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Konverter:

Anschlussstellen der Stromautobahn

Windkraft aus dem Norden auch im Süden nutzen: Das macht die Energiewende möglich. Wie Konverter dabei helfen.

Illustration Konverter als Schnittstellen für den Transport von Erneuerbarer Energie

© Robert Albrecht / BDEW

Großtechnologie ist Schwerstarbeit: Das beweist die Reise von 13 Transformatoren aus einem Werk in Nürnberg. Je 200 Tonnen wiegt jeder der grauen Kolosse, die in nächtlicher Dunkelheit auf den Binnenfrachter gehoben werden. Mit äußerster Vorsicht und von allen Seiten gesichert bringt er sie auf dem Wasserweg nach Mannheim. Das entlastet Straßenverkehr und Klima. Auch am Ziel sollen die Transformatoren zum Klimaschutz beitragen: als Bestandteile eines Konverters des Übertragungsnetzbetreibers Transnet BW, der im baden-württembergischen Philippsburg im Kreis Karlsruhe entsteht.  

Ereignet hat sich dieser Transport bereits Ende 2022. Seitdem hat sich auf dem Gelände eine Menge getan: Nicht nur die Transformatoren sind geliefert, auch acht Gebäude sind inzwischen gebaut, jedes so groß wie ein überdimensionierter Supermarkt. Ein aufwändiges Projekt – doch gemessen an den Herausforderungen der Energiewende fast schon ein Detail. Denn Konverter wie den in Philippsburg braucht es viele, um die Stromtrassen quer durchs Land umzurüsten. Der wesentliche Unterschied zu früher: Die neuen Stromtrassen werden mit Gleichstrom betrieben, der wiederum an seinen Zielorten in Wechselstrom umgewandelt werden muss – eine Aufgabe für Konverter. Anders gesagt: Auf dem Weg zum Stromnetz der Zukunft sind die Konverter die Nadelöhre, die Schnittstellen.

Windenergie aus dem Norden für Deutschlands industriereichen Süden

Die Umwandlungsstation in Philippsburg ist der Endpunkt der Leitung Ultranet, die Strom aus dem windreichen Norden in den hochindustrialisierten Süden transportiert. Bis vor vier Jahren ragten auf dem heutigen Konvertergelände die beiden Kühltürme eines Kernkraftwerks in den Himmel. Eine von Weitem sichtbare Landmarke – spätestens mit ihrer neuen Nutzung ist die Fläche heute ein denkwürdiges Symbol des Wandels. 2.000 Megawatt soll die neue Leitung in die Region liefern. Das ist so viel, wie früher das Kernkraftwerk produziert hat. „Dafür brauchen wir die HGÜ-Technik (Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung), um die Energie verlustarm über weite Strecken zu transportieren“, sagt Norman Weber, Projektleiter bei TransnetBW. „Und am Anfang und am Ende brauchen wir diese Gleichstrom-Umspannwerke, um den Gleichstrom in Wechselstrom zu transformieren.“

Hightech für die Energiewende

Die Frage: Warum die Umstellung von Wechselstrom zu Gleichstrom mit hohen Investitionskosten? Die Antwort: weil es sich rechnet. Denn Gleichstrom lässt sich deutlich effizienter über die rund 340 Kilometer lange Hochspannungsleitung von Nord nach Süd transportieren. Auf bis zu 40 Prozent Übertragungsverlust schätzen Fachleute den Transfer, wenn er mit Wechselstrom erfolgen würde. Das bedeutet: Wenn an der Küste Schleswig-Holsteins 1.000 Megawatt auf die Reise geschickt würden, kämen nur 600 Megawatt am Ziel an. Zudem lassen sich HGÜ-Leitungen gut steuern, sodass schnell auf große Schwankungen der Energiemengen reagiert werden kann, wie sie durch Windkraft und Photovoltaik entstehen. Im Süden angekommen, wird der Gleichstrom wieder in Wechselstrom umgewandelt, um ihn an die Verbraucher zu verteilen.

Ultranet: Hier verläuft die Trasse

Der Konverter in Philippsburg dient also dem Zweck, den Windstrom in der Region nutzbar zu machen. Dazu setzt Technologiepartner Siemens Energy auf anspruchsvolle Technik. Um das Prinzip von Wechselstrom und Gleichstrom zu verstehen, hilft der Blick auf Alltagsgegenstände: Batterien liefern Gleichstrom. Schließt man sie an einen Stromkreis an, fließen elektrische Teilchen stets in die gleiche Richtung – vom Minuspol zum Pluspol. Ein Fahrraddynamo erzeugt dagegen Wechselstrom. Hier sorgt ein rotierender Magnet dafür, dass die elektrischen Teilchen in einer Kupferdrahtspule permanent ihre Richtung wechseln.

Infografik: Wie funktioniert ein Konverter?

Im Konverter wird aus Wechselstrom Gleichstrom. Dies passiert in Modulen, die in zwei sogenannten Umrichtergebäuden untergebracht sind. Ein Umrichter besteht aus einer Schaltung aus Transistoren, Dioden, Kondensatoren und Spulen – zusammengefasst zu insgesamt fast 6.000 Submodulen. Um den Strom zu wandeln, werden die Transistoren nach genau berechneten Mustern rund 150-mal pro Sekunde ein- und ausgeschaltet. Über diesen Prozess wachen zentrale Steuereinheiten.

Eine Besonderheit der Philippsburger Anlage ist die moderne Vollbrückentechnologie, deren Einsatz im Gigawatt-Bereich deutschlandweit eine Premiere ist. Mit ihr kann der Konverter die Netzspannung regulieren und stabilisieren. Sollte beispielsweise ein Blitzeinschlag in eine Leitung zu Fehlströmen führen, könnte der Konverter für einen schnellen Ausgleich sorgen – und im Notfall sogar den Wiederaufbau des Netzes nach einem Stromausfall unterstützen.

Teuer und kontrovers: Der lange Weg zum Bau

Konverter wie der in Philippsburg entstehen vielerorts in Deutschland. Es wird viele davon geben müssen, damit bis 2030 der Anteil der erneuerbaren Energien auf 80 Prozent steigen kann. Die Bundesnetzagentur geht von Gesamtinvestitionen in Höhe von rund 285 Milliarden Euro aus für den Ausbau der Übertragungsnetze bis ins Jahr 2045. Allein Ultranet kostet die Betreiber etwa eine Milliarde Euro, rund 600 Millionen davon fallen in Philippsburg an.

Bildergalerie: Abriss des Kernkraftwerkes Philippsburg im Jahr 2020

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Der Bau eines Gleichstrom-Umspannwerks erfordert nicht nur Geld, sondern auch Zeit. Jedes Projekt muss ein mehrstufiges Genehmigungsverfahren durchlaufen, das Jahre dauern kann. Dabei soll sichergestellt werden, dass alle Betroffenen Gehör finden. Häufig regt sich Widerstand in der Bevölkerung, den Netzbetreiber wie TransnetBW moderieren müssen. „In Philippsburg wurde (…) die Standortfrage heiß und leidenschaftlich, letztlich auch mit Gründung einer Bürgerinitiative, diskutiert“, sagt Stefan Martus, Bürgermeister der 14.000-Einwohner-Kommune. Ursprünglich standen zwei Standorte zur Debatte, die nur etwa 500 Meter von den nächsten Wohnhäusern entfernt gelegen hätten. Die Bürgerinnen und Bürger sorgten sich vor einer lärmenden Kühlanlage und Gesundheitsgefahren. Der Konverter? In den Augen der Bürgerinitiative ein „Monstrum“.

TransnetBW reagierte auf die Einwände der Bevölkerung mit verschiedenen Maßnahmen. Dazu wurden die Gebäude so angeordnet, dass sie Geräusche dämmen oder abschirmen. Transformatoren und deren Kühlung erhielten zusätzlichen Schallschutz. Zudem wurden das Umrichtergebäude und die Trennerhalle aus elektrisch leitenden Baustoffen gebaut, um als Faradayscher Käfig elektrische Störungen zu minimieren. „Sie hören nichts – da ist nichts zu fühlen, nicht zu spüren“, sagt Projektleiter Norman Weber.



Vorerst liegt das andere Ende der Leitung allerdings nicht an der Nordsee, sondern im nordrhein-westfälischen Osterath. Dort hat der zuständige Übertragungsnetzbetreiber Amprion vor einem Jahr mit den Arbeiten an seinem Konverter begonnen. 2026 soll die Stromleitung nach Philippsburg fertig sein. Schließlich wird Osterath per Erdkabel an das Gleichstromvorhaben „A-Nord“ im norddeutschen Emden angebunden. Bis schätzungsweise 2,4 Millionen Menschen den Strom beziehen können, dauert es also noch.

Bevölkerung und Wirtschaft in Philippsburg sehen die Vorteile aber schon heute: Der Konverter ist ein Standortvorteil – vor allem im Gegensatz zum früheren Kernkraftwerk.

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