None

Kommunale Wärmewende:

Gesagt, getan?

Worauf es ankommt, wenn Kommunen die Nahwärmeversorgung in die eigene Hand nehmen: ein Blick in die Praxis.

None

© Robert Albrecht/BDEW

Wenn Steffen Kölln über die kommunale Wärmewende spricht, unterscheidet er oft in „damals“ und „heute“. Damals: Das ist die Zeit, als sein Beratungsunternehmen bei Entscheiderinnen und Entscheidern in den Gemeinden um Aufträge werben musste, um die Umstellung auf klimafreundliche Wärme begleiten zu dürfen. Als kaum ein kommunales Vorhaben geplant wurde, das nicht auf bestehende Fördertöpfe ausgerichtet war. Und als Eigenheimbesitzerinnen und -besitzer zuhause noch persönlich über Vorteile und Voraussetzungen eines Nahwärmeanschlusses aufgeklärt wurden. Heute dagegen? Da muss das Team mehrere Anfragen pro Monat von vorneherein ablehnen. Denn immer mehr Gemeinden wollen die Wärmewende vor Ort in die eigene Hand nehmen und suchen dabei Unterstützung – auch unabhängig von einer möglichen Förderung. Und das Interesse der Bürgerinnen und Bürger ist so groß, dass die „Wohnzimmergespräche“ nach und nach durch standardisierte Infoformate ersetzt werden – ähnlich wie beim Glasfaserausbau. Denn die Nahwärme ist auf dem Weg zum massentauglichen Produkt.

Standortqualität als wichtiger Hebel

Dabei ist „damals“ kaum zwei Jahre her: Steffen Kölln, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens endura kommunal, bezieht sich auf die Jahre vor der Energiekrise, vor dem rasanten Anstieg der Heizkosten, bevor es Begriffe wie „Wärmepumpe“ auf Zeitungstitel schafften. „Die Kommunen übernehmen bei der Wärmewende heute eine viel aktivere Rolle“, sagt er. Das liegt zum einen an der politischen Diskussion. In Baden-Württemberg etwa, wo die meisten der endura-kommunal-Projekte verortet sind, müssen die großen Kreisstädte bis Ende 2023 einen Wärmeplan vorlegen. Zum anderen sind Aspekte wie Versorgungssicherheit, Preisstabilität und ein Bewusstsein für nachhaltige Energieversorgung wichtiger geworden. Oft übernehmen Menschen vor Ort deshalb selbst die Initiative und engagieren sich für die „neue Wärme“. Anderswo fordern Unternehmen bessere Standortbedingungen ein.

Fokus auf ein gemeinsames Ziel

Die Motivation ist also hoch: Viele Kommunen wollen ihre lokale Wärmewende starten. Doch dieser Entschluss ist nur der erste Schritt. Der nächste ist die Formulierung eines klaren Ziels: „Die erste Hürde ist aus kommunaler Sicht die Idee. Wichtig ist, dass man sich auf eine Idee und eine Zielsetzung konzentriert“, sagt Steffen Kölln – und schon beim Ausformulieren Verwaltung und Fachexpertise zusammenführt. Das übergeordnete Ziel hilft, einzelne Maßnahmen abzuleiten, diese konsequent zu verfolgen und ihre Qualität zu messen, sei das nun ein Quartierskonzept oder eine Transformationsstudie. Der Wunsch, die Ressourcen eines Gemeinschaftswaldes für die Wärmeversorgung zu nutzen, oder ein Fokus auf Bezahlbarkeit können zum Beispiel praxistaugliche erste Ideen sein.

Kritisch ist oft auch die Realisierung, und dabei die Frage: Wer hat dafür überhaupt Ressourcen? Schließlich sind viele Verwaltungen vom Personal- und Fachkräftemangel geprägt. In kleineren Gemeinden sind die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister ehrenamtlich oder in Teilzeit für alle Verwaltungsaufgaben und die Sicherung der Daseinsvorsorge zuständig. Die Wärmeversorgung zu priorisieren, bedeutet dann eben, anderes liegen zu lassen. Die Ärmel hochzukrempeln und zu beschließen: Wir machen das jetzt!, erfordert außerdem Gestaltungswillen. Den zeigen zwar viele Akteure vor Ort; keine Verwaltung will sich gegen die Bürgerinnen und Bürger stellen. „Gestaltung statt Verwaltung“, wie Kölln es ausdrückt, bedeutet dennoch einen Kulturwandel.

Netzwerkbetrieb: eine 24-Stunden-Aufgabe

Was hilft, um die Komplexität des Vorhabens trotz hoher Arbeitsbelastung zu stemmen? Vor allem der Aufbau von Partnerschaften, so Kölln. Hier nehme er Bewegung wahr: „Kommunen bündeln ihre Interessen seit jeher in Stadtwerken oder Regionalwerken. Gerade beobachten wir aber, dass sie diese Tradition bewusst aufnehmen und miteinander kooperieren, um Kompetenzen und Dienstleister zu integrieren.“ Kommunen, die nicht auf Eigenbetriebe zurückgreifen könnten, seien oft auf kreative Lösungen unter Einbindung von Genossenschaften und kommunalen Verbünden angewiesen. Gerade im ländlichen Raum fehlten dafür noch die Strukturen. Das könne zum Hemmschuh für Projekte werden. Einen wirtschaftlichen Betrieb rund um die Uhr zu gewährleisten, unabhängig davon, ob nun 30, 80 oder 300 Haushalte angeschlossen sind: Das ist eine echte Herausforderung.

Gesucht: Etablierte Lösungen, die funktionieren

So wie die Finanzierung nicht immer einfach ist. „In der kommunalen Welt spielen Förderprogramme eine wichtige Rolle“, sagt Kölln. Doch würden Projekte im „Heute“ zunehmend unabhängig davon geplant – weil die nachhaltige Energieversorgung im kommunalen Interesse liegt. Die Kommunen sollten sich allerdings nicht mit besonders innovativen Lösungen überfordern. „Ich würde Kommunen raten, auf technologisch erprobte Lösungen zu setzen und deren Potenziale in ihrer Vielfalt zu nutzen“, so Steffen Kölln. Ob Solarthermie, Holzhackschnitzel, industrielle Abwärme, eine Abwasserwärmepumpe oder alles in Kombination sinnvoll ist, hängt von den Gegebenheiten vor Ort ab. Wichtig sei vor allem das stringente Konzept: „Wenn die Idee trägt, finde ich in der Regel auch ein passendes Förderprogramm. Projekte, die nur auf eine Förderrichtlinien hin konzipiert werden, wirken hingegen oft nicht so nachhaltig.“ Die Idee – sie ist auch bei der kommunalen Wärmewende das, was zählt.

Mehr zur Wärmewende

Power to Gas, Wasserstoff und Windthermie – der erste Teil der Serie. Mehr erfahren

Klimafreundliche Wärme für die Industrie – der dritte Teil der Serie. Zum Artikel

Von Kohleausstieg bis Wasserstoff – Energiewende auf portugiesisch. Zum Artikel


Zurück zur Magazin-Übersicht Wer rettet den Markt?

 

 

Suche