None

Minimobilität:

Der kleine Unterschied

So spart smarte Mobilität Raum und Ressourcen.

None

© Robert Albrecht/BDEW

Mal eben mit dem privaten Auto zum Arzt- oder Geschäftstermin? Das gerät in einer Metropole wie München, Frankfurt oder Berlin häufig zum Glücksspiel. Wer pünktlich ankommen will, muss nicht nur Staus und Straßensperrungen einkalkulieren, sondern auch die zeit- und nervenraubende Parkplatzsuche. Dass im urbanen Straßenverkehr die Raum- und Revierkämpfe an Häufigkeit und Intensität zunehmen, hat fast jeder schon am eigenen Leib erleben müssen. Dafür gibt es mehrere Ursachen – aber auch mögliche Lösungen.

Was ist das Problem? Zum einen sind von Jahr zu Jahr schlicht immer mehr Autos unterwegs. Der Motorisierungsgrad nimmt in Deutschland seit Jahrzehnten stetig zu: Laut Umweltbundesamt waren es im Jahr 2000 noch 532 Pkw pro 1.000 Einwohner*innen, im Jahr 2020 schon 15 Prozent mehr (580).

Zum anderen macht der motorisierte Individualverkehr den Löwenanteil der Verkehrsleistung in Deutschland aus – nämlich 78,5 Prozent (Schiene: 8,6 Prozent, ÖPNV: 6,8 Prozent). Zu guter Letzt werden unsere Autos immer größer und es werden immer häufiger große Autos gekauft: Einer Studie des CAR-Center der Universität Duisburg-Essen zufolge hat die durchschnittliche Breite der Autos seit 1990 um zwölf Zentimeter zugenommen. Und die raumgreifenden und verbrauchsintensiven SUV haben inzwischen bei den Neuzulassungen einen Marktanteil von 34,8 Prozent erreicht. Zum Vergleich: Vor 20 Jahren lag die Quote lediglich bei 1,7 Prozent

Smart und flexibel im urbanen Raum unterwegs

Doch eine Trendumkehr ist in Sicht. Denn beim Kampf und Ressourcen und Räume sind zunehmend flexiblere und kleinere Lösungen gefragt, die genau auf den Einsatzzweck zugeschnitten sind. Gerade hier entstehen derzeit neue Marktnischen, wovon zunehmend auch deutsche Unternehmen profitieren. 

So hat beispielsweise Opel mit dem Rocks-E jüngst ein elektrisch angetriebenes Leichtfahrzeug für den urbanen Raum vorgestellt: Der ultrakompakte Zweisitzer hat eine Reichweite von 75 Kilometern und eine maximale Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h – und er darf bereits von Jugendlichen ab 15 Jahren Alter (Führerscheinklasse AM) gefahren werden. 

Doch auch neue Hersteller drängen in den Markt: So will beispielsweise das in Itzehoe angesiedelte Unternehmen ElectricBrands 2022 die ersten bestellten Exemplare des nicht einmal vier Meter kurzen „XBUS“ ausliefern. Dabei handelt es sich um ein modulares elektrisches Leichtfahrzeug mit Solardach zur Reichweitenverlängerung, das sich für private Mobilität ebenso eignen soll wie für gewerbliche Zwecke: Per Onlinekonfigurator können Kunden nicht nur zwischen neun Aufbauvarianten (vom Pickup über Kipper und Camper bis hin zum Cabrio) wählen. Auch die Akkukapazität des knuffigen Gefährts lässt sich individuell an die Bedürfnisse der Käufer anpassen. In der Basisausstattung kommt der „XBUS“ mit acht Batteriepacks und einer Kapazität von 10 kWh (Reichweite laut Hersteller: bis zu 200 Kilometer), bis zu 16 weitere Akkupacks können hinzugekauft oder gemietet werden.

Und wer ursprünglich einen Pickup bestellt hat, der legt sich damit nicht für alle Zeiten fest, sagt Martin Henne, CEO von ElectricBrands: „Das Besondere an dem modularen Konzept ist, dass jeder ohne Spezialwerkzeug einen Modulwechsel selber machen kann. So kann ich beispielsweise aus einem Camper einen Koffer-Aufbau machen oder aus einem Transporter eine Pickup-Version. Und wir können künftig für spezielle Anwendungen weitere Module entwickeln.“  Solche Konzepte könnten helfen, Unternehmensflotten smart, flexibel, klein und kostengünstig zu halten: Ein Basisfahrzeug mit mehreren Aufbauten kann die Anschaffung mehrerer unterschiedlicher Fahrzeuge verzichtbar machen. 

Auch der kompakte Sono Sion setzt auf Solarmodule als Ergänzung zum Akku. Das Auto wurde im hessischen Karben entwickelt, das Unternehmen Sono konnte 2016 eine Crowdfundingkampagne erfolgreich abschließen – und hat mit der Schauspielerin Nora Tschirner eine prominente Fürsprecherin. Betrieben wird der Wagen mit einer kobaltfreien Lithium-Eisenphosphat-Batterie, die dem Wagen bis zu 305 Kilometer Reichweite schenkt. In die Außenhaut des Fahrzeugs wurden rund 250 Solarzellen eingearbeitet, die täglich bis zu 34 Kilometern zusätzliche Reichweite generieren sollen – bei der durchschnittlichen deutschen Pendelstrecke von 17 Kilometern eine interessante Perspektive.

Außerdem unterstützt das Gefährt bidirektionales Laden, der verbaute Akku kann seine Energie bei Bedarf zurück ins Netz speisen – ein wichtiger Schritt bei der Integration in Smart Grids. Dass das keine reine Marketingaussage ist, sollen 100 Sion-Exemplare im niederländischen Utrecht zeigen: In einem Vehicle-to-Grid-Projekt mit 500 öffentlichen bidirektionalen Ladestationen wird lokale Energieerzeugung mit intelligenten Lademöglichkeiten für Elektrofahrzeuge verbunden. Die Entladeleistung der aktuell am Netz hängenden Sions soll dazu beitragen, Lastspitzen abzufedern und Stromausfälle zu verhindern. 

Langer Atem ist gefragt

Wo Chancen sind, sind allerdings auch Risiken – insbesondere für Branchenneulinge wie ElectricBrands und Sono. Das Beispiel des einst gefeierten und inzwischen eingestellten Elektro-Lieferautos Streetscooter zeigt, dass Startschwierigkeiten bei der Serienfertigung, Qualitätsprobleme, Engpässe in der Lieferkette oder auch Finanzierungslücken gewichtige Hemmschuhe darstellen können. Wer hier in Krisenzeiten auf Venture Capital angewiesen ist und nicht die Reserven eines Großkonzerns hat, spürt schnell Gegenwind.

So resümierte der Streetscooter-Mitgründer Dr. Günther Schuh in einem Interview mit dem „Focus“: „In Kalifornien oder China bekommen Auto-Startups, wenn sie in die Phase der Industrialisierung gehen, schon einmal 1,5 oder 2,5 Milliarden Dollar von ihren Geldgebern. In Sparkassen-Deutschland muss man um jede 100 Millionen Euro kämpfen. Ich glaube, ich würde das nicht noch einmal machen.“



Umso wichtiger sind Partnerschaften und Reallabor-Projekte wie das Vehicle-to-Grid-Projekt in Utrecht: Wenn ein Hersteller den Beweis antritt, dass seine Produkte nicht nur reibungslos funktionieren, sondern mit smarten Technologien ganz konkret zur Energiewende beitragen, dann dürfte ein solches Unternehmen für die Zukunft gut aufgestellt sein. 

Mehr zu Infrastruktur

„Smile City ist mehr als Smart City“ – Interview mit dem Rostocker Oberbürgermeister Claus Ruhe Madsen. Zum Interview

Das wäre Ihr Preis gewesen – warum große Infrastrukturprojekte häufig teurer werden und länger dauern. Zum Beitrag

Seid umschlungen, Billionen – wie Joe Biden in den USA den Infrastrukturausbau voranbringen will. Zum Länderportrait


Zurück zur Magazin-Übersicht Stadt, Land, Fluss

Suche