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Finanzagentur:

Die Schuldenmacher des Staates

Für seine Investitionen in allen Bereichen braucht der Bund viel Geld. Wo leiht er sich das?

Illustration Auktion von Staatsanleihen

© Robert Albrecht / BDEW

Die Spur führt nach Frankfurt am Main. Nicht in das Bankenviertel mit den imposanten Hochhäusern, sondern an den Stadtrand: In einem unscheinbaren Bürogebäude im Stadtteil Niederursel befindet sich die Bundesrepublik Deutschland - Finanzagentur GmbH. Alleiniger Gesellschafter ist der Bund, vertreten durch das Bundesministerium für Finanzen. Rund 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind dort beschäftigt. Ihre Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass der Bund immer bei Kasse ist, fällige Zinsen bedient und alte Schulden zurückzahlt. Die Finanzagentur sorgt dafür, dass auf dem Girokonto der Bundesrepublik bei der Deutschen Bundesbank immer genügend Geld ist. Für kurze Zeit darf es auch mal ins Minus rutschen, doch am Ende des Tages muss es immer ausgeglichen sein.

Die Finanzagentur beschafft die notwendigen Milliarden und ist quasi die offizielle Schuldenmacherin des Staats. Entscheidend hierbei: Die Schulden müssen zu vernünftigen und transparenten Konditionen gemacht werden. Deshalb haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Kosten und Risiken immer im Blick, die sich durch Zinsschwankungen ergeben können. Konkret heißt das: Kredite werden - gleichmäßig verteilt - über kurze, mittlere und lange Laufzeiten aufgenommen. Sie können sich von einem Jahr auf bis zu 30 Jahre erstrecken.

Schulden machen per Auktion

Fakt ist: Die Bundesregierung gibt mehr Geld aus, als sie durch Steuern und Gebühren einnimmt. Deshalb muss sie Schulden machen. Dazu werden Wertpapiere verkauft, die der Bund ausgibt. Seit 2020 sind auch „grüne“ Papiere darunter. Mit ihrem Verkauf will der Bund Investitionen im Bereich Klima-, Umwelt- und Naturschutz finanzieren. Die Erlöse sollen z. B. in den Ausbau des Schienen- und Radwegenetzes oder in die Forschung zu Energieeffizienz und grünem Wasserstoff fließen. Bei der Auswahl der Investments orientiert sich der Bund an internationalen Marktstandards, etwa den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen oder den Green Bond Principles der International Capital Market Association (ICMA).

Ob grün oder nicht: Käuferinnen und Käufer solcher Wertpapiere leihen dem Staat damit Geld. Im Gegenzug verpflichtet er sich, den Kredit zu einem festgelegten Zeitpunkt einschließlich Zinsen zurückzuzahlen. Regelmäßig finden bei der Finanzagentur Auktionen statt, um Bundeswertpapiere zu versteigern. Dazu gehören Bundesschatzanweisungen, die nach zwei Jahren fällig werden, Bundesobligationen mit einer Laufzeit von fünf Jahren und vor allem Staatsanleihen, sogenannte „Bundesanleihen“. Sie haben eine Laufzeit von mindestens sieben und höchstens 30 Jahren und machen etwa 60 Prozent der Schulden des Bundes aus.

Die Auktionstermine veröffentlicht die Finanzagentur auf ihrer Webseite. Sie bestimmt auch, welche Kreditinstitute der Bietergruppe angehören. Die ausgesuchten Banken können online innerhalb einer bestimmten Zeit ein Gebot abgeben. Der Höchstbietende erhält den Zuschlag. Wann er das geliehene Geld zurückbekommt und zu welchem Zinssatz, ist in jeder Anleihe festgelegt. Im Jahr 2023 fanden 127 Auktionen statt, 32 Banken aus dem In- und Ausland nahmen daran teil. Etwa 500 Milliarden Euro flossen so in die Bundeskasse.

Bundesanleihen sind international sehr gefragt. Denn sie gelten als sichere Geldanlage. Der Grund dafür: Dass Deutschland seine Schulden nicht zurückzahlen kann, erscheint Investoren unwahrscheinlich. Schließlich stufen die weltweit einflussreichsten Ratingagenturen Moody’s, Standard and Poor’s und Fitch Deutschlands Kreditwürdigkeit als sehr hoch ein. Ihre Bewertung schwankt zwischen „AAA“ und „Aaa“. Die Skala reicht bis D. In der Eurozone schneiden nur noch die Niederlande und Luxemburg ähnlich gut ab. Je besser die Bonität eines Landes ist, desto weniger Zinsen fallen an.

Ein Beispiel: Im August 2023 musste Italien aufgrund einer schlechteren Bonitätsnote (BBB) 3,6 Prozent Zinsen für neue Staatsanleihen zahlen, Deutschland dagegen nur 3,1 Prozent. Dennoch muss der Bund inzwischen rund 40 Milliarden Euro pro Jahr für Zinsen auf Wertpapiere aufbringen. Mit dem Kauf von Bundesanleihen lässt sich zudem Geld verdienen: Nicht nur durch die reinen Zinsen, die der Bund darauf zahlt. Wer sie ersteigert, kann sie nämlich auch an der Börse verkaufen.

Gläubiger sitzen im Ausland

Bundesanleihen können jederzeit ihre Besitzerin oder ihren Besitzer wechseln. Pensionsfonds, Versicherungsunternehmen, Investmentfonds oder Zentralbanken nutzen die Möglichkeit, sie zu kaufen. Aber auch bei Privatpersonen sind sie beliebt. Deutschland hat somit viele verschiedene Gläubiger. Derzeit ist das Land mit knapp 2,5 Billionen Euro verschuldet. Davon entfallen etwa 1,7 Billionen allein auf den Bund, der Rest auf Länder, Kommunen, Gemeinden und Sozialversicherungen.



Wer zu den Gläubigern gehört, lässt sich nur schwer sagen. Denn Personen, Banken oder Institutionen, die Bundesanleihen halten, werden nicht registriert. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen kam 2021 zu dem Ergebnis, Bundesanleihen würden vor allem von ausländischen Zentralbanken und Staatsfonds gehalten. Macht sich Deutschland damit erpressbar und womöglich abhängig von sogenannten Schurkenstaaten? Tammo Diemer, Geschäftsführer der Finanzagentur, wiegelte in einem Interview mit der Zeitung „Die Welt“ ab: „In einem funktionierenden Kapitalmarkt hat ein Staatsanleihegläubiger, egal ob In- oder Ausländer, letzten Endes kein nachhaltiges Druckmittel gegenüber dem Staat. Die Titel verschaffen ihm auch keine Stimmrechte im Parlament, egal wie groß sein Anteil ist.“

Und solange es Banken im In- und Ausland gibt, die bereit sind, deutsche Staatsanleihen zu kaufen, droht keine Gefahr, dass dem Bund das Geld ausgeht und er seinen finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann. Derzeit ist es sogar besonders attraktiv, dem deutschen Staat Geld zu leihen. Höhere Renditen locken Anlegerinnen und Anleger, Anleihen zu kaufen. Für den Bund heißt das: Die Auktionen laufen gut und bringen mehr Geld ein als erwartet. 440 Milliarden Euro soll der Verkauf von Bundeswertpapieren 2024 einbringen. Offenbar wird in Frankfurt-Niederursel ein guter Job gemacht.

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