Für das Erreichen der Klimaziele bis 2045 ist nicht nur der konsequente Ausbau Erneuerbarer Energien und Effizienzmaßnahmen erforderlich – auch das Abscheiden, Nutzen und Speichern von Kohlenstoffdioxid (CO2) – auch Carbon Management genannt – wird in vielen Bereichen unverzichtbar sein. Besonders dort, wo Emissionen technisch nicht vollständig vermeidbar sind – etwa in der Industrie oder Abfallwirtschaft – können das Abscheiden und Speichern beziehungsweise Nutzen von CO2 maßgeblich verhindern, dass das Treibhausgas in die Atmosphäre gelangt. Auf diese Weise bleibt der Industriestandort Deutschland weiterhin wettbewerbsfähig. Insbesondere in der Kalk- und Zementindustrie gibt es keine Alternativen zur Dekarbonisierung, da das anfallende CO2 aus dem Prozess und nicht aus der eingesetzten Energie stammt.
Welche Arten von Carbon Management gibt es?
Carbon Management umfasst verschiedene Prozesse im Umgang mit CO2:
CCS bezeichnet die Abscheidung und dauerhafte Speicherung von CO2, zum Beispiel in geologischen Formationen unter dem Meeresboden.
CCU steht für die Abscheidung und industrielle Nutzung von CO2, etwa in der Chemie- oder Baustoffindustrie.
CDR umfasst alle Methoden, die aktiv aus der Atmosphäre CO2 entfernen und dann dauerhaft speichern.
Diese Verfahren leisten einen Beitrag zur Vermeidung von CO2-Emissionen, mit CDR kann der Atmosphäre sogar CO2 entzogen werden, um Emissionen aus anderen Quellen auszugleichen. Mit CCU kann zudem ein CO2-Kreislauf entstehen, in dem CO2 recycelt wird.
Wo gibt es bereits erfolgreiche CCS-Projekte?
Weltweit gibt es mehrere erfolgreiche Projekte zur Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (CCS), die als Vorreiter für den Klimaschutz gelten. Diese Projekte demonstrieren die technische Machbarkeit und das Potenzial von CCS als Instrument zur Reduktion von Treibhausgasemissionen. Diese europäischen Projekte können als Vorbilder für zukünftige Initiativen in anderen Regionen dienen, einschließlich Deutschland:
Seit 1996 betreibt Equinor im Sleipner-Gasfeld das weltweit erste Offshore-Projekt zur CO2-Speicherung. Jährlich werden etwa 1 Million Tonnen CO2 in die Utsira-Formation unter der Nordsee injiziert. Das Projekt gilt als technologischer Meilenstein für die sichere CO2-Speicherung im Meeresboden.
In Island wird mit dem CarbFix-Verfahren CO2 in Wasser gelöst und in vulkanisches Basaltgestein injiziert, wo es innerhalb weniger Jahre zu stabilem Karbonat mineralisiert. Am Hellisheiði-Geothermalkraftwerk werden jährlich etwa 12.000 Tonnen CO2 auf diese Weise dauerhaft gespeichert.
In Dänemark wurde kürzlich ein spezielles Schiff in Betrieb genommen, das jährlich bis zu 400.000 Tonnen CO2 zu einem Speicherort in der Nordsee transportiert, wo das Gas in ehemaligen Öl- und Gasfeldern in 1.800 Metern Tiefe eingelagert wird. Das Projekt soll bis 2030 auf eine Kapazität von acht Millionen Tonnen pro Jahr ausgebaut werden.
Im Rahmen des Longship-Projekts wird CO2 von Industrieanlagen in Norwegen gesammelt und über das Northern-Lights-Projekt in unterirdische Speicher unter dem Meeresboden der Nordsee transportiert. Dies ist eines der ersten grenzüberschreitenden CCS-Projekte weltweit.
Infrastruktur als Grundlage für den Markthochlauf
Damit das Abscheiden und Speichern von Kohlenstoffdioxid skaliert werden kann, müssen Transport- und Speicherinfrastrukturen zügig ausgebaut werden. Deutschland braucht ausreichende CO2-Transportkapazitäten sowie die Anbindung an Offshore-Speicher in der Nordsee.
Der Aufbau dieser Infrastruktur muss auf langfristige Mengenmodelle ausgelegt sein – auch wenn die CO2-Mengen anfangs noch gering sind. Dabei sollten neben Quellen aus industriellen Prozessen auch Negativemissionen, alternative Kohlenstoffbedarfe der Chemie und Zwischenspeicherlösungen mitgedacht werden, um das System flexibel und zukunftssicher zu gestalten.
Keine CO2-Speicherung an Land
Der BDEW spricht sich klar gegen die Speicherung von CO2 an Land aus – angesichts der dichten Besiedlung und geologischer Risiken, sowie zum Schutz des Grundwassers.
Stattdessen sollte auf eine Offshore-Speicherung in der Nordsee gesetzt werden – unter strikter Berücksichtigung der wasserwirtschaftlichen Anforderungen, in enger Abstimmung mit Wasserbehörden und unter Einbindung der örtlichen Wasserversorger, auch beim Bau von Transportleitungen durch Wasserschutzgebiete.
Rolle der Energiewirtschaft bei Carbon Management
Die Energiewirtschaft übernimmt eine zentrale Rolle beim Carbon Management:
- durch ihre Infrastrukturkompetenz im Gasbereich,
- durch mögliche Synergien mit dem H2-Kernnetz,
- und durch ihre Nähe zur Industrie und zu kommunalen Strukturen.
Insbesondere beim Aufbau einer CO2-Transportlogistik kann vorhandene Expertise genutzt werden, um einen effizienten, skalierbaren und sicheren CO2-Kreislauf zu etablieren.
Stromerzeugung und Carbon Management
Für die Erzeugung klimaneutraler Energie bleibt die CO2-Vermeidung über die Nutzung von Wasserstoff und erneuerbare Energien vorrangig. Dennoch kann CCS auch bei Gaskraftwerken zur Stromerzeugung eine ergänzende Rolle spielen, sofern es technisch, wirtschaftlich und infrastrukturell sinnvoll ist. Die Frage der Wirtschaftlichkeit wird stark vom CO2-Preis, den Transportkosten und der Flexibilität der Anlagen abhängen.
Regulatorischer Rahmen: Jetzt Weichen stellen
Damit Carbon-Management-Technologien wirtschaftlich und breit einsetzbar werden, braucht es einen verlässlichen rechtlichen Rahmen – national wie europäisch:
- Abbau regulatorischer Hürden
- Konzepte für die Absicherung des Aufbaus von Infrastruktur wie Speichern und Pipelines
- Förderinstrumente, wie Carbon Contracts for Difference (CCfD), um die Finanzierung der Abscheidungsanlagen abzusichern
- Bilanzierungsregeln für CO2 über den gesamten Lebenszyklus
- Anrechenbarkeit im EU-Emissionshandel (ETS)
- Berücksichtigung technischer Senken und Anreizsysteme für CDR-Projekte (Carbon Dioxide Removal)
Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der europäischen Regulierung, um Doppelstrukturen zu vermeiden und einen funktionierenden CO2-Binnenmarkt zu schaffen.
Europäische Perspektive: CO2-Markt in EU schaffen
Langfristig muss das Ziel ein funktionierender, marktwirtschaftlicher CO2-Markt auf europäischer Ebene sein – mit:
- gegenseitiger Anerkennung von Speicher- und Transportkapazitäten auch über EU-Grenzen hinweg,
- klaren Eigentums- und Haftungsregelungen für grenzüberschreitende CO2-Ströme,
- transparenter Berichterstattung und robustem Monitoring,
- sowie einem klaren Investitionsrahmen über das ETS.
Nur mit einem integrierten Ansatz kann Carbon Management ein dauerhafter Bestandteil der europäischen Klimastrategie werden.
Carbon Management als notwendige Ergänzung zum Ausbau der Erneuerbaren
CCS und CCU sind kein Ersatz für den Ausbau der Erneuerbaren, sondern eine notwendige Ergänzung, um schwer vermeidbare Emissionen zu reduzieren, industrielle Prozesse zu dekarbonisieren und gleichzeitig ein flexibles Energiesystem aufzubauen.
Der BDEW fordert, jetzt die regulatorischen und infrastrukturellen Grundlagen zu schaffen – damit Deutschland beim Thema Carbon Management technologisch anschlussfähig bleibt, industrielle Arbeitsplätze sichert und die Klimaziele erreicht.