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Flexstrom: Insolvenzverwalter nimmt Anfechtungsklagen gegen Netzbetreiber zurück

Der Insolvenzverwalter des Flexstrom Konzerns hat zwei Berufungen zu Anfechtungsklagen aufgrund zu geringer Erfolgsaussichten zurückgenommen. Hier wirken sich bereits die gesetzgeberischen Intentionen zur Änderung der Insolvenzanfechtungspraxis aus.

Im laufenden Insolvenzverfahren des Flexstrom Konzerns hat der Insolvenzverwalter zwei Berufungen zu Anfechtungsklagen zurückgenommen, nachdem in den Berufungsverfahren sowohl das OLG Hamm als auch das OLG Celle zu erkennen gegeben haben, dass in den vorliegenden Fällen die insolvenzrechtlichen Anfechtungsansprüche nicht begründet sind. Offenbar wollte der Insolvenzverwalter mit der Berufungsrücknahme verhindern, dass eine abweisende Entscheidung durch die Oberlandesgerichte ergeht. Hier wirken sich bereits die gesetzgeberischen Intentionen zur Änderung der Insolvenzanfechtungspraxis aus, für die sich der BDEW nachdrücklich und erfolgreich eingesetzt hatte.

Mit der Rücknahme der Berufungen erwachsen die für die Netzbetreiber positiven Entscheidungen der erstinstanzlichen Landgerichte Rechtskraft.

LG Detmold und Lüneburg: Netzbetreiber hatte keine Kenntnis von drohender Zahlungsunfähigkeit

Das LG Detmold hatte mit Urteil vom 26. April 2017 (12 O 251/16) – soweit erkennbar als erstes Gericht – über eine Anfechtungsklage des Insolvenzverwalters gegen einen Netzbetreiber entschieden und das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO a. F. verneint. Nach Auffassung des Gerichts liegen in dem betroffenen Einzelfall keine objektiven Umstände vor, aufgrund derer der Netzbetreiber zwingend auf die drohende Zahlungsunfähigkeit der Flexstrom AG hätte schließen müssen. Allein der Umstand, dass Zahlungen der rückständigen Netzentgelte von der Flextrom AG erst nach zweimaliger Mahnung unter Androhung der Liefersperre geleistet wurden, ließe keinen zwingenden Schluss auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit zu. Ebenso wenig könne von der Geltendmachung einer vertraglich vereinbarten Sicherheitsleistung auf die Zahlungsunfähigkeit geschlossen werden, zumal ansonsten ein solches Recht in einer Vielzahl von Fällen ins Leere laufen würde. Schließlich könne auch der Hinweis auf eine besondere Branchenkenntnis des Netzbetreibers bzw. auf die Presseberichterstattung keine zwingende Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit begründen.

In gleicher Weise hatte auch das LG Lüneburg mit Urteil vom 21. Juni 2017 (3 O 241/16) entschieden. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung der vorliegenden Indizien kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass der Netzbetreiber trotz wiederholter Mahnungen von rückständigen Forderungen keine zwingende Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit hatte, da die Zahlungsrückstände seinerzeit nachvollziehbar von der Flexstrom AG mit technischen Schwierigkeiten der Netzentgeltabrechnung begründet wurden. Hinzu kam, dass die Flexstrom AG gegenüber dem Netzbetreiber keinen ständigen Zahlungsrückstand vor sich herschob und die offenen Forderungen schließlich vollständig beglichen worden sind. Vor diesem Hintergrund bewertet das Gericht auch die vom Netzbetreiber angedrohten „Zwangsmaßnahmen“ nicht als massiven Zahlungsdruck, der die Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit begründen könnte. Die Hinweise des Insolvenzverwalters auf die negative Presseberichterstattung hielt das Gericht ebenfalls für nicht ausreichend, um zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit zu schließen.

Positives Signal zur Änderung der Insolvenzanfechtungspraxis

Die Gerichtsentscheidungen ergingen noch auf Grundlage der alten Fassung der Insolvenzordnung, die bekanntermaßen mit Wirkung zum 5. April 2017 unter maßgeblicher Beteiligung des BDEW novelliert wurde. Der BDEW hat erreicht, dass den Insolvenzverwalter höhere Nachweispflichten treffen und die Vereinbarung von Ratenzahlungen nicht pauschal als Kenntnis einer möglichen Insolvenz gewertet wird. Die Gerichtsverfahren zeigen, dass die Rechtsprechung die Gesetzesänderung als Appell des Gesetzgebers verstanden hat, bei der Interpretation der insolvenzrechtlichen Anfechtungstatbestände auch die Belange des Wirtschaftsverkehrs im Auge zu behalten. Insoweit können die Entscheidungen bereits als positives Signal der Rechtsprechung zur Umsetzung der InsO-Novelle verstanden werden.


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