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BDEW-Diskussionspapier zur Resilienz im Energiesektor

Resilienz im Energiesektor ganzheitlich denken – Resilienzstrategie entwickeln

+++ Bundesregierung sollte eine Resilienzstrategie entwickeln +++ Handlungsbedarf besteht vor allem beim Schutz kritischer Infrastrukturen, Strom- und Gassystem, der Stärkung europäischer Lieferketten, Klimaresilienz sowie bei Finanzierung und gesellschaftlicher Einbindung.

Spätestens mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ist der Stellenwert von Resilienz im Energiessektor offensichtlich geworden. Resilienz muss als sicherheits-, geo- und industriepolitische Aufgabe sowie Antwort auf die Folgen des Klimawandels verstanden werden und daher ein zentrales Leitmotiv mit sich stetig ändernden Voraussetzungen bleiben. Angesichts hybrider Bedrohungen gilt es, dem Schutz kritischer Infrastrukturen (KRITIS) oberste Priorität einzuräumen. Der BDEW hat vor diesem Hintergrund ein Diskussionspapier „Resilienz im Energiesektor: Handlungsfelder und -bedarfe“ erstellt.

„Resilienz im Energiesektor muss systemisch gedacht werden. Nur wenn alle einzelnen Bereiche ein hohes Maß an Resilienz erfüllen und wir auch die Wechselwirkungen zwischen Teilsystemen beachten, erreichen wir eine hohe Resilienz im Gesamtsystem. Wir brauchen daher einen Dreiklang aus Vorsorge, Vorbereitung auf effektive Krisenbewältigung sowie kontinuierlicher Analyse und Monitoring. Ziel muss ein Energiesystem sein, das Schocks absorbiert, sich schnell erholt und lernend anpasst, ohne Wettbewerbsfähigkeit und Klimaziele aus dem Blick zu verlieren. Resilienz ist die zentrale Voraussetzung für Versorgungssicherheit und Souveränität“, betont Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung.

Resilienz im Energiesektor unterliegt der geteilten Verantwortung von Energieunternehmen, den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten und ihren nationalen Behörden sowie der EU-Kommission. Europa kommt eine zentrale Bedeutung zu: Mehr Resilienz geht mit einer Stärkung des EU-Binnenmarktes einher und muss mit einer europäischen Industrie-, Handels- und Sicherheitspolitik zusammengedacht werden.

Der Schutz kritischer Infrastrukturen ist essenziell für ein hohes Maß an Resilienz. „Um den KRITIS-Schutz zukunftssicher aufzustellen, sind klare Zuständigkeiten, vereinfachte Nachweise und Bürokratieabbau ebenso notwendig wie eine praxistaugliche Umsetzung der NIS2- und CER-Richtlinien. EU-Standards für die IT-Sicherheit digitaler Komponenten sind essenziell und sollten handelspolitisch flankiert werden. IT-Prozesse sind mit betrieblichen Abläufen ganzheitlich zu denken; auch Dienstleister gehören unter klare IT-Sicherheitskataloge. Zudem braucht es eine stets verfügbare, schwarzfallfeste Kommunikationsinfrastruktur – hier hat die Energiewirtschaft mit dem Aufbau des 450-MHz-Netzes die Basis geschaffen“, sagt Kerstin Andreae. 

Im Stromsektor ist die Transformation hin zu einem auf Erneuerbaren Energien basierenden Energiesystem auf einem erfolgreichen Weg. Auch wenn Wind und Sonne einmal nicht verfügbar sind, muss die Versorgung gesichert sein – künftig auch ohne Kohlekraftwerke. Daher sind zügige Ausschreibungen für neue wasserstofffähige Gaskraftwerke notwendig - inklusive Kraftwärmekopplung. Spätestens 2028 sollte ein Kapazitätsmarkt eingeführt werden. Gleichzeitig gilt es Flexibilitäten systemisch anzureizen und die Digitalisierung zu beschleunigen. Netzausbau und Systemdienstleistungen, einschließlich Schwarzstartfähigkeit, bleiben das Rückgrat der Stabilität.

Beim Ausbau des Stromsystems rücken die Abhängigkeiten von zentralen Komponenten immer stärker in den Fokus: Neben weitläufig bekannten Abhängigkeiten bei PV-Modulen und Speichern, sind hiervon auch ausschlaggebende Komponenten in anderen Technologien wie auch Rohstoffe betroffen. Um dem zu begegnen, braucht es einen umfassenden Ansatz: Neben Anreizen im Ausschreibungsdesign, wie sie der Net Zero Industry Act der EU vorsieht, müssen die europäischen Produktionskapazitäten von Netto-Null-Technologien direkt gestärkt und Ansätze gefunden werden, wie der Zugang zu kritischen Rohstoffen für saubere Technologien nachhaltig gesichert werden kann. 

Bei gasförmigen Energieträgern gilt: Diversifizierte Gas- und LNG-Bezüge sowie starke Speicher sind unverzichtbar für die Resilienz des Energiesektors. Speicher kompensieren saisonale Nachfragespitzen und stabilisieren das System. Der Grundsatz der Effizienz verlangt, dass die Beschaffung von Gas den Unternehmen überlassen bleibt – flankiert von realistischen Nachfrageszenarien und verlässlichen Rahmenbedingungen. 

Gerade der Wasserstoffhochlauf stärkt durch eine diversifizierte Beschaffung wie heimische Produktion die Resilienz des Gesamtsystems. Deshalb ist es wichtig, Wasserstoff auf EU- und nationaler Ebene große Bedeutung einzuräumen. Nötig sind Infrastruktur- und Nachfrageaufbau, unterlegt mit handelstauglichen Regeln, Speichern sowie verlässlicher Investitions- und Planungssicherheit. Auch Biomethan kann für die Resilienz eine wichtige Rolle übernehmen. Es ist erneuerbar, speicherbar, netzkompatibel und schnell in bestehende Infrastrukturen integrierbar und kann als Brücke in die wasserstofffokussierte Energieversorgung dienen. 

Klimarisiken müssen künftig systematisch in Planung und Betrieb von Energieinfrastrukturen einfließen. Typische Gefahren machen konsequente Investitionen schon in der Planungsphase notwendig. Der BDEW unterstützt die Initiative der EU-Kommission für einen EU-Rahmen zu Klimaresilienz und -risikomanagement. 

Um Resilienz zielgerichtet aufzubauen, müssen die notwendigen Investitionen gedeckt sein. Zusätzlichen Aufwänden stehen häufig keine direkten Erlöse gegenüber. Umso wichtiger sind verlässliche Rahmenbedingungen, geeignete Förder- und Finanzierungsinstrumente sowie Planungssicherheit, damit Unternehmen notwendige Maßnahmen zügig umsetzen können.  

Das Diskussionspapier „Resilienz im Energiesektor: Handlungsfelder und -bedarfe“ steht hier in voller Länge zum Download bereit.

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