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Start-up:

Mit Moos viel los

Auf biologische Weise will das deutsche Start-up „Green City Solutions“ die Luft in Großstädten verbessern.

Illustration Moosbewachsene Sitzbank

© Monika Lourenco / BDEW

Was wirklich schlechte Luft bedeutet, weiß Zhengliang Wu aus Shanghai. Zwar hat der gebürtige Chinese seine Geburtsstadt schon als Kind mit seinen Eltern verlassen. Doch er ist immer noch regelmäßig da, um seine Familie zu besuchen. „Und in China sind die Probleme noch einmal ganz anders als in Deutschland“, sagt Wu. „Vor allem betreffen sie viel mehr Menschen.“

Unter diesem Eindruck hat er gemeinsam mit drei Mitstreitern im Jahr 2014 „Green City Solutions“ gegründet. Das Unternehmen ist angetreten, die Luft in Großstädten sauberer und auch kühler zu machen – und zwar mit Moos. Genauer gesagt: mit Hilfe von 60 mal 80 Zentimeter großen Modulen, die mit Moos bewachsen sind. Nicht mit irgendeiner Art Moos, sondern mit einer Spezialmischung, die das Unternehmen immer weiter verfeinert. Denn der Bewuchs soll möglichst robust sein, damit er auch unter widrigen Umständen lange verwendet werden kann.

Die Module hat „Green City Solutions“ bisher in drei Produkte integriert. In den „CityTree“, der unten eine Sitzbank bietet und oben die Moos-Module trägt. In den „CityBreeze“, wo die Pflanzen-Paneele in einen Werbe-LED-Screen integriert sind. Und in den „WallBreeze“, der als Verkleidungsplatte in Gebäudefassaden integriert werden kann. Allen gemein ist eine Ventilation, die für Luftstrom durch die Moosmatte sorgt, sowie eine wetterabhängige Bewässerung, per Wasseranschluss oder per Tank. Wo möglich, liefern Solarzellen den Strom. Gesteuert wird die Ventilation mittels drahtloser Datenübertragung.

Moos kann eine ganze Menge

Kennengelernt haben sich die Gründer beim Studium an der Technischen Universität Dresden. „Wir haben uns gefragt, wie Stadträume der Zukunft aussehen könnten“, sagt Mitgründer Peter Sänger, der heute der CEO des Unternehmens ist. „Und wie man den Wandel angesichts steigender Temperaturen gestalten könnte.“

Von Sänger – er ist Landschaftsbau-Ingenieur - stammt auch die Idee mit dem Moos: „Wir haben uns auf robuste Pflanzen konzentriert, die eine hohe Luftverschmutzung aushalten“, sagt der Mitgründer. Gerade Moos biete durch seine verwachsene Struktur eine Gesamtoberfläche, die 30-mal so hoch ist wie die bewachsene Fläche - das macht die kompakten Module äußerst effizient. Und: „Moos nimmt alle seine Nährstoffe aus der Luft auf“, sagt Sänger, „ebenso alle Arten von Feinstaub, etwa Rußpartikel.“ Ruß sei noch um ein Vielfaches klimawirksamer als bloßes CO2. Ein Großteil davon werde in dem Moos verstoffwechselt oder von Mikroorganismen abgebaut und anschließend in Biomasse umgewandelt.

Gezüchtet wird an der Berliner Stadtgrenze

Die Matten züchtet das Unternehmen inzwischen in Bestensee, jenseits der südöstlichen Stadtgrenze von Berlin. 25 Mitarbeiter verteilen sich hier auf 23 Vollzeitstellen. „Green City Solutions“ wirbt damit, dass ein einziger „CityTree“ pro Jahr bis zu 355 Kilogramm CO2 und CO2-Äquivalente aus der Atmosphäre hole – immerhin so viel, wie ein durchschnittlicher PKW auf knapp 3000 Kilometern Fahrstrecke ausstößt. Außerdem befeuchte er die Umgebung.

Das Dresdener Institut für Luft- und Kältetechnik ermittelte, dass der „City Tree“ die Luft in einem Meter Abstand um vier Grad Celsius herunterkühlen kann. Eigene Messungen des Unternehmens ergaben sogar einen Temperaturunterschied von acht Grad zwischen der Oberfläche der Moosmatte und benachbarter Vegetation – kühle Brise inklusive.

In der Regel schaffen die Matten das etwa ein halbes bis ein ganzes Jahr lang. Dann werden sie ausgetauscht, die alten Exemplare kommen zurück nach Bestensee, wo sie aufgepäppelt und im Rahmen des Austauschs anderswo wieder eingesetzt werden. „Wir stellen uns flexibel auf die Standorte ein“, beschreibt Sänger. „Auf jeden Fall versuchen wir, unsere Produkte möglichst autark zu gestalten, um große Bauarbeiten bei der Installation zu vermeiden.“

Ebenso vom Standort abhängig sind die Kosten. Kauf oder Miete sind möglich. Das Preisspektrum sei groß, sagt Sänger, Kunden können bereits ab 200 Euro im Monat einsteigen, außerdem können Fördergelder über die KfW oder über regionale Programme beantragt werden.

Werbefinanzierter Klimaschutz

Zu den Kunden von „Green City Solutions“ gehören bis jetzt unter anderem die Telekom, der Paketdienst GLS, Städte wie Heidelberg oder Braunschweig, aber auch Bezirke und eine Schule in London. Inzwischen seien auch Architekten und Projektentwickler aus der Immobilienbranche interessiert, sagt Sänger. Zum einen lasse sich mit den Moos-Modulen bei Mietern punkten. Zum anderen ließen sie sich gezielter einsetzen als zum Beispiel Rankpflanzen, auch wenn man das eigene Produkt nicht in Konkurrenz zu diesen sehe. Man wolle Rankpflanzen nicht die positiven Umweltaspekte absprechen, so das Unternehmen. Jedes grün ummantelte Gebäude habe viele positive Effekte. Aber zum Beispiel wolle nicht jeder seine Fassade komplett begrünen. Die Module bieten mehr Kontrolle über Optik und Auswirkungen auf das Gebäude.



Um weitere Einnahmen zu generieren, betreibt man den „CityBreeze“ mit seinen Displays in Eigenregie und vermarktet die Werbung darauf selbst. „2024 sollen 20 bis 30 solcher Standorte hinzukommen“, erklärt Sänger. „Wir wollen damit so groß werden, dass wir auch für große Werbekunden interessant werden.“

Bisher haben unter anderem ein Investitionsfonds von KfW und Wirtschaftsministerium in das Start-up investiert, außerdem der Investorenclub Companisto und die Investment-Firma des ehemaligen Bahnchefs Heinz Dürr. Über die Größe der Investments und den aktuellen Umsatz möchte „Green City Solutions“ keine Angaben machen. Aber 2024 soll das Jahr sein, in dem das Start-up profitabel wird.

Eins hat man allerdings wieder auf die etwas längere Bank geschoben – auch, wenn es mal einen Teil der Inspiration geliefert hatte: eine Ausdehnung der Aktivitäten auf Asien. „Wir hatten schon einmal einen Versuch in Hongkong gestartet“, sagt Sänger. „Dabei haben wir viel gelernt, aber wir waren damals noch nicht so weit, dass wir unser Engagement dort in größerem Stil hätten ausrollen können.“ Aber man habe wichtige Eindrücke gewonnen. „Das kann später noch kommen.“

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