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Redispatch 2.0: Optimierung und Weiterentwicklung der Prozesse erforderlich

Die am Redispatch 2.0 beteiligten Marktakteure stoßen bei der branchenweiten Umsetzung der Prozesse auf unvorhergesehene Schwierigkeiten. Die Bilanzierung bei den Pilottests wird zunächst ausgesetzt. Der BDEW prüft aktuell mit den Unternehmen, welche Schritte notwendig sind, um eine sichere Umsetzung der Prozesse durch alle Marktteilnehmer zu erreichen. 
 

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© Bohbeh / Shutterstock

Ziel des Redispatch 2.0 ist ein gesamtwirtschaftlich optimiertes Engpassmanagement und im Zuge dessen eine stetige Verbesserung des Informations- und Datenaustauschs, des Bilanzkreisausgleichs sowie der Abrechnung auf Grundlage neu zu implementierender Prozesse. Zu diesem Zweck sollen nach dem Willen des Gesetzgebers alle Netzbetreiber und alle konventionellen, erneuerbaren und KWK Erzeugungsanlagen ab 100 kW sowie alle sonstigen Anlagen, die durch einen Netzbetreiber fernsteuerbar sind, einbezogen werden. Die Erfahrungen der letzten Monate zeigen allerdings, dass die beteiligten Marktakteure bei der branchenweiten Ausführung auf unvorhergesehene Schwierigkeiten stoßen. Der BDEW prüft aktuell, welche Optimierungen vorgenommen werden können, um eine sichere Umsetzung zu gewährleisten.

Umsetzung in der Praxis 
Das System des Redispatch 2.0 beinhaltet für alle betroffenen Akteure viele neue Elemente und ist ohne Zweifel äußerst komplex. Es gilt unter anderem verlässliche Lastflussprognosen zu erstellen, in den Netzgebieten Daten für Redispatchpotenziale bereit zu stellen und Abrufanforderungen über mehrere Netzebenen und unter Einbeziehung der Anlagenbetreiber prozessual zu verarbeiten und umzusetzen. Der BDEW hat zur Unterstützung der Unternehmen eine Reihe von Unterlagen  bereitgestellt, in denen erläutert wird, wie einzelne Aspekte zu verstehen bzw. in der Praxis anzuwenden sind. Angesichts der Komplexität hat der BDEW zudem einen mit der Bundesnetzagentur (BNetzA) und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) abgestimmten Weg für einen gesicherten Einstieg in den Redispatch 2.0 ausgearbeitet (siehe hierzu ausführlich BDEW-News-Beitrag vom 20. September 2021 sowie vom 22. September 2021). Teil dieser Lösung war ein Testbetrieb der Zielprozesse zur praktischen Erprobung. 

Nachdem die BNetzA in ihrer Mitteilung Nr. 8 zum Redispatch die Übergangslösung des BDEW begrüßt hat (siehe auch BDEW-News-Beitrag vom 14. Februar 2022), hat sie  in ihrer Mitteilung Nr. 9 auf die verbleibenden Herausforderungen hingewiesen. Hierin führt die Regulierungsbehörde unter anderem aus, dass die Erfassung der Stammdaten der betroffenen Anlagen sowie die elektronische Kommunikation mit den Einsatzverantwortlichen und den Lieferanten nicht den Abdeckungsgrad erreichen, der für einen reibungslosen Start des bilanziellen Ausgleichs durch den Netzbetreiber erforderlich ist. Dies sei problematisch, da dadurch die Information des Netzbetreibers über bevorstehende Redispatch-Maßnahmen nicht sicher den betroffenen Bilanzkreisverantwortlichen erreicht. Dies stelle ein Risiko für die Systembilanz dar, wenn Redispatch-Maßnahmen doppelt bilanziell und energetisch ausgeglichen würden – sowohl vom anfordernden Netzbetreiber als auch vom Bilanzkreisverantwortlichen. Insoweit sei der Übergang des bilanziellen Ausgleichs auf den Netzbetreiber trotz erfolgreichen Abschlusses von Tests so lange ausgeschlossen, wie Gründe der Systemsicherheit entgegenstehen. 

Bedauerlicherweise konnten in ersten Pilottests die aufgetretenen Schwierigkeiten nicht so gelöst werden, dass die erforderliche Systemsicherheit jederzeit gewährleistet ist. Die effektive Einbindung vieler neuer Akteure, die Resilienz der IT-Prozesse und die Qualität der Bilanzierungsprozesse sind noch nicht ausreichend. So stellte sich für einige Marktakteure insbesondere die Datenaufbereitung teils herausfordernder dar als erwartet. Erschwerend kamen Verzögerungen bei der Auslieferung und Programmierung notwendiger Software hinzu sowie eine aufgrund der hohen Komplexität begrenzte Verfügbarkeit geeigneter Dienstleister. Zusätzliche Herausforderungen liegen in der Implementierung der Datenaustausche, der Qualität von Prognosen und Planungsdaten und in daraus resultierenden Abweichungen zwischen physikalischer Umsetzung und der Ermittlung der bilanzierungsrelevanten Ausfallarbeit. 

Übertragungsnetzbetreiber vermeiden Risiken für die Systemsicherheit
Für die sichere Einführung des bilanzierten Redispatch an der Schnittstelle zwischen Übertragungsnetz und Verteilernetz haben die Übertragungsnetzbetreiber Pilottests auf Grundlage der Mitteilung Nr. 8 der BNetzA durchgeführt. Dabei hat sich gezeigt, dass Risiken für die Systembilanz nicht gänzlich ausgeschlossen werden können. 
Hat ein Verteilernetzbetreiber den operativen Test im Sinne der Mitteilung Nr. 8 zwar erfolgreich absolviert, bestehen aber Gründe der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems, die einen Start oder eine Fortführung des bilanziellen Ausgleichs durch den Netzbetreiber nach Einschätzung der Übertragungsnetzbetreiber zunächst ausschließen, kann der bilanzielle Ausgleich so lange nicht durchgeführt werden, bis die Ursachen hierfür behoben worden sind. Dementsprechend wird die Bilanzierung durch die an verschiedenen Pilotprojekten beteiligten Verteilernetzbetreiber unter Bezugnahme auf die Mitteilung Nr. 9 der BNetzA ab dem 1. August 2023 zunächst ausgesetzt (siehe auch Mitteilung der Übertragungsnetzbetreiber vom 7. Juli 2023 auf ihrer gemeinsamen Internetseite).

Optimierung und Weiterentwicklung der Prozesse
Redispatch 2.0 ist ein sehr komplexes Digitalisierungsprojekt mit einer Fülle beteiligter Akteure und zahlreichen Anlagen im Bereich der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien (EE), in Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) sowie auf konventioneller Basis (laut Marktstammdatenregister über 120.000 Anlagen mit einer Leistung von mehr als 100 kW). Auch nach den Erfahrungen des Pilotbetriebs zeigt sich, dass die Prozesse weiterentwickelt werden müssen, so wie dies bereits in BDEW-Fachgruppen diskutiert wird. Das Ziel muss ein system-, planungs-, prozess- und innovationssicherer Redispatch 2.0, der schnell und flächendeckend umsetzbar ist. Noch in diesem Sommer wird der BDEW der BNetzA einen gemeinschaftlichen Lösungsvorschlag vorlegen. Dieser zielt insbesondere auf Verbesserungen des bilanziellen Ausgleichs, eine Verringerung der Komplexität und praktikablere Prozesse ab.

In der Branche besteht wertschöpfungsübergreifend Einigkeit darüber, dass für eine zeitnahe, sichere und branchenweite Umsetzung des Redispatch 2.0 weitere Schritte notwendig sind. Die Energiewende ist das größte nationale Digitalisierungsprojekt aller Zeiten. Es wird gelingen, wenn alle beteiligten Marktakteure an einem Strang ziehen und bereit sind, gemeinsam zu lernen. Das unterstützt der BDEW ausdrücklich, mit großem Engagement der beteiligten Mitgliedsunternehmen. Denn es ist im Interesse aller, Redispatch 2.0 sicher umzusetzen.

Es gilt die Mitteilung Nr. 9 der BNetzA
Solange der bilanzielle Ausgleich nicht durch den Anschlussnetzbetreiber durchgeführt werden kann, ist dieser weiterhin durch den betroffenen Bilanzkreisverantwortlichen des Lieferanten auszuführen. Den finanziellen Ausgleich der hierfür entstehenden Aufwendungen trägt der Netzbetreiber. Die Kosten können von dem Netzbetreiber in die Netzentgelte gewälzt werden, wenn dieser nachweist, dass ihn kein Verschulden hierfür trifft.

Der BDEW empfiehlt allen Anschlussnetzbetreibern, die einen bilanziellen Ausgleich für Maßnahmen des Redispatch 2.0 gemäß § 13a Abs. 1a EnWG nicht leisten können, die Bilanzkreisverantwortlichen an ihrem Netz fortlaufend entsprechend zu informieren und mögliche gemeinsame Lösungen miteinander abzustimmen. 

Weitere Informationen
Weitere Informationen zu den notwendigen Veränderungen, Aufgaben und Prozessen erhalten Sie im Rahmen des BDEW-Informationstags „Redispatch 2.0 - Herausforderungen und Erfahrungen der Netz- und Anlagenbetreiber“ am 21. September 2023, online. Gegenstand sind zahlreiche Umsetzungsfragen, mit denen sich Netzbetreiber, Direktvermarkter oder Anlagenbetreiber täglich beschäftigen müssen. 
 

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