen.

Andresen: Das hielte ich für spannend.

Was Andreas Renner und Hans-Heinrich Andresen über einen drohenden Streit zwischen den südlichen und den nördlichen Bundesländern wegen möglicher Benachteiligungen sagen, lesen Sie im ersten Teil des Gespräches Ausschreibungen: „Der Süden ist nicht schlechter als der Norden“ .

Suche