Eine Flatrate für den Energieverbrauch

Eine Flatrate für das Smartphone? Normal. Aber auch in einem anderen Bereich hätten Kunden es gern einfach und flexibel: eine definierte Pauschale bezahlen und dann in diesem Rahmen Strom und Gas verbrauchen, wie sie wollen.

Viele Kunden interessieren sich nicht für die Kosten der einzelnen Kilowattstunden. Sondern dafür, dass die Wohnung warm ist und das Licht brennt. Kann ihnen die Energiebranche ein Angebot machen? Von Uli Dönch

Geldsack

Jeder kennt sie: die Flatrate fürs Handy. Man zahlt pauschal. Und telefoniert oder surft so viel, wie es der Vertrag erlaubt. Also warum gibt es das nicht auch für den Energieverbrauch – eine Flatrate für Strom oder Gas? Allein die Tatsache, dass sich die Experten schon seit Jahren die Köpfe zerbrechen, zeigt: Es gibt keine einfache Lösung. Der Energiemarkt ist viel komplexer als die Telekommunikation. Ein einziger Festpreis für eine unbegrenzte Menge Energie, unabhängig von Uhrzeit und Netzauslastung? Das dürfte nicht funktionieren. Wenigstens heute noch nicht. Und morgen? Durch die Energiewende ändert sich vieles: Aus wenigen großen Stromproduzenten werden viele kleine, Energie wird dezentral und flexibel erzeugt. Experten sprechen von einem Paradigmenwechsel – weg von der nachfrageorientierten Erzeugung, hin zum angebotsorientierten Verbrauch. Denn die Kunden, Industrie und Haushalte, werden ihren Markt selbst gestalten. Sie kaufen Strom günstig ein, versorgen sich selbst, analysieren ihr Verbrauchsverhalten und speichern oder verkaufen sogar Energie.

Wenn es für den Energieverbrauch eine Flatrate gäbe, dann gäbe es maßgeschneiderte Pakete: Die Energiekonzerne können genau das anbieten, was die Kunden sich wünschen: eine günstige Einsteiger-Flatrate („flexible Preisfenster“), eine komfortable Versorgungsleistung (im Umfang begrenzt) oder ein Rundum-sorglos-Paket. Wer mehr möchte, bezahlt auch mehr.

Die Energiewende beeinflusst auch die Faktoren, die den Strompreis bilden – feste und variable Kosten. Durch den Umstieg auf Erneuerbare Energien bleiben (fast) nur noch Festkosten für Produktionsanlagen, Energienetze und das Vorhalten von Reserveleistung übrig. Die variablen Kosten der Energieerzeugung verschwinden fast komplett. Denn Sonne und Wind schicken keine Rechnung, wie ein Buchbestseller titelte. Diese grundlegend neue Kalkulation („Arbeitspreisfreie Welt“) ist das Kernargument der Flatrate-Befürworter. Nach ihrem Szenario würde der Kunde im Prinzip nur noch die Fixkosten bezahlen, nicht aber den frei und im Überfluss vorhandenen Strom aus Erneuerbaren Energien – die Grundgebühr wäre der Gesamtpreis. Dr. Holger Wiechmann von der EnBW Vertrieb GmbH: „Die Flatrate wird kommen müssen, weil die variablen Kosten der Energieproduk­tion verschwindend gering werden und wir daher immer mehr kostenlose Flexibilität bekommen.“

Wenn es für den Energieverbrauch eine Flatrate gäbe, dann ließe sich der Preis leichter berechnen: Bei einer Flatrate berechnet der Versorger den Kunden nur noch seine Fixkosten. Die variablen Kosten entfallen fast vollständig, da Sonne und Wind nahezu kostenlos Strom produzieren. Die Stromkunden zahlen vor allem für den Service, Energie zu beziehen, nicht mehr für den reinen Verbrauch. Alles wird zusammen – je nach individueller Vereinbarung – in definierten Paketen angeboten.

Kritiker dieses Konzepts bezweifeln jedoch, dass eine allumfassende Flatrate funktioniert: Wenn der Kunde nur eine monatliche Servicepauschale bezahle, bestehe das Risiko des übermäßigen Verbrauchs oder gar des Missbrauchs. Eine echte „Rundum-sorglos-Flatrate“ wäre hingegen viel zu teuer. Die Energiebranche denkt daher intensiv über Flatratevarianten und Einsteigermodelle nach: Einzelne Dienstleistungen könnten zu Teilflatrates werden, so etwa zu einer „Flat­rate Wärme“ oder einer „Flatrate Licht“. Oder: Der Flatratekunde darf Teile seines Bedarfs nur zu gewissen Zeiten abrufen. Das könnte Anreize schaffen, Strom dann zu verbrauchen, wenn er günstig und im Überfluss vorhanden ist. Oder: Die Flatrate hat eine Obergrenze. Sie könnte Missbrauch verhindern und die Kunden dazu bewegen, in eigene Speicher zu investieren.

Wenn es für den Energieverbrauch eine Flatrate gäbe, dann würden die Kosten fairer verteilt: Die Netzbetreiber bauen wegen der Energiewende neue Strom- und Gas­leitungen. Diese Investitionen müssen alle Verbrauchergruppen mittragen. Eine Flat­rate, die diese Kosten über den Grundpreis abdeckt, wäre gerecht.

Diese Gedankenspiele lösen aber nicht das Kernproblem der Stromnetzbetreiber. Sie müssen das Netz in den nächsten Jahren massiv erweitern – wer bezahlt für Ausbau, Instandhaltung und Nutzung? Torsten Knop von der RWE Deutschland AG: „Eine Flatrate, die unabhängig von der Nutzung der Netze erhoben würde, wäre nicht gerecht.“ Eine faire Lösung könne darin bestehen, einen höheren Grundpreis für das Stromnetz zu erheben und darüber nachzudenken, welche Netzkapazitäten sich für eine Flatrate eignen könnten. „Dann könnte ich mir vorstellen“, so Knop, „für das Netz Flat-Elemente zu entwickeln, die es dem Vertrieb ermöglichen, für die Kunden Flatprodukte zu kreieren.“

Wenn es für den Energieverbrauch eine Flatrate gäbe, dann bekämen die Kunden mehr Einfluss: Das Prinzip einer Flatrate versteht jeder. Einmal bezahlen, flexibel nutzen. Doch die Kunden von morgen sind mehr als Konsumenten. Sie erzeugen selbst Energie, speichern sie und bestimmen durch ihr Verhalten den Endpreis von Strom und Gas immer stärker mit: Als Verbraucher weichen sie hohen Preisen aus, nutzen sie aber als Energieproduzenten.

Uli Dönch ist Wirtschaftsexperte und arbeitet als freier Autor. Davor leitete er das Wirtschaftsressort des Nachrichtenmagazins FOCUS.

Suche