Genau dieses Ziel verfolgt die Stadtentwässerung Dresden und will so nicht nur den eigenen Fachkräftebedarf abdecken, sondern zudem die Vielfalt und Chancengleichheit im Unternehmen fördern. Nach Paragraph 7a im Berufsbildungsgesetz (BBiG) darf grundsätzlich jeder eine Teilzeitausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf absolvieren. Einzige Bedingung: der Ausbildungsbetrieb muss zustimmen. Die Stadtentwässerung Dresden tut das und versteht dies auch als notwenigen Schritt in Richtung einer inklusiven und nachhaltigen Fachkräftesicherung.
Aus Personalnot eine Tugend machen
„Einige Stellen und Ausbildungsplätze sind bei uns recht schwer zu besetzen. Gemeinsam mit unserem Ausbildungsberater bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) haben wir überlegt, wie man dem entgegensteuern kann. So kamen wir auf das Teilzeit-Modell. Dies erlaubt uns, den Bewerberkreis auszuweiten“, sagt Tobias Schäfer, Leiter des Teams Nachwuchsprogramme bei der Stadtentwässerung Dresden. „Seit vier Jahren bieten wir jungen Menschen nun die Möglichkeit, sowohl im kaufmännischen als auch im technischen Bereich eine Teilzeitausbildung zu absolvieren.“
Für wen eignet sich eine Teilzeitausbildung?
Es gibt verschiedene Dinge, die eine Ausbildung in Vollzeit erschweren oder unmöglich machen: zum Beispiel gesundheitliche Einschränkungen, pflegebedürftige Angehörige oder eigene Kinder. Auch für Jugendliche, die aufgrund eines Migrationshintergrunds sprachliche Schwierigkeiten haben, ist eine Teilzeitausbildung mitunter ein angemessener Berufseinstieg. Zudem gibt es etliche junge Menschen, die motiviert und im praktischen Bereich leistungsstark sind, sich aber mit der Theorie schwertun und dort einfach mehr Lernzeit benötigen. „Genau diese Zeit können wir uns nehmen und ihnen geben.“ Mit einer Ausbildung in Teilzeit ist es möglich, junge Menschen, die sonst kaum eine Chance am Markt gehabt hätten, gut auszubilden und vielleicht dauerhaft ans Unternehmen zu binden.
„Wir brauchen nicht zwangsläufig Schulabgänger mit Einser- oder Zweiernoten. Wir suchen vielmehr nach jungen Menschen, die Spaß bei der Arbeit haben und die gern bei uns bleiben wollen.“
Tobias Schäfer, Ausbildungsleitung, Stadtentwässerung Dresden
Wie funktioniert das in der Praxis?
Hat man sich mit einem Bewerbenden auf eine Ausbildung in Teilzeit geeinigt, wird dies der IHK schriftlich mitgeteilt. Sämtliche Vereinbarungen bezüglich reduzierter Arbeitszeiten werden anschließend im Ausbildungsvertrag festgehalten. Bei der Stadtentwässerung Dresden läuft das so: Die Azubis nehmen regulär am Berufsschulunterricht teil, der zu ganz normalen Zeiten und in vollem Umfang stattfindet. Die betriebliche Regelarbeitszeit dagegen wird auf 6 Stunden pro Tag reduziert. Das wirkt sich natürlich auf den Arbeitsalltag der jeweiligen Fachabteilungen aus und muss sowohl bei Außeneinsätzen als auch bei Pausenzeiten berücksichtigt werden. „Wir haben dafür extra eigene Teilzeitausbildungspläne entwickelt. Zudem sind wir immer im Austausch mit den Ausbildenden und besprechen alle Details vorab. Diese enge Zusammenarbeit ist wichtig, damit Arbeitsprozesse weiterhin reibungslos laufen und wir den Bedürfnissen der Azubis gerecht werden können.“ Es braucht aber auch eine Belegschaft, die offen für neue Wege ist und diese Entscheidung mitträgt.
Flexibel reagieren und Ausbildung anpassen
Manchmal stellt sich erst während der Ausbildung heraus, dass Azubis gesundheitliche Einschränkungen haben, das fachliche Niveau für sie zu hoch ist oder sie sprachlich nicht gut zurechtkommen. Auf solchen Herausforderungen können Ausbildungsbetriebe flexibel reagieren. So kann bei der Agentur für Arbeit ein Nachteilsausgleich beantragt oder die Vollzeitausbildung in Teilzeit umgewandelt werden. Das verschafft denjenigen mehr Zeit, um sich sprachlich und fachlich weiter zu qualifizieren: zum Beispiel per Nachhilfe. Die gibt es bei der Stadtentwässerung Dresden je nach Bedarf einmal die Woche. „In der Regel dauert die Ausbildung in Teilzeit ein halbes Jahr länger. Diese Zeit investieren wir gern. Denn am Ende haben alle Azubis einen vollwertigen Abschluss in der Tasche und wir bestenfalls neue junge Fachkräfte, die sich dem Unternehmen aufgrund der ihnen gebotenen Möglichkeiten sehr verbunden fühlen“, so Tobias Schäfer.
Es gibt einige Möglichkeiten für Unternehmen, ihr Ausbildungsangebot flexibel zu gestalten. Man muss diese nur kennen und mit wichtigen Akteuren wie der IHK oder der Agentur für Arbeit im Austausch sein.“
Tobias Schäfer, Ausbildungsleitung, Stadtentwässerung Dresden
Kinder oder Beruf?
Beides geht! Mit dem Teilzeit-Modell will das Unternehmen auch Frauen auf dem Weg in technische Berufe unterstützen. Bestes Beispiel dafür ist Anne Starcke. Die junge Mutter begeistert sich schon lange für die Themen Wasser und Abwasser. Eine ideale Kandidatin für die Stadtentwässerung Dresden. Doch aufgrund der Kinderbetreuungszeiten kam eine Ausbildung in Vollzeit für sie nicht infrage. Die Lösung: eine Teilzeitausbildung. Auf der IHK-Ausbildungsmesse traf sie Tobias Schröder und konnte mit ihm sämtliche Fragen und Unsicherheiten dazu klären. Heute ist Anne Starcke im ersten Lehrjahr ihrer Ausbildung zur „Umwelttechnologin für Abwasserbewirtschaftung“ und ganz begeistert vom Ausbildungsbetrieb. „Das Auszubildenden-Team gibt sich große Mühe, um jedem einen guten Start in die Ausbildung zu ermöglichen. Zwei Wochen lang wurde uns der Betrieb vorgestellt und wir haben Einblicke in die Abläufe bekommen“, erzählt sie. „Die Perspektive nach der Ausbildung in einem Unternehmen zu arbeiten, das Teil der kritischen Infrastruktur ist, ist mir wichtig.“ Das Teilzeit-Modell lohnt sich also für beide Seiten. Für die junge Mutter ist der Berufseinstieg möglich und die Stadtentwässerung Dresden hat langfristig eine qualifizierte, neue Kollegin an Bord.
Ausbildungsleiter Tobias Schäfer im Gespräch mit Auszubildender | Foto: Stadtentwässerung Dresden
Die gute Mischung macht‘s
Um genug Fachkräftenachwuchs zu rekrutieren und diesen entsprechend zu qualifizieren, braucht es aber einen ausgewogenen Maßnahmenmix. Dazu gehört das Teilzeit-Modell ebenso wie flexible Lernformate oder die ganz individuelle Betreuung. Seit 2022 ist Tobias Schäfer Ausbildungsleiter bei der Stadtentwässerung Dresden und hat seitdem in seinem Team Nachwuchsprogramme einiges umstrukturiert und neu etabliert. Dem voraus ging ein intensiver und fast einjähriger Austausch mit seinem Vorgänger. Dessen Wissen und Erfahrungsschatz sind die Basis für viele der angestoßenen Veränderungen. Was lief gut und soll so bleiben? Wo muss man anpassen? Was erwartet die junge Generation? „Wir haben die Trennung zwischen kaufmännischem und technischem Ausbildungsbereich aufgehoben und betreuen heute als Team alle Azubis gemeinsam“, so Tobias Schröder. Zu dritt kümmern sie sich unter anderem um Azubi-Marketing, Aktions- und Messetage, Praktika, Bewerbungstrainings sowie alles Organisatorische rund um Ausbildung und dualem Studium. Das Team will dabei möglichst nah an den Jugendlichen sein, um ihre Bedürfnisse zu erkennen und darauf reagieren zu können.
Wir versuchen, in Lehrjahresgesprächen herauszufinden: Wo fehlt Unterstützung? Was brauchst du? Wo willst du später hin? Das hilft, Jobs passgenau zu besetzen und fördert die Zufriedenheit.“
Tobias Schäfer, Ausbildungsleitung, Stadtentwässerung Dresden
Von der digitalen Lernplattform ins Azubi-Café
Den kaufmännischen Azubis steht seit kurzem eine digitale Lernplattform zur Verfügung, auf der sie Lernvideos schauen, versäumten Unterricht nachholen und ihre Online-Kompetenzen trainieren können. Das Angebot kommt gut an und soll daher auch bald schon im technischen Bereich etabliert werden. Zudem hat ein neues Azubi-Café eröffnet. Hier können sich die Azubis aller Jahrgänge treffen, sich privat wie beruflich austauschen, sich Tipps für anstehende Prüfungen geben oder einfach gemeinsam essen und dann die Spielkonsole vor Ort nutzen.
„Ausbildung ist eine Herzenssache, die man nicht einfach nebenbei machen kann. Dazu gehören individuelle Unterstützung und ein offenes Ohr ebenso wie der fachliche Support, flexible Strukturen und eine Unternehmensstrategie, die das manifestiert“, so Tobias Schröder. Dank engagierter Ausbildungsbeauftragter in den Fachbereichen und einer unterstützenden Unternehmensführung können bei der Stadtentwässerung Dresden im Ausbildungsbereich so manche Herausforderung gemeistert und einiges für den Fachkräftenachwuchs getan werden – auch wenn es vielleicht mal ein halbes Jahr länger dauert.
Ansprechpartner
Tobias Schäfer, Leiter Team Nachwuchsprogramme, Stadtentwässerung Dresden (Tobias.Schaefer [at]se-dresden.de)
Zum Unternehmen
Die Stadtentwässerung Dresden ist für die Abwassersammlung und -behandlung in der Landeshauptstadt zuständig und unterhält gut 1.850 Kilometer Kanalnetz. Rund 430 Beschäftigte und 40 Azubis kümmern sich um die Abwasserbehandlung, die Umweltanalytik sowie die Planung und den Bau von Abwasseranlagen. Weitere Informationen zum Unternehmen finden Sie hier.