Welche Bedeutung haben Stromspeicher für die Energiewende in Deutschland?
Stromspeicher sind ein zentrales Element für das Gelingen der Energiewende. Das Stromversorgungssystem übernimmt eine zunehmend systemische Schlüsselrolle, da immer mehr Bereiche – von Mobilität über Wärme bis hin zu industriellen Prozessen – auf strombasierte Lösungen umgestellt werden.
Diese Elektrifizierung erfolgt entweder direkt durch den Einsatz von Strom aus Erneuerbaren Energien oder indirekt über sogenannte Sektorkopplungstechnologien. Dazu gehören zum Beispiel:
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Wasserstoff, der als langfristig speicherbare Energiequelle fossile Gase ersetzen kann,
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Großwärmepumpen,
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Power-to-Heat-Anwendungen,
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sowie Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) auf Wasserstoffbasis.
Stromspeicher ermöglichen es, wetterbedingte Schwankungen bei der Stromerzeugung aus Wind und Sonne auszugleichen. Dadurch erhöhen sie die Versorgungssicherheit und unterstützen den stabilen Betrieb des Stromnetzes – ein echter Hebel für den Erfolg der Energiewende.
Auch gesetzlich wird diese Relevanz anerkannt: § 11c des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) stellt klar, dass Stromspeicher im überragenden öffentlichen Interesse stehen und der öffentlichen Sicherheit dienen. Um dieser Schlüsselrolle gerecht zu werden, müssen regulatorische Hürden abgebaut, bestehende Lücken im Gesetz geschlossen und Verfahren zur Planung und Genehmigung von Speicheranlagen beschleunigt werden.
Warum sind Speicher für die Netzstabilität wichtig?
Stromspeicher leisten bereits heute einen essenziellen Beitrag zur Netzstabilität – und das über alle Größenordnungen hinweg. Sie übernehmen zentrale Systemdienstleistungen (SDL) für den stabilen Netzbetrieb, darunter:
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Regelleistung zur Frequenzhaltung,
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Spannungshaltung,
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Blindleistungskompensation,
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sowie die Schwarzstartfähigkeit.
Mit dem zunehmenden Anteil volatiler Erneuerbarer Energien im Strommix wird ihre Rolle noch wichtiger: Stromspeicher puffern Energieüberschüsse aus Windkraft- und Photovoltaikanlagen und speisen den Strom bedarfsgerecht wieder ins Netz ein. So helfen sie, kurzfristige Ungleichgewichte zwischen Stromerzeugung und Stromnachfrage auszugleichen – und reduzieren gleichzeitig Preisspitzen an den Strommärkten.
Ein weiteres zentrales Thema: die faire regulatorische Behandlung gespeicherter Energie. Da gespeicherte Kilowattstunden mehrfach durch das System laufen können, unterliegen sie oft wiederholt den Entgelten, Abgaben und Umlagen für Letztverbraucher. Diese Mehrfachbelastung ist ineffizient und muss durch eine zielgerichtete Anpassung der Regelwerke verhindert werden, um Stromspeicherung wirtschaftlich attraktiver zu machen.
Welche Arten von Energiespeichern gibt es?
In Deutschland kommen vor allem zwei Technologien bei stationären Energiespeichern zum Einsatz: Pumpspeicherkraftwerke (PSW) und Batteriespeicher.
Während Batteriespeicher in den vergangenen Jahren stark ausgebaut wurden – insbesondere zur Integration von Photovoltaik-Anlagen im privaten und gewerblichen Bereich – stellen Pumpspeicherkraftwerke nach wie vor den größten Teil der verfügbaren Speicherkapazität im Stromsystem. Sie dienen als bewährte Technologie zur Speicherung großer Energiemengen und spielen insbesondere bei der Lastverschiebung und Netzstabilisierung eine tragende Rolle.
Dank ihrer schnellen Reaktionszeiten und Flexibilität gewinnen moderne Batteriespeicher jedoch zunehmend an Bedeutung – sowohl für dezentrale Anwendungen als auch im industriellen Maßstab.
Wie entwickelt sich die Technologie der Stromspeicher?
Die Bedeutung und der Bedarf an Stromspeichern nehmen im Zuge der Energiewende kontinuierlich zu. Das zeigt auch der Netzentwicklungsplan Strom 2037/2045 der Bundesnetzagentur (BNetzA). Um die deutschen Klimaschutzziele zu erreichen, wird das Stromsystem der Zukunft maßgeblich auf eine hohe installierte Speicherkapazität angewiesen sein.
Nach den Szenarien des Netzentwicklungsplans sollen in Deutschland bis zu:
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11,7 GW Pumpspeicherkraftwerke,
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44 GW Großbatteriespeicher und
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75 GW PV-Batteriespeicher
verfügbar sein. Während die Pumpspeichertechnik bereits über eine hohe installierte Leistung verfügt, müssen viele der geplanten Batteriespeicheranlagen noch errichtet werden – insbesondere im Bereich großskaliger sowie dezentraler PV-Heimspeicher.
Nach Berechnungen des BDEW beträgt die aktuell verfügbare Speicherkapazität aller Pumpspeicherkraftwerke in Deutschland rund 140 GWh. Diese Anlagen bleiben ein zentraler Baustein für die Versorgungssicherheit und Netzstabilität, während neue Speichertechnologien zunehmend ergänzende Aufgaben übernehmen.
Wie sind die politischen Rahmenbedingungen?
Der Ausbau von Stromspeichern in Deutschland wird derzeit durch mehrere regulatorische Hemmnisse gebremst. Drei zentrale Handlungsfelder der Energiepolitik stehen dabei im Fokus.
- Rechtliche Definition und Gleichstellung der Stromspeicherung
Im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) existiert bislang eine Regelungslücke: Zwar definiert Paragraf 3 Nr. 15d den Begriff „Energiespeicheranlage“, doch beschränkt sich dessen Wirkung auf Entflechtungsregelungen. Es fehlt jedoch eine eindeutige energierechtliche Definition des Speicherprozesses innerhalb des Stromversorgungssystems – getrennt von Erzeugung, Übertragung, Verteilung und Letztverbrauch.
Diese Abgrenzung ist notwendig, um Stromspeicherung diskriminierungsfrei im Sinne der EU-Strombinnenmarktverordnung (BMVO, Art. 18) und der Strombinnenmarktrichtlinie (BMRL, Art. 15) zu behandeln. Speicher müssen wie andere Flexibilitätsoptionen behandelt und Doppelbelastungen bei Abgaben und Umlagen vermieden werden.
- Baurechtliche Klarstellung für Speicheranlagen
Das Baugesetzbuch (§ 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB) erlaubt Bauvorhaben im Außenbereich nur unter bestimmten Voraussetzungen. Es sollte daher explizit klargestellt werden, dass auch Anlagen zur Speicherung von Strom, Wärme oder Wasserstoff unter diesen Paragraphen fallen. Nur so kann die baurechtliche Zulässigkeit von Speicherprojekten sichergestellt und beschleunigt werden.
- Planungssicherheit und Investitionsanreize schaffen
Für bestehende, begonnene und neue Speicherprojekte ist eine verlässliche Planungssicherheit unerlässlich. Die zur Zwischenspeicherung aus dem Netz entnommene Energie darf dabei nicht benachteiligt gegenüber Erzeugung oder Letztverbrauch behandelt werden.
Dazu braucht es:
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Eine Entfristung und Technologieneutralität der Freistellung von Netzentgelten nach § 118 Abs. 6 EnWG
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Eine Überarbeitung der Regelungen zu Baukostenzuschüssen, um netzdienliche Speicherallokationen gezielt zu fördern
Nur mit klaren rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen kann der dringend benötigte Speicherausbau für die Energiewende beschleunigt werden.
Zu weiteren Handlungsfeldern bezieht der BDEW in seiner Stellungnahme zur Stromspeicherstrategie des Bundeswirtschaftsministeriums Position.
Wie haben sich die Preise für Akkus entwickelt?
Ein zentraler Treiber für den Boom von Batteriespeichern ist der deutliche Kostenrückgang bei Lithium-Ionen-Akkus in den letzten Jahren. Zwischen 2013 und 2023 sind die Preise pro Kilowattstunde Speicherkapazität um mehr als 75 Prozent gesunken – von rund 649 US-Dollar im Jahr 2013 auf nur noch 152 US-Dollar im Jahr 2023.
Dieser Preisverfall hat Batterielösungen wirtschaftlich attraktiv gemacht – sowohl für private Haushalte als auch für gewerbliche und industrielle Anwendungen. Die sinkenden Kosten sind maßgeblich auf Skaleneffekte, technologische Fortschritte und effizientere Produktionsprozesse zurückzuführen.
Damit leisten Batterien einen zunehmend wichtigen Beitrag zur Flexibilisierung des Stromsystems und zur Integration erneuerbarer Energien.
Blick ins Ausland: Die Vorreiter bei der Stromspeicherung
Kalifornien hat eine Gesamtbatteriespeicherkapazität von rund 13,4 GW, wovon 11,5 GW auf Großbatteriespeicher entfallen (Stand Oktober 2024). Im Jahr 2018 waren es noch 500 MW, 2045 sollen es 52 GW sein. In Kalifornien zeigt sich sehr deutlich der Effekt, dass Gaskraftwerke zur Bewältigung der Abendpeaks von Batteriespeichern verdrängt werden können und sich damit die maximale Residuallast reduziert. Die Residuallast ist die Strommenge, die nicht durch erneuerbare Energien gedeckt wird und deshalb von anderen Kraftwerken übernommen werden muss.
Texas hat ebenfalls einen steilen Anstieg in der installierten Großbatteriespeicherkapazität verzeichnet – von 124 MW im Januar 2020 auf 5,7 GW im September 2024. Weitere 12,4 GW an Großbatteriespeichern sind in Planung bzw. Umsetzung, womit Texas Kalifornien überholen wird. Der Zubau in Kalifornien ist laut New York Times vorwiegend staatlich getrieben. In Texas hingegen sind es vor allem der marktwirtschaftliche Anreize, die den Zubau forcieren. Laut Aurora Energy Research (2024) haben Großbatteriespeicher in Texas allerdings den entgegengesetzten Effekt auf Gaskraftwerke im Vergleich zu Kalifornien: Sie befördern die Marktteilnahme von Gaskraftwerken statt diese zu verdrängen. Grund dafür sei, dass Systemdienstleistungen wie Frequenz- und Spannungshaltung von Batteriespeichern übernommen werden, welche bislang von Gaskraftwerken bereitgestellt wurden. Diese Gaskraftwerke sind damit von der Vorhaltung von Kapazität für Systemdienstleistungen entbunden und bieten die freigewordenen Kapazitäten wieder auf dem Energy-only-Markt (EOM) an.
Australien ist von den drei Case-Studies am nächsten an Deutschland bezüglich der Gesamtkapazität existierender Großbatteriespeicher sowie der Dominanz von Heimspeichern. Stand Oktober 2024 verfügt Australien über 1,7 GW Großbatteriespeicherkapazität, zusätzliche 7,8 GW sind derzeit im Bau – bis 2035 sollen es 18,5 GW werden. Die australische Regierung hilft bei dieser Entwicklung mit mehreren Fördermechanismen nach. Ihr erklärtes Ziel ist es, die alten Kohlekraftwerke durch Groß- bzw. Megabatteriespeicher an den existierenden Standorten zu ersetzen – ein Gedanke, den auch das Fraunhofer ISE für Deutschland ins Spiel gebracht hat. Wie sich der massive Zubau der Speicher tatsächlich auf die Erzeugerlandschaft in Australien auswirken wird, bleibt jedoch noch abzuwarten.
Stromspeicher: Das Multitool der Stromversorgung
Ein idealer Stromspeicher nimmt Erzeugungsüberschüsse auf, noch bevor sie ins Netz eingespeist werden, und entlastet dadurch aktiv das Stromnetz. Die gespeicherte Energie kann dann bedarfsgerecht wieder eingespeist werden – etwa in Zeiten hoher Netzlast oder geringer Erzeugung aus erneuerbaren Quellen.
Wie systemdienlich Großbatteriespeicher tatsächlich sind, hängt maßgeblich von ihrer Standortwahl und insbesondere ihrer Betriebsweise ab. Laut einer im Jahr 2024 veröffentlichten Studie des Übertragungsnetzbetreibers TenneT ist eine gleichmäßige Verteilung von Speichern entlang des Übertragungsnetzes besonders vorteilhaft für die Netzstabilität.
Batteriespeicher leisten heute mehr als nur den Ausgleich der Volatilität von Wind- und Solarstrom. Neben klassischen Systemdienstleistungen wie Frequenzhaltung, Spannungsstützung, Blindleistungskompensation und Schwarzstartfähigkeit, zeichnen sie sich besonders in der Bereitstellung von Primärregelleistung aus. Sie können innerhalb von Millisekunden auf Frequenzabweichungen reagieren und tragen so wesentlich zur Stabilisierung des Stromnetzes bei.
Darüber hinaus besitzen Batteriespeicher das Potenzial, netzstabilisierende Kraftwerke teilweise zu ersetzen, indem sie die Massenträgheit rotierender Generatoren künstlich nachbilden. Diese Fähigkeit verschafft dem Stromsystem wertvolle Zeit, um bei Störungen Reserven zu mobilisieren, Kurzschlussströme bereitzustellen und die Netzspannung zu regulieren.
Batteriespeicher sind damit echte Multitools der Energiewende – flexibel, schnell und vielseitig einsetzbar für eine sichere und stabile Stromversorgung der Zukunft.