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Philipp Schröder:

„Brauchen Regeln, die auch zehn Jahre oder länger Bestand haben.“

Wie motiviert man Menschen zu Energie- und Wärmewende? Ein Gespräch mit 1KOMMA5°-CEO Philipp Schröder.

Portrait Philipp Schröder CEO 1Komma5

© Robert Albrecht / BDEW

1Komma5° ist ein junges Unternehmen aus dem Energietechnikbereich, das sich auf die Elektrifizierung von Gebäuden spezialisiert hat. Im Mittelpunkt stehen Systeme wie Photovoltaikanlagen, Wärmepumpen und intelligente Energiesteuerung mit KI. Das Unternehmen verknüpft die handwerkliche Umsetzung mit Softwarelösungen und will Privathaushalte unabhängig von fossilen Energien machen. Ein Gespräch mit CEO Philipp Schröder.

Herr Schröder, Ihr Unternehmen wurde 2023 mit einer Milliarde Euro bewertet, im Jahr zuvor haben Sie die größte Clean-Tech-Finanzierungsrunde Europas abgeschlossen. Wie schafft man es da, nicht abzuheben?
Das macht das Tagesgeschäft ganz von allein. Glauben Sie mir: Wir sitzen zu keiner Zeit im Büro und sonnen uns im Glanz unseres Erfolges. Gerade im energiewirtschaftlichen Kontext wird man ständig daran erinnert, wie pragmatisch und herausfordernd diese Branche ist. Wenn man sich mit Themen wie Smart Metern, handwerklicher Leistung und dem Hochskalieren komplexer Lieferketten beschäftigt, dann bleibt fürs Abheben schlicht keine Zeit. Diese drei großen Bereiche – die Fragmentierung im Handwerk, die regulatorisch getriebene Energiewirtschaft und globale Supply Chains – halten einen mit beiden Beinen fest auf dem Boden.

Kommen wir zum Kern Ihres Unternehmens: Was genau macht 1KOMMA5° eigentlich?
Wir bieten eine Komplettlösung für die Elektrifizierung von Gebäuden, vor allem, aber nicht nur, mit Photovoltaik und Wärmepumpen. Das heißt: Wir kümmern uns um die handwerkliche Umsetzung, installieren Energiesysteme und steuern diese intelligent per KI-Software, so dass die Systeme für unsere Kundinnen und Kunden möglichst günstig betrieben werden können.

Softwaresteuerung: Geht es da vor allem um Netzdienlichkeit?
Nicht ausschließlich. Es geht zuallererst um Preisoptimierung für unsere Kundinnen und Kunden: Unsere Energiemanagement-Software Heartbeat AI erkennt anhand unterschiedlicher Prognosen und Datenpunkte, wann es wirtschaftlich am sinnvollsten ist, beispielsweise ein Elektroauto zu laden, eine Batterie zu füllen oder die Wärmepumpe zu aktivieren. Die Netzdienlichkeit ist nur eine Dimension von mehreren. Außerdem geht es um Serviceaspekte. Unsere Geräte sind IoT-fähig, das heißt: Fernwartung, Fehlerdiagnose und Updates laufen effizient im Hintergrund.

Wie motiviert man einzelne Haushalte, Teil eines größeren Energiesystems zu werden?
Unsere „Marktforschung“ ist im Grunde angewandte Praxis. Wir erleben, dass Kundinnen und Kunden nach dauerhaften Lösungen suchen, die ihnen den günstigsten und gleichzeitig sauberen Strom liefern – ohne ständig Tarife vergleichen zu müssen. Wir lösen das mit einer transparenten Softwaregebühr und mit einem Algorithmus, der permanent optimiert. Am Ende verkaufen wir: Bequemlichkeit, Sicherheit – und langfristig Ruhe vor der Strompreissuche.

Wie kann man sich das in der Praxis vorstellen?
Wir kombinieren im Prinzip den Strom vom eigenen Dach mit Echtzeit-Handel an der Börse. Selbst erzeugter Solarstrom ist bekanntlich inflationsfrei und unabhängig von politischen Krisen oder internationalen Märkten. Und wenn man ihn kombiniert mit intelligenter Steuerung, können unsere Kundinnen und Kunden damit nicht nur ihre Mobilität und Wärme abdecken – sondern künftig auch Kühlung. In den Markt für Klimaanlagen sind wir gerade eingestiegen. Das Ganze geht übrigens auch ohne Solaranlage.

Ist Kältetechnik das nächste große Thema?
Für uns ja. Wir sind mitten in der Umsetzung. Schon heute machen wir weniger als die Hälfte unseres Auftragseingangs mit klassischen Solar- oder Solar-plus-Batterie-Systemen. Unsere Vision war immer die vollständige und klimafreundliche Elektrifizierung des Zuhauses – und dazu gehört heute auch die Klimatisierung. Gerade in Zeiten des Klimawandels wächst der Bedarf an Kühlung, etwa durch klassische Klimaanlagen, spürbar.

Welche Erwartungen haben „kleine“ Kunden – etwa Einfamilienhausbesitzer – an die erneuerbaren Energien?
Kunden kommen zu uns, weil sie dauerhaft günstige und saubere Energie für ihr Zuhause wollen – und das liefern wir. Gleichzeitig möchten viele unabhängiger sein. Und natürlich spielt auch der Wunsch eine Rolle, etwas Gutes fürs Klima zu tun. Die Mischung aus Kosten, Autarkie und Umweltbewusstsein treibt aktuell viele Menschen an.



Sie haben in gestaltender Funktion bei Tesla gearbeitet. Wie unterscheiden sich große Konzerne und Start-ups im Blick auf die Umsetzung der Energiewende?
Große Konzerne haben durch ihre Struktur größere Schwierigkeiten, auf neue Marktsegmente zu reagieren oder ihr Kerngeschäft grundlegend zu verändern. Das ist keine Schwäche per se, sondern ein systemisches Merkmal. Ein Start-up, das auf einem weißen Blatt Papier beginnt, ist da einfach beweglicher. Natürlich helfen mir auch die früheren Erfahrungen und Lehren, End-to-End zu denken – also alle Teile der Wertschöpfungskette selbst in der Hand zu halten und die gesamte Wertschöpfung grundlegend anzugehen.

Was wäre Ihr politischer Wunsch an das Kabinett Merz?
Ganz klar: Beständigkeit bei den politischen Rahmenbedingungen und Flexibilität als Kern einer Neuorganisation des Stromnetzes. Wir brauchen Regeln, die auch zehn Jahre oder länger Bestand haben. Politische Hauruckaktionen, Aktionismus, das Politisieren technischer Fragen – das schadet mehr, als es hilft. Das haben wir schmerzhaft bei Wärmepumpen und der Elektromobilität lernen müssen. Mein Wunsch: eine hohe, planbare CO2-Bepreisung statt kurzfristiger Konsumsubventionen. Das wäre ein langfristiger Anreiz für Investitionen in elektrische Wärme, Mobilität und saubere Energie – und würde viele Diskussionen überflüssig machen. Gleichzeitig sollten das Stromnetz und die Netzentgelte vollständig flexibilisiert werden.

Herr Schröder, vielen Dank für das Gespräch.

Philipp Schröder
war als ehemaliger Country Director von Tesla Deutschland & Österreich und als Geschäftsführer von „sonnen“ an einigen der erfolgreichsten Cleantech-Unternehmen weltweit beteiligt. Heute leitet er als Mitgründer und CEO das Unternehmen 1KOMMA5°.

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