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Batteriespeicher:

Energie auf Abruf

Batteriespeicher zeigen: Die Zukunft der Energieversorgung wird nicht nur grün – sie wird auch groß.

Illustration Großbatteriespeicher als Puzzleteil der Energiewende

© Robert Albrecht / BDEW

 

Die gefällten Bäume sind abtransportiert, das braune Gestrüpp der Felder gerodet. Mit klarem Blick schaut Florian Antwerpen auf seine Baustelle in Alfeld, gut fünfzig Kilometer südlich von Hannover. Viel Grün, wenige Menschen. Über Antwerpen strecken sich die Strommasten des angrenzenden Umspannwerks, hinter ihm die abfallenden Hänge der Alfelder Berge. Eigentlich schön hier. Doch Antwerpen, Schutzhelm und Sicherheitskleidung, blickt in die andere Richtung: auf das gelbe Ballett aus Baggern und Raupen vor ihm. Zigtausende Tonnen an Erde haben die Maschinen ausgehoben und planiert – damit diese fast 10.000 Quadratmeter große Fläche eben wird. Denn nur auf festem und ebenerdigem Grund können die 40 Tonnen schweren Batteriecontainer sicher stehen und die Grundlage für ein ganzes Projekt bilden: den Großbatteriespeicherpark Alfeld.

Speicher für eine neue Zeit

Seit März dieses Jahres schuften Arbeiter daran, ein Feld für das nächste Puzzleteil der Energiewende vorzubereiten: Großbatteriespeicher. Bis 2026 soll hier ein Batteriepark mit 137,5 Megawatt Leistung und 275 Megawattstunden Speicherkapazität entstehen – genug, um eine Million Haushalte für rund acht Stunden zu versorgen, rein physikalisch betrachtet. Zu Zeiten der Planung hätten diese Dimensionen ausgereicht, um Alfeld den Platz als Europas größter Großbatteriespeicher zu sichern.  Da sich die Bestellung der Batteriesysteme etwas verzögert haben, begannen die Bauarbeiten ein paar Monate später als ursprünglich geplant. Das reicht schon damit

Alfeld seine Spitzenposition wieder verlor. Europas größter Batteriespeicherpark steht nun im schottischen Blackhillrock und ist im März 2025 in Betrieb gegangen: 200 Megawatt Leistung im ersten Schritt, nach einer Erweiterung ab nächstem Jahr insgesamt sogar 300 Megawatt Leistung. Anders gesagt: Um den besten Platz für Sonne und Wind hat ein Rennen begonnen – mit Hoffnungen und Erwartungen bei vielen Akteuren.

Noch prägen Bagger und Planierraupen die Baustelle in Alfeld. Doch so soll der Batteriespeicherpark nach der geplanten Fertigstellung im Jahr 2026 aussehen. Copyright: Kyon Energy


Mit dem stetig wachsenden Anteil Erneuerbarer Energien im deutschen Stromnetz rückt die Herausforderung der Speicherung in den Fokus. Strom aus Sonne und Wind steht nicht kontinuierlich zur Verfügung – und lässt sich bislang nur begrenzt speichern. Großbatterien wie jene im niedersächsischen Alfeld sollen genau hier ansetzen: Sie speichern überschüssigen Strom und speisen ihn bedarfsgerecht wieder ins Netz ein.

Dadurch wird die schwankende, dezentral erzeugte Energie genau dann verfügbar werden, wenn sie gebraucht wird – mit klaren Vorteilen für Netzstabilität, Großhandelspreise und die Flexibilität im Strommarkt. Überall in Deutschland entstehen derzeit Großspeicheranlagen, deren Kapazitäten die anfänglichen Leistungen von wenigen Megawatt inzwischen deutlich übertreffen.

In Alfeld soll bis 2026 ein Batteriepark mit 137,5 Megawatt Leistung und 275 Megawattstunden Speicherkapazität entstehen – genug, um eine Million Haushalte für rund acht Stunden zu versorgen, rein physikalisch betrachtet.

Gute Aussichten - sogar für Goldgräber

Seit 2021 bietet Co-Geschäftsführer Florian Antwerpen mit Kyon Energy schlüsselfertige Speicherlösungen an: Von der Standortwahl über die Planung bis zur Umsetzung. „Überzeugungstäter", nennt sich der studierte Energie- und Elektrotechniker. Denn er will mit seinem Unternehmen die Energiewende nicht nur begleiten, sondern aktiv vorantreiben. Aber auch, weil er mit diesem Ziel Geld verdienen will. Und kann.

Alfeld ist nicht das erste, aber aktuell größte in Bau befindliche Großbatteriespeicher-Projekt für Kyon Energy. Für Antwerpen steht es exemplarisch für die die Lage der Branche: „Es herrscht Goldgräberstimmung - besonders bei den Projektentwicklern.“

Neben der Gewinnmarge im kurzfristigen Stromhandel – etwa beim Day-Ahead-Markt -lockt Investoren ein zweiter, bis lang noch sicherer Faktor: Großspeicher, die bis Ende 2028 in Betrieb gehen, sind für zwanzig Jahre von Netzentgelten befreit. . Doch was einst als politischer Anreiz für Investitionen gedacht war, gerät nun unter Druck: Die Bundesnetzagentur prüft, ob Speicher künftig stärker an den Netzkosten beteiligt werden sollen. Ihr Argument: Eine faire Kostenverteilung unter  allen Netznutzern.

Für die Branche wäre das ein herber Dämpfer. Viele Geschäftsmodelle basieren auf der langfristigen Planbarkeit dieser Regelung. Eine Abschaffung oder Einschränkung könnte, so fürchten viele, die Wirtschaftlichkeit zahlreicher Projekte in Frage stellen – und  die Dynamik im Markt bremsen.

Trotzdem bleibt das Speicherbusiness lukrativ. Denn Europas Strommärkte – allen voran der deutsche – sind geprägt von starken Preisschwankungen.  Der Grund: Die Einspeisung von Erneuerbaren in das Stromnetz erfolgt häufig zur gleichen Zeit: vor allem mittags, wenn die Sonne scheint. Ergebnis: Die Preise an der Strombörse sinken, bis sie abends bei höherem Verbrauch und weniger Erzeugung durch fehlende Sonne wieder steigen.

Für Unternehmen wie Kyon ergibt sich daraus ein attraktives Geschäftsfeld: Sie kaufen Strom günstig ein und verkaufen ihn mit Gewinn in der Hochpreisphase. So gab es im vergangenen Jahr bis Ende Oktober am Day-Ahead-Markt 440 Stunden mit negativen Preisen. Der durchschnittliche Spread zwischen der teuersten und der günstigsten Stunde eines Tages lag bei rund 117 Euro – pro Megawattstunde.

Antwerpen erinnert sich an die Anfänge seines Studiums, als die ersten Ideen Richtung Unternehmertum reiften. Keine zehn Jahre ist das her. „Stand-alone-Großspeicher gab es kaum in Deutschland - und ein Anschluss mit einem Megawatt war schon eine große Sache“, sagt er.

Diese Zeiten sind vorbei. Die Bundesnetzagentur rechnet im aktuellen Netzentwicklungsplan stattdessen mit einem Speicherbedarf von fast 24 GW bis 2030 - und mit bis zu 54,5 GW bis 2045. Der Grund für diesen Anstieg ist einfach: Bis 2030 sollen mindestens 80 Prozent des Stromverbrauchs aus erneuerbaren, aber eben auch volatilen Energien stammen. Speicher sind deshalb unverzichtbar – als Puffer und als Garant für Netzstabilität und Versorgungssicherheit.

Bildergalerie: Energiewende in groß

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Auch deshalb ist das Portfolio von Unternehmen wie Kyon Energy auf Batteriespeicher mit mehreren hundert Megawatt Leistung ausgelegt. Möglich machen die technologischen Fortschritte, fallende Preise für die einzelnen Komponenten und ein zunehmend standardisierter Aufbau: “Die Technik ist skalierbar geworden, und die modulare Bauweise ermöglicht diese Kapazitäten“, sagt Antwerpen.

Man kann es auch anders sagen: Das System hat sich nicht geändert., ist aber unfassbar viel größer geworden. Wachstum ohne steigende Komplexität – es klingt nach dem Traum eines jeden Projektentwicklers. „Dass uns diese Batterietechnik heute zu so günstigen Preisen zur Verfügung steht, ist ein Glücksfall, sagt Antwerpen. Für die Energiewende. Für die Versorgungssicherheit. Und nicht zuletzt für die Bilanzen der Unternehmen.

Antragsstau

Aber Speicher allein reichen nicht. Unternehmen wie Kyon liefern zwar die Technik, doch erst der Anschluss ans Netz macht sie auch wirksam. Dafür braucht es Vorgaben, Koordination – und vor allem die Bereitschaft sowie die Kapazitäten eines weiteren wichtigen Akteurs: der Netzbetreiber.

Bei den vier großen Netzbetreibern Amprion, Tennet, TransnetBW und 50Hertz stauten sich zum Jahresanfang 650 Anträge für Batteriespeicherprojekte – mit einer Gesamtgröße von fast 230 Gigawatt. Zum Vergleich: Aktuell installiert sind deutschlandweit Batteriespeicher mit einer Leistung von 1,4 GW und 1,8 GWh Kapazität – etwa so viel wie ein abgeschaltetes Atomkraftwerk.

Doch zwischen Vision und Umsetzung liegt oft ein komplexer Genehmigungsprozess: Viele Speicherprojekte haben daher mit Hürden zu kämpfen: Begrenzte Netzkapazitäten, technische Machbarkeit, mehrfach belegte Standorte. Nicht jede Anfrage bedeutet daher auch einen Baubeginn. Doch je mehr Solaranlagen und Windräder entstehen, desto dringender wird der Bedarf an Speichern. Für das Geschäft. Für die Betreiber. Sie bauen darauf, dass Speicher die Stromüberschüsse durch Erneuerbare aufnehmen - damit Windräder und PV-Anlagen nicht mehr bei zu hoher Einspeisung abgeriegelt werden müssen. Damit erleichtern Speicher eine ihrer wichtigsten Aufgaben: die Stabilität der Netze.

Denn Überproduktion ist nicht nur eine wirtschaftliche, sondern zunehmend auch eine systemische Herausforderung. Überschüssige Strom könne die Frequenz im Netz aus dem Takt bringen, sagte Stefan Kapferer, Vorstandchef des Übertragungsnetzbetreibers 50 Hertz, Anfang des Jahres 2025 in einem Interview. Im äußersten Fall könne dies zu einer zeitlich und regional begrenzten Abschaltung führen. „Diese Gefahr hat zugenommen, weil wir in kurzer Zeit sehr viele Photovoltaik-Anlagen bekommen haben, die sich nicht alle ausreichend steuern und abregeln lassen. Anders als andere Kraftwerke produzieren Teile der Anlagen immer weiter, ganz egal, wie tief der Preis für Kilowattstunden am Großhandelsmarkt fällt.“

Um solchen Risiken zu begegnen, braucht es Batteriespeicher als flexible Lösung, um den überschüssigen Strom puffern zu können. Doch wo lassen sich diese Speicher am besten bauen?

Antworten liefert das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg – Europas  größtes Solarforschungsinstitut Der futuristisch anmutende halbrunde Bau mit weißer Verkleidung wirkt, als sei ein UFO im idyllischen Breisgau gelandet. Im Inneren arbeiten Wissenschaftler an der Zukunft der Solartechnik. Weißkittel stecken ihre Arme in das schwarze Plastik der hermetisch abgedichteten Handschuhkästen, rufen faltbare Solarzellen ins Leben oder verbinden Elektrolyte und Elektroden, um die Ladeleistung von Batterien zu verbessern. Und in den Büros überlegen Elektro-Ingenieure wie Dr. Bernhard Wille-Haußmann, wie die Gegenwart der Solarenergie am besten genutzt werden könnte. Wille-Haußmann leitet die Forschungsgruppe „Smart Grid Betrieb und Planung“, erstellt Berichte zur Integration von Wind in das Stromnetz oder Studien zum Bedarf und Nutzen von Batteriegroßspeichern.

Speicherbedarf steigt weiter

„Aktuell suchen die Projektentwickler der Batteriespeicherparks vor allem Standorte in der Nähe von Umspannwerken“, sagt Wille-Haußmann. So wie Kyon im niedersächsischen Alfeld. Der Grund liegt auf der Hand:  Kurze Leitungswege bedeuten geringere elektrische Verluste, geringere Kosten – und direkten Zugang zu kritischen Netzknotenpunkten. .

Doch auch andere Orte geraten zunehmend in den Fokus:  alte Kraftwerksgelände. Laut Wille-Haußmann ließen sich ganze 25 Prozent des Speicherbedarfs für das Jahr 2030 dort unterbringen, wo früher Atom- und Kohlestrom ins Netz eingespeist wurde. Die Vorteile: vorhandene Infrastruktur, gesicherte Flächen, Fachpersonal.

Batteriespeicher: Interaktive Übersicht zu Planung und Betrieb

Quelle: ISEA RWTH Aachen, Battery Charts (www.battery-charts.de), lizensiert unter CC BY 4.0


„Batteriespeicher bringen eine ganz wichtige Flexibilität für den tageszeitlichen Ausgleich der Netzfrequenz“, sagt der Forscher Das Szenario des Fraunhofer-Instituts: 100 Gigawatt Speicherbedarf bis 2030, für die Jahrzehnte danach sogar bis zu 400 GW.

Zwei Treiber stehen hinter dieser Entwicklung: zum einen der Preissturz bei Batterien – allein Lithium-Ionen sind rund 75 Prozent günstiger als noch vor wenigen Jahren.  Zum anderen die vom Bundestag beschlossene Netzentgeltbefreiung bis 2029. Die Folge: ein Boom. Aber einer mit Schattenseiten.

 „Der Netzanschluss wird ein knappes Gut“, warnt Wille-Haußmann. Und auch die Speicher stoßen an Grenzen: Bei mehrtägigen Dunkelflauten beispielsweise reichen Batterien nicht mehr aus, um die geringere Energieerzeugung durch Erneuerbare zu kompensieren – zu begrenzt in der Speicherkapazität, zu teuer in der langfristigen Anwendung. Für solche Szenarien seien wasserstoffstoffbasierte Langzeitspeicher die bessere Lösung, sagt Wille-Haußmann.



Zurück in Alfeld wird die Theorie zur Praxis. Denn trotz ihrer Grenzen im großen Maßstab bleiben Batterien unverzichtbar – vor allem dort, wo schnelle Reaktion zählt.

„Wenn die Speicher sinnvoll ins Netz integriert werden, können sie für die Energiewende wahnsinnig viel leisten“, sagt Antwerpen. Doch er warnt auch vor überzogenen Erwartungen. „Ein Speicher refinanziert sich nicht in zwei Jahren“, warnt er. Ein realistischer Return on Investment sei eher in sieben Jahren erwartbar. „Viel ist in Planung“, sagt Antwerpen. „Aber man muss auf dem Boden bleiben.“ Aktuell sind zwei Gigawatt Speicher in Deutschland installiert, angefragt aber rund 230. „Selbst wenn wir nur 20 Prozent davon umsetzen“, sagt Antwerpen, „haben wir viel geschafft.“

Denn in der Energiewende zählt nicht nur Geschwindigkeit – sondern auch die Größe der Vision.

 

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