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Heißer Herbst für die Stromnetzentgelte

BNetzA-Prozess schreitet voran, BDEW schlägt Weiterentwicklung der Systematik vor.

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© Christoph Hardt / Picture Alliance

 

Wenn sich nichts ändert, werden die durchschnittlichen Stromnetzentgelte sich bis zum Jahr 2045 deutlich erhöhen. Das zeigt eine Studie zur Entwicklung der Netzentgelte von Consentec und Frontier Economics, die im Auftrag des BDEW erstellt wurde. Die Autoren gehen davon aus, dass sich die jährlichen Kosten für das Stromnetz von aktuell rund 30 Milliarden auf über 70 Milliarden Euro im Jahr 2045 ansteigen werden. Gründe dafür sind die steigenden Anforderungen an das Stromnetz, die sich in deutlich höheren Ausbau- und Betriebskosten niederschlagen. Diese Kostensteigerungen schlagen bei den Netzentgelten insbesondere auf die Kunden in der Niederspannung durch: Bis 2045 stellen die Gutachter eine Verdopplung der bundesweiten Durchschnittsentgelte in Aussicht. Um die Kostenanstiege für alle im Rahmen zu halten, sind u.a. Anpassungen an der Netzentgeltsystematik notwendig.

Deshalb kommt auch die von der Bundesnetzagentur (BNetzA) angestoßene Reform der Netzentgeltsystematik Strom zur richtigen Zeit: Im Rahmen des Festlegungsverfahrens „AgNes“ (Allgemeine Netzentgeltsystematik, GBK-25-01-1#3) plant die Große Beschlusskammer Energie, die Stromnetzentgeltsystematik neu aufzustellen. Dieser Prozess soll 2026 abgeschlossen sein, Ende 2028 läuft dann die Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) in Folge des Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde aus. In ihren Überlegungen betrachtet die BNetzA eine breite Palette an Reformoptionen. In einem Diskussionspapier aus dem Mai 2025 skizziert die Behörde u.a. die Einführung von Einspeise- und Speicherentgelten, Anpassungen bei der Zusammensetzung der Entgeltkomponenten, eine Dynamisierung der Entgelte und Änderungen bei der Kostenwälzung als mögliche Reformoptionen. Im Herbst sind weitere Expertenaustauschtermine zu den zentralen Themen der Netzentgeltreform mit relevanten Stakeholdern geplant. Im ersten Quartal 2026 sollen dann konkretisierende Eckpunkte folgen.

BDEW: Netzentgeltsystematik muss überarbeitet werden

Der BDEW hatte sich bereits zuvor zur Weiterentwicklung der Netzentgeltsystematik positioniert. In einem Diskussionspapier vom 7. Mai 2025 stellt der Verband klar: Die aktuelle Systematik bildet die Erfordernisse des Energiesystems von heute und morgen nicht mehr ausreichend ab. So fehlen u.a. sinnvolle Anreize und die Netzkosten werden zunehmend einseitig und losgelöst von der tatsächlichen Kostenverursachung verteilt. Entsprechend sind aus Sicht des BDEW insbesondere Anpassungen bei den Netzentgeltkomponenten erforderlich. Eine stärkere Orientierung an den kostenrelevanten, kW-basierten Komponenten (z.B. durch einen Kapazitätspreis) könnte Anreize für netzdienliche Optimierung und eine gerechte Kostenverteilung besser sicherstellen als die heutige Arbeitspreislogik. Einspeiseentgelte hingegen, wie sie die BNetzA in ihrem Diskussionspapier anspricht, würden hingegen für marktliche Verwerfungen sorgen, ohne dass Mehrwert für die Netznutzer entsteht (siehe auch BDEW-Stellungnahme zum Diskussionspapier der BNetzA vom 1. Juli 2025).

Neuer Zeitplan für die Reform der Industrienetzentgelte und Anpassungen in der EE-Kostenwälzung

Der BDEW hatte stets darauf gedrängt, auch die Reform der Industrienetzentgelte in den AgNes-Prozess zu integrieren. Dieser Forderung kommt die BNetzA nun nach: Ursprünglich wollte die Behörde bis Ende 2025 eine Nachfolgeregelung für die Netzentgeltreduzierungen für die Industrie nach § 19 Abs. 2 StromNEV festlegen BK4-24-027). Nun wird die Reform der Sondernetzentgelte in den AgNes-Prozess überführt. Aus Sicht des BDEW der richtige Schritt: Denn die einzelnen Elemente der Netzentgeltsystematik müssen ineinandergreifen. Eine Betrachtung der Industrienetzentgelt im Rahmen der Gesamtsystematik erhöht die Chance auf konsistente Regelungen.

Am 18. Juli hat die Beschlusskammer 8 der BNetzA auch eine erste Überarbeitung der Regelungen zur EE-Netzkostenwälzung und ein dazugehöriges Festlegungsverfahren eingeleitet (BK8-25-005-A). Seit diesem Jahr sollen mit der Regelung Netzkunden in solchen Netzgebieten entlastet werden, in denen besonders hohe Zusatzkosten durch den Ausbau erneuerbarer Energien bestehen. Nun will die Behörde die Berechnungsmethoden der installierten Erzeugungsleistung fremder, nachgelagerter Netze anpassen, die bei der Ermittlung der betroffenen Netzbetreiber herangezogen wird. Ein Festlegungsvorschlag soll folgen und ab 2027 gelten.

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