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Energiewende:

Abhängig vom Stoff

Die Energiewende braucht Lithium, Kobalt, Seltene Erden. Das schafft Abhängigkeiten. Wie kann man sie managen? 

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© Robert Albrecht/BDEW

Die Atacamawüste in Chile: Hier verdunstet in flachen, fußballfeldgroßen Becken hellgrünes Wasser langsam in der Sonne. Es ist Grundwasser, das Bergbau-Unternehmen aus dem Boden an die Oberfläche pumpen und das eine lithiumhaltige Sole enthält. Die nach der Verdunstung zurückbleibende Sole wird später zu Produktionsanlagen gebracht, wo das Lithium abgeschieden wird.

Lithium ist ein begehrter Stoff – vor allem, weil es für Akkus gebraucht wird. Sollen die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens erreicht werden, so rechnet die Internationale Energieagentur damit, dass die Nachfrage bis 2040 gegenüber 2020 vervielfachen könnte. Bereits 2030 erwarten Experten einen weltweiten Mangel. 

Das ist gut für diejenigen, die liefern können. Und weniger gut für die, die den Stoff brauchen. „Die Primärförderung von Lithium stellt ein Oligopol dar. Das Angebot wird aktuell von zwei Ländern bestimmt. So stellten Australien und Chile knapp 75 Prozent der globalen Bergwerksförderung im Jahr 2020“, beschreibt Michael Schmidt, der die Lage für die Deutsche Rohstoffagentur DERA analysiert hat.

Die Agentur ist bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe angesiedelt. Sie kümmert sich seit 2010 unter anderem um das Monitoring bei kritischen Rohstoffen und berät die Industrie zu diesem Thema. Dabei ist Lithium bei weitem nicht der einzige Rohstoff, bei dem Deutschland von einem oder wenigen Lieferländern abhängig ist: Beryllium, Antimon, Silizium, Kobalt, Wolfram, Platin – im Jahresgutachten des Sachverständigenrats der Bundesregierung finden sich noch viele weitere Stoffe.

Rohstoffe werden zunehmend zum Druckmittel

Der Ukrainekrieg hat dem Thema noch einmal eine neue Dynamik verschafft: Seit Russland Öl und Gas als Druckmittel einsetzt, um geopolitische Ziele zu erreichen, machen sich Politik und Wirtschaft noch einmal mehr Gedanken um Diversifizierung, Versorgungssicherheit und Absicherung. „Rohstoffe sind kein Selbstläufer mehr“, beschreibt Wolfram Axthelm, der Geschäftsführer des Bundesverbands Windenergie. 

Neben Lithium und noch einigem anderen mehr ist es vor allem Neodym, auf das die Windenergiebranche für die Magneten in den Generatoren der Windräder angewiesen ist. Der Stoff gehört zu den so genannten „Seltenen Erden“ – von denen stammen laut DERA 69 Prozent aus chinesischem Boden.

Ähnlich problematisch stellt sich die Situation dar, wenn man sich die Weiterverarbeitung ansieht: Raffinadeprodukte aus Seltenen Erden werden zu 86 Prozent in China erzeugt. „Nur China kann bislang die Seltenen Erden in industriellem Maßstab und zu vertretbaren Kosten trennen“, erklärt Peter Buchholz, der Leiter der DERA. Auch bei Lithium sei die Lage derzeit noch kritisch, beschreibt Buchholz: „China saugt einen Großteil der Primärproduktion aus dem Bergbau auf und verarbeitet diesen im Land weiter. Vor allem für die heimische Akku-Produktion.“

Freie Marktwirtschaft hat Grenzen

Lange Jahre glaubte man in Deutschland  wie auch beim russischen Gas, man könne das Thema „Rohstoffe für die Energiewende“ dem Spiel der marktwirtschaftlichen Kräfte überlassen. Doch in den letzten Jahren setzte ein Umdenken ein. Ablesen kann man das an der „Nationalen Energiestrategie“, die erstmals 2010 von der damaligen Bundesregierung beschlossen wurde. So wurden in der ersten Fassung von 2010 staatliche Eingriffe beim Einkauf oder der Bevorratung von Rohstoffen noch abgelehnt.

In der Fortschreibung von 2020 liest sich das anders – und erst recht in einem Eckpunktepapier des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, das im Januar 2023 veröffentlicht wurde: Unter den Maßnahmen, die hier genannt werden, sind unter anderem der Ausbau der Rohstoffgewinnung in Deutschland und Europa, etwa durch Bergbau. Außerdem die Unterstützung von Unternehmen beim Lagern von strategisch wichtigen Stoffen -sowie der Aufbau internationaler Partnerschaften im Rohstoffbereich. Auch die Entwicklung neuer Verfahren und Technologien zu Recycling oder zum Ersatz kritischer Stoffe findet sich unter den Punkten im Papier. Schließlich auch ein Fonds zur Erhöhung der Produktionskapazitäten im In- und Ausland. 

Wie machen es andere Länder?

In Sachen staatliche Investitionen im Rohstoffbereich sehen manche ExpertInnen Japan als Vorbild. Das Land wurde bereits 2010 von China aus politischen Gründen mit einem Exportverbot für Seltene Erden belegt. In der Folge wurde ein Fonds aufgelegt, der sich direkt in den Bergbau in aller Welt einkauft. So investierten die staatliche „Japan Oil, Gas and Metals National Corporation“ und ein privater Partner in ein australisches Unternehmen, das so als Ersatzlieferant für Seltene Erden aufgebaut wurde. Außerdem gibt es eine staatliche Reserve für wichtige Rohstoffe, Dokumentationspflichten für private Importeure – und seit 2021 sogar ein eigenes Ministerium für Wirtschaftssicherheit

„Was Seltene Erden angeht, gibt es genug Rohstoffvorkommen weltweit, geologisch besteht kein Mangel. Es gibt viele Projekte, die Kapital suchen“, beschreibt DERA-Leiter Buchholz. „Aber man muss den Aufbereitungsprozess beherrschen.“ Das Problem bei der Erschließung neuer Lagerstätten sei außerdem der lange Vorlauf. „Das dauert zehn bis 15 Jahre“ so Buchholz. Vielen Investoren sei das zu riskant, da sich der Markt bis zum Beginn der Produktion schon völlig verändert haben könne. 



Solche Investitionen könne der Staat aber mit Bürgschaften, Krediten oder einen eigenen Rohstofffonds flankieren, um die Dinge voranzubringen, skizziert der Leiter der DERA. Parallel beobachtet er, dass sich Unternehmen seit einiger Zeit auch selbst darum bemühen, ihre Lieferbeziehungen zu diversifizieren und sich sogar direkt bei Produzenten einkaufen. „Die DERA empfiehlt feste Lieferverträge über längere Zeiträume oder Minderheitsbeteiligungen (5-10 Prozent), die sich im Fall des Falles ausweiten lassen.“ 
Und eins betonen sowohl Buchholz als auch Wolfram Axthelm, der Geschäftsführer des Windenergie-Verbands: Recycling muss eine viel größere Rolle spielen als bisher. „Wir können es uns nicht leisten, wertvolle Rohstoffe auf der Deponie zu entsorgen“, sagt Axthelm. 

Kreislaufwirtschaft und neue Technologien

In Zukunft soll daher schon bei der Produktion von Magneten deren Wiederverwendung mitgedacht werden, Pilotanlagen zum Recycling existieren bereits. Insgesamt stellt Axthelm staatlich geförderter Forschung und Entwicklung zu solchen Themen ein gutes Zeugnis aus: „Bei den Fraunhofer-Instituten läuft viel, es kommt sehr viel dabei heraus. Das ist sehr hilfreich für uns.“

Und zu guter Letzt könnte Forschung auch dazu beitragen, einen anderen Engpass zu entschärfen: Große Hoffnungen verbinden sich mit einer neuen Generation Akkus, in denen Natrium das Lithium ersetzt. Natrium wiederum ist in vielen Ländern der Erde verfügbar, eine große Marktmacht einiger weniger ist nicht zu befürchten. 

Seltene Stoffe durch weniger seltene zu ersetzen ist eine von vielen Optionen. Recycling oder die Erschließung alternativer Vorkommen sind weitere – jeder kritische Rohstoff wird wohl seine eigene Strategie dazu brauchen, wie sich Abhängigkeiten verringern lassen. Aber immerhin existiert inzwischen ein Bewusstsein für das Problem - und es gibt Ansätze, wie man ihm begegnen kann. 

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