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Energiebranche: Investieren trotz

Rezession und Schuldenbremse

Wie die Energiebranche in den Strukturwandel und die Technologien für das Energiesystem der Zukunft investiert.

Illustration Wärmepumpe und PV-Anlage vor Euromünze

© Robert Albrecht / BDEW

Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft ist schlecht. Die Wachstumsprognose der Bundesregierung liegt in diesem Jahr bei 0,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Private Finanzinstitute rechnen sogar mit einer Schrumpfung. Die Energiewirtschaft ist jedoch weiter auf Wachstumskurs. Schließlich muss der Ausbau der Erneuerbaren in großen Schritten vorangehen. Um die Klimaziele der Bundesregierung zu erreichen, sind allein bis 2030 Investitionen von mehr als 700 Milliarden Euro erforderlich.

Leistung für 4.000 Elektroautos

Ein Beispiel für ein aktuelles Großprojekt im Bau ist der 220-Megawatt-Batteriespeicher, den RWE in Neurath und Hamm errichtet. 140 Millionen Euro investiert das Unternehmen in 690 Blöcke mit Lithium-Ionen-Batterien. Sie werden künftig zum Beispiel eingesetzt, um Schwankungen im Stromnetz sekundenschnell auszugleichen. Damit sind sie ein Schlüssel für eine zuverlässige Stromversorgung. Hinsichtlich Größe und Technologie setzt das Unternehmen mit dem entstehenden Batterie-Großspeicher in Neurath und Hamm europaweit Maßstäbe. 

Der Batteriespeicher soll noch in diesem Jahr Regelenergie zur Stabilisierung des Stromnetzes bereitstellen. Seine Spitzenleistung kann er über eine Stunde lang erbringen. Theoretisch genug, um rund 4.000 Elektroautos aufzuladen. Finanziert werden Investitionen wie diese aus dem Programm „Growing Green“ des Essener Unternehmens. 55 Milliarden Euro will RWE bis 2030 weltweit in Offshore- und Onshore-Wind, Solarenergie, Speicher, flexible Erzeugung und Wasserstoffprojekte investieren und so ihr grünes Portfolio um mehr als 30 Gigawatt ausbauen. „20 Prozent unserer gesamten Investitionsmittel in den kommenden sieben Jahren setzen wir in unserem Heimatmarkt Deutschland ein. Das sind rund elf Milliarden Euro netto“, so RWE-CEO Markus Krebber

Rund 80 Prozent der Investitionen und Dividenden werden aus dem Cashflow des operativen Geschäfts finanziert. RWE setzt aber auch auf Fremdkapital. Anfang April dieses Jahres standen grüne Anleihen mit einem Nominal-Volumen von über neun Milliarden Euro aus. Insgesamt lag die Nettoneuverschuldung des Unternehmens Ende 2023 bei 6,6 Milliarden Euro. Regina Wolter, Pressesprecherin bei RWE: „Eine wichtige Steuerungsgröße ist für uns das Verhältnis Nettoschulden zum bereinigten EBITDA des Kerngeschäfts. Dafür haben wir uns eine Obergrenze gesetzt, die sich aktuell auf 3,0 beläuft – und Ende 2023 mit 0,9 deutlich unter dieser Marke lag.“ Künftig dürfte der Wert jedoch deutlich höher ausfallen. Grund seien die geplanten Wachstumsinvestitionen.

Erhebliche Mengen an Fremdkapital notwendig

Seine Ausgaben in die grüne Transformation steigert auch Energieversorger E.ON kräftig. Bis 2028 will das Unternehmen europaweit 42 Milliarden Euro investieren. 25 Milliarden Euro davon sollen ins deutsche Verteilnetz fließen: Gemäß den klimapolitischen Zielen der Bundesregierung müssen in den nächsten sechs Jahren rund drei Millionen Photovoltaik-Anlagen, 2.000 Windparks, eine Million Wärmepumpen und etwa zwei Millionen Ladepunkte für Elektroautos ans deutsche E.ON Netz gebracht werden. Neben den Investitionen in den Ausbau der Stromnetze treibt das Unternehmen die Digitalisierung voran und investiert in Energieinfrastrukturlösungen, um Kunden aus Industrie, Städten und Kommunen bei der Dekarbonisierung zu unterstützen. Für die Messe Berlin stellt E.ON zum Beispiel die Kälte- und-Wärmeversorgung bis 2025 auf klimafreundliche Technologien um. Auch digitale Technologien wie ein intelligentes Monitoring aller Gebäude und Hallen auf dem Messegelände gehören dazu.

E.ON setzt dabei auf externe Finanzierung. Susanne Weitz, Senior Vice President Group Finance bei E.ON: „Trotz solider finanzieller Basis lassen sich diese Milliardeninvestitionen nicht vollständig aus dem internen Cash-Flow darstellen. Für die Energiewende benötigen wir erhebliche Mengen an Fremdkapital." Aktuell stehen bei E.ON grüne Anleihen in Höhe von rund 14 Milliarden Euro aus. Die ökonomische Nettoverschuldung, inklusive Pensions-und Rückbauverpflichtungen, betrug Ende 2023 37,7 Millionen Euro. Das Verhältnis der ökonomischen Nettoverschuldung zum bereinigten Konzern-EBITDA lag mit 4,0 dennoch deutlich unter der Schwelle des Unternehmens von bis zu 5,0.

„Um unsere Investitionen in die Energiewende wie geplant umzusetzen, werden wir bis 2028 im Mittel rund zwei Milliarden Euro zusätzliches Fremdkapital pro Jahraufnehmen“, so Weitz. „Langfristig müssen wir deshalb nicht nur in Europa, sondern international Investoren anwerben.“ Die Politik müsse dafür angemessene Rahmenbedingungen schaffen. „Wir brauchen für das Verteilnetz stabile Einnahmen und eine angemessene regulatorische Eigenkapitalverzinsung, die sich an den weltweiten Kapitalmärkten orientiert – sowohl für Investitionen in neue als auch in Bestandsanlagen.“

Bis zu 16 Milliarden für die grüne Transformation bei EWE

Und auch bei der norddeutschen EWE stehen die Zeichen auf Ausbau. Das Unternehmen sieht in den nächsten zehn Jahren bis zu 16 Milliarden Investitionspotenzial für die Energiewende und die Digitalisierung – das wäre eine Verdreifachung des Investments. Größtes Investitionsprojekt des Oldenburger Unternehmens ist aktuell die Clean Hydrogen Coastline. Kostenpunkt 800 Millionen Euro. EWE will in dem Projekt grünen Wasserstoff produzieren, verteilen, speichern und handeln. Der Aufbau der norddeutschen Wasserwirtschaft funktioniert jedoch nicht ohne Subventionen. Im Februar gab es nach einigen Jahren Wartezeit endlich grünes Licht von der EU: Das Projekt darf gemeinsam mit anderen Projekten von Bund und Ländern gefördert werden – ein Meilenstein für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft. EWE-Chef Stefan Dohler: „Mit der EU-Fördergenehmigung und der nationalen Förderung steht jetzt der Rahmen für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft im Nordwesten. Er ist ein zwingend notwendiger Schritt für das Gelingen einer klimaneutralen Energiezukunft.“

Investitionen in den Speichermarkt

Auf den wachsenden Speichermarkt setzt auch Statkraft. Im sachsen-anhaltinischen Zerbst soll ab 2025 ein Solarpark mit 16-MW-Großspeicher die ersten Megawattstunden ins Netz einspeisen. 50 Millionen nimmt das norwegische Unternehmen dafür in die Hand. „Investoren erwarten eine zunehmende Wertsteigerung flexibler Leistung“, sagt Claus Urbanke, Vice President Wind, Solar & Storage Development.



Künftig will das Unternehmen jährlich zwischen 300 und 500 Megawatt Wind-, Solar- und Speicherkapazität in Deutschland in Betrieb nehmen. Bis 2030 ist insgesamt rund eine Milliarde Euro dafür eingeplant. Investitionen, die Statkraft unter anderem durch Unternehmensanleihen auf Konzernebene finanziert. Projekte von Tochtergesellschaften, zum Beispiel von Betreiber von Wind- und Solarparks, werden zu 100 Prozent über Eigenkapital und interne Darlehen abgebildet. Urbanke: „Ziel ist es, den Verschuldungsgrad so zu steuern, dass unser langfristiges Rating von A- bei Standard and Poors und BBB+ bei Fitch erhalten bleibt. Das bedeutet für uns in Deutschland: Wir können nur in konkurrenzfähige Projekte investieren.“ „Langfristige Planungssicherheit und ein klarer Regulierungsrahmen sind viel wichtiger als kleinteilige und spezifische Fördermaßnahmen“, so Urbanke.

Vier Unternehmensbeispiele, die trotz schlechter Stimmung in der Wirtschaft zeigen: Fremdkapital ist für die Energiewende in Deutschland unverzichtbar. Damit der Ausbau der grünen Energie für internationale Investoren attraktiv ist, muss die Bundesregierung das passende Investitionsumfeld schaffen.

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