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BDEW nimmt zur EnWG-Osternovelle 2022 Stellung

Mit der Novelle soll einerseits – wie vom BDEW gefordert – den Herausforderungen der Grundversorger in Zeiten stark steigender Preise begegnet werden. Daneben erfolgen Maßnahmen, um Netzausbauplanung und Netzausbau im Verteil- und Übertragungsnetz zu stärken. Vorgeschlagen ist schließlich eine Erweiterung der besonderen Missbrauchsaufsicht für Fernwärmepreise.

Das BMWK hat am 16. März 2022 einen Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts im Zusammenhang mit dem Klimaschutz-Sofortprogramm und zu Anpassungen im Recht der Endkundenbelieferung“ (nachfolgend als EnWG-Osternovelle 2022 bezeichnet) vorgelegt. Mit dem Gesetz sollen Änderungen am EnWG sowie an weiteren Gesetzen erfolgen. 

Die Kernthemen der Novelle sind Anpassungen im Recht der Endkundenbelieferung (Stärkung der Ersatzversorgung), Regelungen zur Netzausbauplanung und zum Netzausbau im Übertragungs- und im Verteilernetz sowie die Verlängerung des § 29 GWB einschließlich einer Erweiterung auf Fernwärme.

In seiner Stellungnahme begrüßt der BDEW vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen der Energiepreise und den sich daraus ergebenden Folgen für Grund- und Ersatzversorger und deren Kunden die Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Gleiches gilt für das Bemühen um die Priorisierung des Klimaschutzes, die Beschleunigung und die Transparenz beim Netzausbau. Zugleich hat der BDEW weitere Vorschläge zur Verbesserung bzw. Änderung eingebracht und fordert die Streichung der beabsichtigten Einbeziehung der Fernwärme in § 29 GWB.

Folgende Punkte, die der BDEW in seiner Stellungnahme als besonders wesentlich herausgestellt hat, regelt der Referentenentwurf:

Übersicht der geplanten Änderungen einschließlich BDEW-Bewertung

  • Anpassungen im Recht der Endkundenbelieferung  

Das Gesetz führt neben der Anzeigepflicht für die Aufnahme der Tätigkeit als Lieferant für Haushaltskunden auch eine Anzeige der Aufgabe dieser Tätigkeit ein, § 5 EnWG. Die Unterlassung soll bußgeldbewährt sein. Für eine vertragswidrige Beendigung des Vertrages durch den Versorger soll ein Schadensersatz von mindestens 160 € eingeführt werden. 
Die Regelungen zur Grund- und Ersatzversorgung werden angepasst. Insbesondere können auch für Haushaltskunden die Preise der Ersatzversorgung von der Grundversorgung abweichen, wobei sich die Preise an den kurzfristigen Beschaffungskosten orientieren müssen. Weiterhin wird klargestellt, dass die Grund- und Ersatzversorgungspreise der kartellbehördlichen Aufsicht nach den §§ 19, 20 und 29 GWB unterliegen.
 
Zu diesem Themenkomplex hatte der BDEW im Vorfeld eigene Vorschläge eingebracht, insbesondere hinsichtlich der Anzeigepflicht (§ 5 EnWG) und zur Entkopplung der Ersatzversorgungspreise von denen der Grundversorgung (§ 38 EnWG), die sich weitgehend im Entwurf wiederfinden. BDEW begrüßt daher ausdrücklich die vom BMWK vorgeschlagenen Anpassungen zur Sicherstellung einer verlässlichen Energieversorgung von Haushaltskunden durch Strom- und Gaslieferanten. 
Es ist richtig, auch das Ausscheiden von Energielieferanten aus dem Markt der Aufsicht der BNetzA zu unterstellen. Vertragliche Lieferverpflichtungen müssen eingehalten werden. Die Neugestaltung des Verhältnisses zwischen Grund- und Ersatzversorgung beurteilt der BDEW im Grundsatz positiv, da der Grundversorger auf diese Weise auf eine große Anzahl von unerwarteten Neukundenzugängen angemessen reagieren kann, ohne Bestandskunden zu belasten. Dies ist im Sinne aller Beteiligten. Allerdings sieht der BDEW in der Ausgestaltung noch Verbesserungsbedarf, den die Stellungnahme adressiert.

  • Netzausbauplanung und Digitalisierung

Die Regelungen für die Netzausbauplanung und die gemeinsame Internetplattform werden geändert, §§ 14 d und 14e EnWG. Das Regionalszenario soll nun einen Entwicklungspfad enthalten, der sowohl das langfristige Zieljahr 2045 mit Erreichung der gesetzlich festgelegten sowie weiterer klima- und energiepolitischer Ziele der Bundesregierung als auch die wahrscheinlichen Entwicklungen für die nächsten fünf und zehn Jahre umfasst. Um Anträge auf Netzanschluss stellen zu können, sollen Anschlussnehmer zukünftig z.B. auch über die gemeinsame Plattform auf die Internetseite des zuständigen Netzbetreiber gelangen können. Außerdem wird die Netzanschlussverordnung geringfügig angepasst. Die Änderung soll die Verpflichtung einführen, netzbetreiberübergreifend einheitliche Formulare für den Netzanschluss und die Anzeige auf der Internetseite zu veröffentlichen. 
Der BDEW hat in seiner Stellungnahme gefordert, dass alle gesetzlichen Neuregelungen bestehende Ressourcen der Netzbetreiber anerkennen und einen klaren Beitrag zur Beschleunigung des Netzausbaus leisten müssen. Die in § 14d EnWG erweiterten Verpflichtungen der Verteilnetzbetreiber zur Erstellung von langfristigen Szenarien als auch der Einbezug von weiteren Stakeholdern in unteren Spannungsebenen sind daher kritisch zu bewerten. Die Verpflichtungen führen aus Sicht des BDEW nicht zu der beabsichtigten Beschleunigung des Netzausbaus und damit verbundenen effizienten Erreichung der Klimaziele, sondern sind eher ein zusätzliches Hemmnis. 

  • Netzausbau im Übertragungs- und im Verteilernetz 

Im Zusammenhang mit den Planfeststellungsverfahren werden die Regelungen zu den Anzeigeverfahren, für Leerrohre für Hochspannungsleitungen und Vorarbeiten, §§ 43f, 43j und § 44 EnWG angepasst. Darüber hinaus sieht der Gesetzentwurf auch die Änderung des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes Übertragungsnetz (NABEG) und des Bundesbedarfsplangesetzes (BBPlG) vor. Der Gesetzentwurf stellt klar, dass das Ziel der Treibhausgasneutralität ebenfalls zum Zielkanon des EnWG gehört. Dieses Ziel wird zukünftig auch bei der Erstellung der Szenarien für die Netzentwicklungspläne zu berücksichtigen sein. 
Der BDEW macht in seiner Stellungnahme deutlich, dass zur Erreichung der Klimaneutralität insbesondere auch ein enormer Aus- und Umbau der Verteilernetze notwendig ist. Der Anschluss von EE-Anlagen erfolgt zu einem weit überwiegenden Teil in den Verteilernetzen. Zur Integration dieser Leistungen sind erhebliche Aufwendungen erforderlich. Um die klimapolitischen Ziele zu erreichen, ist es daher auch auf der Ebene der Verteilernetze dringend geboten, Regelungen zu treffen, die den Aus- und Umbau beschleunigen und eine zügige Durchführung der Planungs- und Genehmigungsverfahren sicherstellen. Hierfür muss die Netzausbauplanung noch konsequenter am Ziel der Treibhausgasneutralität ausgerichtet werden. 
Zur Beschleunigung des Übertragungsnetzausbaus soll zukünftig die Bundesfachplanung häufiger als in der Vergangenheit verzichtbar sein. Etwa, wenn eine neue Leitung gebündelt mit einer bestehenden oder geplanten Trasse verlaufen kann. Für Offshore-Anbindungsleitungen und Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) wird zudem die Möglichkeit eingeführt, statt der Bundesfachplanung das Instrument einer bestandsdatenbasierten Präferenzraumfestlegung zu wählen. Gerade im Hinblick auf das neue Instrument äußert sich der BDEW jedoch besorgt, dass neue Maßnahmen und Methoden unnötige Verzögerungen bei der Einführung mit sich bringen werden.

Zudem werden einige begrüßenswerte Erleichterungen für Anzeigeverfahren und Duldungspflichten von Vorarbeiten eingefügt. Der vorliegende Entwurf bleibt hier aber deutlich hinter den Erwartungen zurück. Der BDEW fordert, dass jetzt alle Möglichkeiten genutzt werden, bestehende Hindernisse für einen schnellen Aus- und Umbau der Netze konsequent abzubauen. Über die im Entwurf bereits enthaltenen Vorschläge hinaus fordert der BDEW daher deutliche Verbesserungen. So muss dem Netzaus- und Umbau zur Erreichung der Klimaschutzziele gesetzlich ein Vorrang eingeräumt werden. Die Regelungen zum Anzeigeverfahren bei Anlagenänderungen, zur Zulassung des vorzeitigen Beginns und zur Duldungspflicht von Vorarbeiten müssen ertüchtigt werden.

  • Verlängerung § 29 GWB und Erweiterung auf Fernwärme

Die in § 29 GWB enthaltene – eigentlich zeitlich befristete – Sondervorschrift für eine Preismissbrauchskontrolle für Strom und Gas soll zum einen bis 2027 verlängert werden. Zum anderen soll der Anwendungsbereich auf die Fernwärme erstreckt werden.
Die erneute Verlängerung der Vorschrift, die eine Beweislastumkehr zulasten der Versorger enthält, ist sachlich nicht gerechtfertigt. Die Vorschrift ist ordnungspolitisch überflüssig und bedient vornehmlich eine politische Symbolwirkung. 
Die zusätzliche Einbeziehung der Fernwärme verfehlt das eigentliche Ziel und setzt Risiken für Investitionen in eine Dekarbonisierung der Fernwärme. Zu Recht haben entsprechende Vorstöße in den vergangenen Jahren keine politische Mehrheit gefunden. Der BDEW lehnt beide Vorschläge nachdrücklich ab.

  • Echte Maßnahmen zur Beschleunigung der Energiewende 

In seiner Stellungnahme hat der BDEW darüber hinaus noch weitere Beschleunigungsmöglichkeiten von erheblicher Bedeutung im Sinne der Erreichung der Klimaziele angesprochen, die im Gesetzentwurf nicht geregelt sind. 
So ist erstens der Wasserstoffhochlauf voranzutreiben und zweitens endlich die Steuerbarkeit von Verbrauchsanlagen nach § 14a EnWG rechtssicher und zukunftstauglich zu gestalten. Die weitgehenden Vorschläge der EU-Kommission zur eigentumsrechtlichen Entflechtung der Wasserstoffnetze konterkarieren den Aufbau einer Wasserstoffnetzinfrastruktur und damit die Entwicklung einer nachhaltigen und klimaneutralen Wasserstoffwirtschaft. Aus diesem Grund sind sie abzulehnen. Für die aktuelle Netzausbauplanung und den schnellen Anschluss steuerbarer Verbrauchseinrichtungen wie private Ladesäulen, Speicher oder Wärmepumpen sind dringend die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen.

Über die genannten Regelungen hinaus sollen mit dem Referentenentwurf auch die Regelungen zur Kapazitätsreserve in § 13e EnWG und der Kapazitätsreserveverordnung geringfügig geändert werden. Der BDEW wird das weitere Verfahren eng begleiten und über die aktuellen Entwicklungen berichten.

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