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Elektroautos:

Der Welt etwas zurückgeben

Elektroauto-Akkus könnten in Zukunft eine wichtige Rolle bei der Energieinfrastruktur spielen. Wie funktioniert Vehicle2Grid?

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© Robert Albrecht / BDEW

 

Eine der wesentlichen Komponenten von Elektroautos sind ihre Akkus. Bisher werden diese in der Regel nur dazu genutzt, um Strom für den Antrieb und die Verbraucher wie Heizung oder Radio bereitzustellen. Doch sie könnten in Zukunft zu einem wichtigen Teil der Energieinfrastruktur an sich werden. „Vehicle to Grid“ heißt das Konzept, kurz „V2G“. Hier erklären wir, wozu die Technik gut ist, wann sie auf breiter Front zum Einsatz kommen könnte – und welche Hürden bis dahin noch zu überwinden sind.

Was ist überhaupt „V2G“?

„Vehicle“ ist Fahrzeug, „Grid“ ist das Stromnetz. „Vehicle to Grid“ ist also eine Technik, die es ermöglicht, ein E-Auto nicht nur mit Elektrizität aus dem Netz zu laden, sondern die Elektrizität aus dem Akku bei Bedarf auch wieder in das Netz zurückzuspeisen. Voraussetzung dafür ist, dass Fahrzeugtechnik und Ladeinfrastruktur so konstruiert sind, dass sie das so genannte „bidirektionale Laden“ erlauben – dass der Strom also in beide Richtungen fließen kann und diese Stromflüsse gesteuert sowie abgerechnet werden können. Verwandt mit „Vehicle to Grid“ ist „Vehicle to Home“, bei dem mit Elektrizität aus dem Auto-Akku der Strombedarf eines Hauses gedeckt wird.

Was kann „V2G“?

Strom wird in Europa in immer höherem Maß durch die Nutzung von regenerativen Energien wie Wind oder Sonne produziert. Allerdings steht dadurch nicht zu jedem Zeitpunkt die gleiche Menge Elektrizität zur Verfügung. Eine interessante Anwendung für „Vehicle to Grid“ ist daher die Verwendung einer großen Zahl von Auto-Akkus, um Schwankungen von Angebot und Nachfrage in Sekundenschnelle auszugleichen und das Stromnetz dadurch zu stabilisieren. Derzeit wird dies unter anderem durch Pumpspeicherwerke erreicht, durch schnell regelbare konventionelle Kraftwerke oder stationäre Speicher auf Lithium-Ionen-Basis. Netze aus bidirektional ladefähigen Elektro-Autos könnten zu einem gewissen Teil diese Rolle übernehmen.

„Diese so genannte Sekundenreserve ist der Strom, der am teuersten gehandelt wird“, beschreibt Dennis Schulmeyer, Gründer des Start-ups „Lade“, das sich mit V2G beschäftigt. BesitzerInnen der so als Stromspeicher genutzten E-Autos könnten an den Erträgen beteiligt werden, was Motivation schaffen würde, in entsprechende Technik zu investieren. Ein weiteres Geschäftsmodell wäre es, Strom dann in die Akkus einzuspeichern, wenn dieser billig verfügbar ist und ihn zurückzuspeisen, wenn der Preis höher liegt. Besonders interessant wäre „Vehicle to Grid“ für die Betreiber großer Flotten, die mit ihren Fahrzeugen so zusätzliche Erlöse generieren könnten. Deshalb könnten sie zu Vorreitern der Technik werden.

Wie wird das Laden und Entladen bei Vehicle to Grid gesteuert?

Das ist derzeit noch nicht definiert. „Das Auto könnte theoretisch auf die Netzfrequenz reagieren. Aber wahrscheinlich wird wohl ein Smart-Meter-Gateway die Signale liefern“, erklärt Schulmeyer – also vernetzte intelligente Ladetechnik in den Garagen. „Es muss unkompliziert sein“, beschreibt Jan Figgener vom Lehrstuhl für Elektrochemische Energiewandlung und Speichersystemtechnik der RWTH Aachen die zentralen Anforderungen. „Als Nutzer darf ich nicht gezwungen sein, tausend Faktoren im Blick zu behalten und zu konfigurieren.“ Am wahrscheinlichsten ist es deshalb, dass der Vorgang vom Stromversorger gesteuert werden wird. Dieser würde dann auch die Erlöse aus „V2G“ vergüten. Der Nutzer des Wagens muss sein Fahrzeug nur für die Nutzung als Stromspeicher freigeben und angeben, wann er es wieder fahren will. Denn dann sollte der Akku natürlich voll geladen sein.

Was ist technisch noch nötig für Vehicle2Grid?

Vor allem fehlt es noch an der nötigen Regelungselektronik und an smarten Stromzählern, die in der Lage sind, Entnahme und Einspeisung aus dem und ins Netz rechtssicher zu erfassen. Hier hat die Bundesregierung für Beschleunigung gesorgt: Ab 2025 ist der Einbau von so genannten „Smart Metern“ für Haushalte mit einem Stromverbrauch von mehr als 6000 Kilowattstunden jährlich oder solche mit größeren Solaranlagen Pflicht. Bis 2030 soll die Umrüstung abgeschlossen sein. Ebenfalls ab 2025 sollen solche Haushalte dynamische Stromtarife nutzen können. Spätestens dann würde es sich lohnen, ein Fahrzeug dann zu laden, wenn Strom im Übermaß und damit günstig verfügbar ist. Umgekehrt würde es sich auszahlen, wenn ein E-Auto Elektrizität ins Netz zurückspeist, wenn diese knapp und teuer ist.

E-Autos, die bei V2G theoretisch eine Rolle spielen könnten, gibt es schon einige auf dem Markt. Der ADAC nennt unter anderem diverse Modelle von Nissan, aus dem VW-Konzern, von Mitsubishi, Volvo und Polestar, die für die Technik vorbereitet sind. In den kommenden Jahren wollen weitere Hersteller nachziehen. Allerdings gilt es dann noch, Besitzern von E-Autos die Angst zu nehmen, ihr Akku könnte sich durch das Laden und Entladen vorzeitig abnutzen. Hier beschwichtigen sowohl Figgener als auch Schulmeyer. Figgener sagt: „Inzwischen liegen die Spezifikationen der Hersteller für die Akkus höher als die Beanspruchung durch das Fahren.“ Was die Technik wirklich altern lasse, seien tiefe Entladezyklen. Aber bei Vehicle to Grid liege man meist unter 20 Prozent Entladung, das beeinflusse die Lebensdauer kaum.

Was muss regulatorisch noch vorbereitet werden?

Es muss noch einiges erledigt werden, um Gesetze, Bestimmungen und Steuerrecht fit für „Vehicle to Grid“ zu machen. Derzeit ist es zum Beispiel so, dass Netzentgelte und andere Gebühren für jeden Lade- und Entladevorgang eines „Vehicle to Grid“-fähigen E-Autos einzeln anfallen würden: ein hoher bürokratischer Aufwand.

Das Problem ist erkannt, allerdings gibt es dazu bisher nur eine Absichtserklärung der Bundesregierung. In ihrem „Masterplan II Ladeinfrastruktur“ von 2022 ist festgelegt, dass das Wirtschaftsministerium prüfen soll, wie unter anderem die rechtlichen, technischen, steuerlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verbessert werden können, um Hindernisse für eine diskriminierungsfreie Nutzung der Möglichkeiten des bidirektionalen Ladens zu beseitigen. Ergebnisse dazu sollten eigentlich im zweiten Quartal 2023 vorgelegt worden sein. Allerdings ist das bisher (Stand September 2023) noch nicht geschehen.

Was ist das Potenzial von „V2G“? Wann wird die Technik flächendeckend verfügbar sein?

„Es geht jetzt um den Aufbau eines Massenmarkts, wir sind noch am Anfang“, skizziert RWTH-Forscher Jan Figgener die Situation. Auf exakte Zeitangaben wollen sich aber weder er noch Dennis Schulmeyer festlegen – dazu muss zu vieles noch geregelt und die notwendige Technik verbreitet werden. Zur Einstiegstechnologie könnte das simplere „Vehicle to Home“-Konzept werden. Dabei würde der Akku des Elektroautos zwar keinen Strom ins Netz zurückspeisen, er würde aber lokal als Zwischenspeicher dienen, um tagsüber die Energie einer Solaranlage auf dem Hausdach aufzunehmen und sie nachts ins Hausnetz einzuspeisen. Schritt eins zur Verbreitung des bidirektionalen Ladens wäre damit gemacht.



Was möglich sein könnte, hat der Think Tank „Agora Energiewende“ in seiner Studie „Klimaneutrales Stromsystem 2035“ hochgerechnet: „Davon ausgehend, dass 25 Prozent der Elektro-Pkw im Jahr 2035 Vehicle-to-Grid nutzen und davon durchschnittlich 40 Prozent der Fahrzeuge für den Strommarkt bereitgestellt werden, beträgt die nutzbare Leistung theoretisch 28 Gigawatt.“ (Zum Vergleich: Das abgeschaltete Kernkraftwerk Emsland hatte eine Nennleistung von 1,4 Gigawatt.) Das verringere den Bedarf an kleinen und großen stationären Speichern, so Agora weiter. „Damit trägt es zur effizienten Nutzung von erneuerbarem Strom und Ressourcen bei.“

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