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Energiewende im Süden:

Chancen und Herausforderungen in Bayern

Dezentrale, technologieoffene und pragmatische Strategie. Ein Gastbeitrag von Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW).

Magazin Zweitausend50 Portrait Hubert Aiwanger

© Robert Albrecht / BDEW

 

Die Energiewende ist eine Jahrhundertaufgabe – und Bayern übernimmt dabei Verantwortung. Unser Ziel ist klar: eine sichere, bezahlbare und nachhaltige Energieversorgung, die gleichzeitig Wertschöpfung in der Region schafft, Arbeitsplätze erhält und unsere starke bayerische Wirtschaft wettbewerbsfähig hält.

Wir haben bereits früh begonnen, auf Erneuerbare Energien zu setzen. Heute stammt über die Hälfte unseres Stromverbrauchs aus regenerativen Quellen – vor allem aus Photovoltaik, Wasserkraft und Bioenergie. Dennoch stehen wir vor großen Herausforderungen: Die Abschaltung der Kernkraftwerke, steigende Strompreise, schleppender Netzausbau und eine schwankende Einspeisung aus Wind und Sonne fordern neue Konzepte und regional angepasste Lösungen.

Dabei verfolgen wir in Bayern eine dezentrale, technologieoffene und pragmatische Strategie. Die Energiewende darf nicht ideologisch geführt werden, sondern muss wirtschaftlich sinnvoll und gesellschaftlich akzeptiert umgesetzt werden.

Bayern geht seinen Weg

Im Bereich Photovoltaik ist Bayern seit Jahren Spitzenreiter in Deutschland. Dabei setzen wir nicht nur auf Dach- und Freiflächenanlagen, sondern treiben auch innovative Konzepte wie Agri-Photovoltaik und Floating-PV voran. Bei der Windenergie holen wir deutlich auf: Seit der Öffnung der 10H-Regel vor über zwei Jahren verzeichnen wir einen starken Anstieg bei Anträgen und Genehmigungen. Den Ausbau der Bioenergie fördern wir gezielt mit maßgeschneiderten Programmen.

So unterstützt das Programm BioWärme Bayern den Bau von Biomasseheizwerken und Wärmenetzen – insbesondere in Kombination mit Solarenergie, Umweltwärme und industrieller Abwärme. Ergänzend dazu fördert das Programm BioMeth Bayern die Errichtung von Biogasaufbereitungsanlagen und Biomethanleitungen als klimafreundliche Alternative zu fossilem Erdgas. Gleichzeitig gilt es, die Akzeptanz der Bevölkerung für neue Projekte zu sichern – etwa durch Bürgerbeteiligung und kommunale Teilhabe.

Chancen nutzen: Innovation, Wertschöpfung, Unabhängigkeit

Als Hightech-Standort mit starker Industrie und forschungsstarken Hochschulen bietet Bayern beste Bedingungen für die Entwicklung neuer Technologien. Insbesondere der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft wird für Bayern zentral – als Speichermedium, als Prozessgas für die Industrie und als Kraftstoff im Verkehrssektor. Mit unserer bayerischen Wasserstoffstrategie fördern wir Produktion, Infrastruktur und Anwendung – mit einem klaren Fokus auf regionale Erzeugung und europäische Kooperationen.

Die Energiewende ist zudem eine Chance, unabhängiger von Energieimporten zu werden. Spätestens seit der Energiekrise infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine ist klar: Energieversorgung ist auch eine Frage der nationalen und regionalen Sicherheit. Deshalb setzen wir in Bayern auf Versorgungssicherheit durch Eigenproduktion und Diversifizierung.

Herausforderungen anpacken: Versorgungssicherheit, Netzausbau, Bürokratieabbau

So groß die Chancen sind, so ernst nehmen wir die Herausforderungen. Ein zentrales Thema ist die Versorgungssicherheit. Bayern war lange auf Kernkraftwerke und fossile Kraftwerke angewiesen – deren Wegfall muss durch eine intelligente Kombination aus Erzeugung, Speicherung, Digitalisierung und Flexibilität kompensiert werden. Deshalb fordern wir unter anderem den Weiterbetrieb bestehender Reservekraftwerke und Investitionen in moderne Gaskraftwerke, die perspektivisch auch mit Wasserstoff betrieben werden können.

Parallel zum Ausbau der Erneuerbaren Energien müssen wir den bedarfsgerechten Netzausbau gekoppelt mit Ausbau von Speichern vorantreiben. Wir brauchen leistungsfähige Verteil- und Übertragungsnetze, und dafür eine beschleunigte Planungs- und Genehmigungspraxis. Deshalb setzt sich Bayern für ein beschleunigtes Planungsrecht auf Bundesebene ein.

Ein drittes Thema, das ich mit Nachdruck verfolge, ist der Bürokratieabbau. Die Energiewende scheitert nicht an Ideen oder Technologien, sondern viel zu oft an überbordenden Vorschriften und langwierigen Verfahren. Wir brauchen nicht das fünfte Haselmausgutachten, sondern praktikable Lösungen.

Realismus, Regionalität, Resilienz

Drei Grundpfeiler prägen die weiteren Schritte bei der Energiewende: Realismus, Regionalität und Resilienz. Realismus heißt, technologieoffen zu denken und keine einseitigen Verbote oder Zielvorgaben zu machen. Es braucht alle Lösungen – nicht nur die, die politisch gerade en vogue sind. Regionalität heißt, die Energieversorgung so weit wie möglich vor Ort zu organisieren: mit regionaler Erzeugung, regionaler Wertschöpfung und einer aktiven Rolle der Kommunen und Bürgerinnen und Bürger. Resilienz heißt, unsere Energieversorgung krisenfest zu machen – durch Diversifizierung, durch Speicherkapazitäten, durch digitale Steuerung und durch strategische Reserven.



Die Energiewende in Bayern ist kein Selbstläufer – aber sie ist machbar. Sie verlangt Mut zur Veränderung, Offenheit für Innovationen und ein klares Bekenntnis zur Versorgungssicherheit. Bayern bringt dafür beste Voraussetzungen mit: technologisches Know-how, engagierte Unternehmen, eine verantwortungsbewusste Bevölkerung – und eine Landespolitik, die die Herausforderungen anpackt, ohne ideologische Scheuklappen.

Hubert Aiwanger (Freie Wähler)

ist seit 2018 bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie sowie stellvertretender bayerischer Ministerpräsident.

 

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