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Unternehmenspleiten:

Denkwürdige deutsche Desaster

Überschuldung, Managementfehler – oder einfach nur Pech? Fünf Beispiele für große Unternehmenskonkurse.

Fünf berühmte deutsche Unternehmenspleiten

© Robert Albrecht / BDEW

Erfolg oder Misserfolg, Senkrechtstart oder Absturz - wer ein Unternehmen gründet, begibt sich auf eine Reise ins Ungewisse. Wenn es gut geht, winken Ruhm und Reichtum – und wenn nicht, die Insolvenz oder sogar eine Haftstrafe. Die Zahl der Fallstricke, über die Unternehmer stolpern können, ist groß. Die Ursachen und Auslöser für Pleiten und Konkurse sind so vielfältig wie die Unternehmen selbst: vom schlechten Timing über einen überstürzten Expansionskurs bis hin zu schwerem Management-Versagen. Wir blicken auf fünf berühmte Beispiele aus Deutschland.

In die Röhre geschaut: Die Kirch-Mediengruppe

Die Kirch-Gruppe war ein deutsches Medienunternehmen, das in den 1980er- und 1990er-Jahren von Leo Kirch aufgebaut wurde. Sie war bis zu ihrer Insolvenz im Jahr 2002 der zweitgrößte deutsche Medienkonzern nach Bertelsmann. Die Hauptgründe für den Konkurs waren hohe Verschuldung und Überexpansion: So erwarb die Kirch-Gruppe in kurzer Zeit eine Vielzahl von Medienunternehmen, darunter den Pay-TV-Sender Premiere (später Sky Deutschland), aber auch die Übertragungsrechte für Filme und Sportveranstaltungen.

Insbesondere für die Ausstrahlung von Bundesligafußball wurden exorbitante Summen gezahlt, die durch Einnahmen aus Werbung und Pay-TV bei weitem nicht gedeckt werden konnten. Da die Expansion größtenteils über Kredite finanziert wurde, war eine erhebliche Verschuldung die Folge. Hinzu kam die Rezession der frühen 2000er-Jahre: Die Werbeumsätze gingen weiter zurück. Durch die starke Fokussierung auf das Fernsehgeschäft fehlten außerdem alternative Einkommensquellen, um die finanzielle Stabilität zu gewährleisten. Am Ende stand ein Schuldenberg von rund fünf Milliarden Euro - und die Pleite.

Auf Sand gebaut: Holzmann

Das Bauunternehmen Philipp Holzmann AG wurde bereits 1849 gegründet. Mehr als 150 Jahre später kam im Jahr 2002  die Insolvenz – wofür es eine Vielzahl von Gründen gab: Zum einen hatte das Unternehmen mit erheblichen Verlusten aufgrund von Fehlkalkulationen und Problemen bei der Abwicklung von Großprojekten im In- und Ausland zu kämpfen.

Zum anderen verschärfte in Deutschland die Baukrise der späten 1990er-Jahre die Situation.  Doch auch bei der Buchführung muss es erhebliche Unregelmäßigkeiten gegeben haben. So musste der neu angetretene Vorstandsvorsitzende Heinrich Binder am 15. November 1999 eine Überschuldung „aus bisher unentdeckten Altlasten“ in Höhe von 2,4 Milliarden DM bekanntgeben. Noch im gleichen Jahr weigerten sich die Banken, dem Unternehmen weitere Kredite zu gewähren. Ein Rettungspaket zur Sanierung des Unternehmens auf Initiative des damaligen Kanzlers Gerhard Schröder (SPD) gewährte Holzmann noch eine Gnadenfrist, doch die Sanierung scheiterte im März 2002 endgültig.

Schlecht sortiert: Schlecker

Eigentlich war er gelernter Metzgermeister, erfolgreich wurde er aber mit „Nonfood“: Anton Schlecker eröffnete 1975 im schwäbischen Kirchheim unter Teck seine erste Drogeriefiliale und legte damit den Grundstein für ein echtes Imperium: Bis zum Jahr 2008 konnte er europaweit mehr als 15.000 Schlecker-Filialen installieren, verlor in der Folge jedoch zunehmend den Blick für die Entwicklungen des Markts.

Kritiker monierten schon damals die kleinen, wenig ansprechenden Läden mit einem begrenzten Sortiment. Zeitgleich kämpfte das Personal vor Ort mit einer veralteten Warenwirtschaftsinfrastruktur und desolaten Arbeitsbedingungen. In der Folge blieb die Kundschaft aus und die Klagen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern häuften sich. Auch für die Presse war das Schlecker-Missmanagement ein gefundenes Fressen. Am Ende fehlte die Liquidität: Schlecker konnte seine Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen. Das Unternehmen wurde im März 2012 für zahlungsunfähig erklärt.

Zu flach gebohrt: FlowTex

Die FlowTex Technologie GmbH & Co. KG, 1994 im badischen Ettlingen gegründet, hatte sich offiziell auf den Vertrieb sogenannter Horizontalbohrmaschinen zur Verlegung unterirdischer Leitungen spezialisiert. In Wirklichkeit handelte es sich jedoch bereits zu Beginn um ein Unternehmen mit betrügerischen Absichten: Denn nur 270 der Bohrmaschinen gab es tatsächlich, „verkauft“ wurden jedoch mehr als 3.000.

Wie das? FlowTex veräußerte die immergleichen Maschinen an Investoren und leaste sie sofort wieder zurück. Auf diese Weise konnten die Investoren den Marktbedarf für eine Kreditfinanzierung bei ihren Banken nachweisen – und Flowtex die Maschinen ungestört mehrfach „veräußern“. Um zu verdecken, dass nicht einmal ein Zehntel der Bohrsysteme wirklich existierte, fälschten die FlowTex-Gesellschafter unter anderem die Seriennummern auf den Zulassungsschildern der Bohrgeräte. Letztlich brachten portugiesische Ermittler das System zu Fall.

Sie deckten 1999 auf, dass ein spanisches Maschinenbauunternehmen schon seit Jahren nicht mehr existierte, dem Flowtex jedoch angeblich 1.553 Bohrmaschinen geliefert haben sollte. Die vier Haupttäter erhielten Freiheitsstrafen von insgesamt 58 Jahren, der angerichtete Schaden wurde von der Staatsanwaltschaft mit 4,9 Milliarden DM beziffert.


Zu viel versprochen: Arcandor

Arcandor war ein deutscher Großkonzern. Bei der Gründung 1999 hieß das Unternehmen noch KarstadtQuelle AG, denn es entstand aus einer Fusion der bis dato getrennt operierenden Handelsunternehmen. Kurz danach kam die New Economy – sie veränderte das Einkaufs- und Bestellverhalten der Kundschaft dramatisch und für immer. Die KarstadtQuelle AG hielt viel zu lange am stationären Handel und am Katalog-Versandgeschäft fest, was das Unternehmen zunehmend durch Umsatzeinbrüche in Schieflage brachte.

2005 wurde Thomas Middelhoff auf Bitte der Quelle-Erbin und Großaktionärin Madeleine Schickedanz Vorstandschef. Er versprach einen Neuanfang, verpasste dem Unternehmen den Namen „Arcandor“ und rief für die zwischenzeitlich auf sieben Euro abgesackte Aktie ein Kursziel von „40 plus x“ auf. Dazu verkaufte er 73 Warenhäuser an den britischen Finanzinvestor Dawnay Day und Immobilien für 3,7 Milliarden Euro an einen Fonds. So entschuldete sich das Unternehmen zunächst erfolgreich. Doch dann versagte seine aggressive Expansionsstrategie: Der damit verbundene enorme Kapitalbedarf traf auf fehlende Profitabilität in immer mehr Geschäftsbereichen – ein Rennen, das Middelhoff am Ende nicht gewann. Die AG ist heute in Liquidation, die Aktie gibt es allerdings immer noch: als Pennystock. Bedeutet: Für einen Euro können sich mutige Spekulanten gleich 200 Stück sichern.


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