Strahlend gelbe Rapswiesen, sattgrüne Felder, blauer Himmel, weiter Horizont – und Windräder, deren Flügel sich majestätisch drehen: So zeigt sich der ländliche Raum, wenn man im Frühling über die Dörfer fährt. Doch nicht jeder empfindet diesen Anblick als Idyll, manche Anwohner klagen über Geräusche und Schattenwurf – hier und da hängen Anti-Windkraft-Transparente am Gartenzaun. Ähnlich ambivalent zeigen sich die schieren Leistungsdaten der Windbranche. Einerseits konnten die rund 30.000 Windenergieanlagen in Deutschland im vergangenen Jahr gut ein Drittel des erzeugten Stroms liefern. Mit 141,7 Terawattstunden grünen Stroms leistete Wind im Jahr 2024 sogar den größten Beitrag zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Andererseits wurden 2024 – wie auch in den vorherigen Jahren – die Wind-Ausbauziele verfehlt. Statt der im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vorgesehenen 69 Gigawatt (GW) sind erst 63,5 GW installiert. Woran liegt das?
„Vor allem an der Komplexität“, sagt Torsten Levsen. Er ist Vorstandsvorsitzender der Denker & Wulf AG, eines der führenden Unternehmen für Projektierung und Managament von Windparks. „Wer in Deutschland onshore einen Windpark errichten will, der muss vielerlei Interessen berücksichtigen, langfristig planen und einen genauen Überblick darüber haben, wie alle Puzzleteile ineinanderpassen. Und man braucht Geduld.“
Es beginnt mit der Standortwahl: Eine Windenergieanlage rechnet sich nur, wenn sie ausreichend Ertrag liefert. Um dies zu beurteilen, wird zunächst einmal die sogenannte Windhöffigkeit des Standortes untersucht. Sie beschreibt das durchschnittliche Windaufkommen an einem Standort und damit auch seine Eignung zur Nutzung der Windenergie. Es gibt weltweite Windkarten, zum Beispiel den Global Wind Atlas, die grobe Vorabinformationen geben, aber auch Kartenmaterial, das die Bundesländer vorhalten. „Am Ende kommt aber kein Unternehmen daran vorbei, seine eigenen Messungen und Berechnungen vorzunehmen“, sagt Henrike Nagel, Regionalleiterin Mitte bei Alterric, einem der größten europäischen Grünstromerzeuger.
Zwischen Planungshoheit und Naturschutz: Die Suche nach geeigneten Flächen
Nun können Windparks aber nicht überall errichtet werden, sondern vorrangig in sogenannten Wind-Vorrangflächen. Diese werden durch die Regionalplanung festgelegt. Jedes deutsche Bundesland hat ein eigenes Landesentwicklungsprogramm, das Ziele und Grundsätze der Raumordnung verankert. Auf Basis dieses Landesentwicklungsplans werden Regionalpläne entwickelt. Sie beschreiben, wie der öffentliche Raum in den nächsten Jahren entwickelt werden soll. Denn: Grundsätzlich ist der Raum für alle Menschen und Tiere da. Wer plant, Windenergiewerke zu errichten, muss daher gesetzlich vorgeschriebene Abstände unter anderem zu Wohngebieten, Stromleitungen, Naturschutzgebieten und Vogelschutzflächen einhalten. Zusätzlich stellen einige Kommunen Flächennutzungspläne auf, um in die Planung involviert zu sein.
Machbarkeit im Fokus
Damit nicht genug: Vorab muss auch sichergestellt sein, dass am beabsichtigten Standort überhaupt gebaut werden kann: Können geeignete Zufahrtswege für die bis zu 80 Meter langen Rotorblätter geschaffen werden? Und gibt es vor Ort die Möglichkeit, ein Umspannwerk zu errichten, um die Anlage ins Netz einzubinden? Wenn diese Fragen geklärt sind, werden die Eigentümer der Flächen kontaktiert. Hier geht es vor allem um Transparenz und Fairness für alle Beteiligten, sagt Henrike Nagel: „Wir gehen nicht von Tür zu Tür, sondern machen Info-Veranstaltungen mit allen Eigentümern. Vertrauen schaffen wir nur, wenn alle Betroffenen den gleichen Wissensstand haben und es keine Sondervereinbarungen gibt.“ Das bestätigt auch Torsten Levsen: „Entscheidend ist am Ende, dass alle Eigentümer bestmöglich entschädigt werden, auch wenn nicht auf jedem Flächenanteil genau gleich viele Windräder stehen. Je größer der Gesamtertrag des Windparks, desto besser für alle.“
Geben die Flächeneigentümer grünes Licht, folgt eine Phase, in der der Antrag für die Baugenehmigung gemäß Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) vorbereitet wird – und zwar durch eine Vielzahl von Gutachten: Avifauna- und Fledermausgutachten, Schall- und Schattenwurfgutachten, Bau- und Ertragsgutachten, Turbulenz- und Standsicherheitsnachweise sowie der Landschaftspflegerische Begleitplan (LBP). Parallel müssen die Windparkbetreiber in spe Kontakt mit Behörden und Institutionen wie beispielsweise der Bundeswehr aufnehmen: Denn Windparks dürfen natürlich auch nicht Tiefflugstrecken, Radaranlagen und Richtfunkstrecken im Wege stehen.
Sind alle diese Hürden ausgeräumt, wird der Genehmigungsantrag bei der zuständigen Genehmigungsbehörde eingereicht. Der Antrag enthält alle Gutachten und Planunterlagen. In der Folge werden rund 40 Träger öffentlicher Belange – von Naturschutzverbänden über Mobilfunknetzbetreiber, Kommunen bis hin zur Polizei – beteiligt, die ihrerseits Stellungnahmen abgeben, Nachbesserungen und Überarbeitungen einfordern. „Dieser Prozess kann sich bis zu anderthalb Jahre hinziehen“, sagt Henrike Nagel. „Und wenn die Genehmigung endlich erteilt ist, ist einer der wichtigsten Meilensteine erreicht.“
Lange Planung, schneller Bau
Mit den Genehmigungen durch die Behörde können die Windparkbetreiber nun ihr Vorhaben bei der Bundesnetzagentur anmelden, um im Rahmen von Ausschreibungen Förderzuschläge zu erhalten – zumeist die wichtigste Grundlage der Finanzierung des gesamten Projekts. Wenn auch hier nichts mehr im Wege steht, beginnen die Ausschreibungsverfahren für den Bau: Wegebau, Tiefbau, Anlagenlieferung, Sicherstellung der Netzanbindung. Die eigentliche Bauphase dauert dann nur noch rund ein Jahr – während für Planung und Genehmigungsverfahren rund drei bis fünf Jahre einkalkuliert werden müssen.
Hier allerdings hat sich einiges getan, sagt Torsten Levsen: „Die Ampelkoalition hat vieles vorangebracht und entbürokratisiert. Es ist Robert Habeck gelungen, die Behörden zum Mitziehen zu motivieren, vieles ging jetzt in den letzten Jahren merklich schneller.“
Und was ist mit den Transparenten, den Windkraft-Kritikern vor Ort? Henrike Nagel sagt: „Natürlich wird es immer Menschen geben, die wir nicht mitnehmen können. Aber grundsätzlich würde ich sagen: Die Zeit der großen Grabenkämpfe ist vorbei. Die Erneuerbaren sind einfach alternativlos.“ Torsten Levsen ist ähnlich zuversichtlich: „Seit dem Angriffskrieg auf die Ukraine merken immer mehr Menschen, wie wichtig die autarke Versorgung mit Energie wird. Das stimmt mich hoffnungsvoll.“
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