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Norwegens Energiewende: Wind, Wasser – und Erdöl

Norwegens Klimaschutz gilt als beispielhaft. Dabei wird vor der Küste gerade ein neues Ölfeld erschlossen. Passt das zusammen? 
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© Illu: Merle Schenker

Auf dem Weg zur klimaneutralen Gesellschaft ist Norwegen schon weit fortgeschritten. 95 Prozent ihrer Energie gewinnen die 5,4 Millionen Einwohner des Landes aus Wasserkraft. 1.600 Wasserkraftwerke verteilen sich über das Land, das mit 385.000 km2 nur etwas größer als Deutschland ist. 3,5 Prozent des Stroms entstehen aus Windkraft. Wind gibt es reichlich – vor allem auf dem Meer vor der Küste. Kann ein von den natürlichen Gegebenheiten her so begütertes Land als Vorbild für die Energiewende dienen? Es kann. Denn Norwegen ist fest in das europäische Energienetzwerk eingebunden. 

Norwegens Klimaziele sind nicht so hoch gesteckt wie die der EU. Bis 2050 will die Regierung in Oslo die CO2-Emissionen um 80 bis 95 Prozent im Vergleich zu 1990 reduzieren, während die EU anstrebt, zur selben Zeit klimaneutral zu sein. Dennoch bringt das Land die Energiewende voran, zum Beispiel fördert die Regierung mit steuerlichen Vergünstigungen und Subventionen die Elektromobilität. Das kommt gut an. Im Jahr 2019 wurde fast jedes zweite neu zugelassene Auto elektrisch angetrieben. Ab 2025 sollen nur noch emissionslose Pkw zugelassen werden.


Norwegen


Darüber hinaus stärkt die Regierung den öffentlichen Nahverkehr – und gestaltet ihn zunehmend elektrisch. In Oslo fahren seit 2015 kontinuierlich immer weniger Pkw. Busse und Bahnen werden weitestgehend mit Erneuerbaren Energien angetrieben. Ab 2028 soll der öffentliche Nahverkehr emissionsfrei sein. Auch die Schiffe des öffentlichen Nahverkehrs sollen elektrisch fahren. Auf dem Oslofjord gehen ab kommendem Jahr fünf neue Elektrofähren für jeweils 140 Passagiere in Betrieb. Ab 2026 sollen alle Fähren elektrisch angetrieben werden.

Woher kommt der Strom?

Die Nachfrage nach Strom wird steigen. Christer Gilje, Sprecher des staatlichen norwegischen Netzbetreibers Statnett, sagt, es gebe eine öffentliche Übereinkunft darüber, dass der Bedarf aus Erneuerbaren Quellen gedeckt werde. "Es gibt aber Diskussionen über die Frage, wie das geleistet werden soll."

Wind ist neben Wasser die entscheidende Ressource für Norwegens künftige Energieproduktion. Das halbstaatliche Energieunternehmen Equinor – früher Statoil und vor allem im Bereich der Förderung von Erdöl und Erdgas aktiv – will bis 2025 zehn Milliarden Euro in Wind- und Solaranlagen sowie in kohlenstoffreduzierende Technologie investieren. Neben derzeit mehreren internationalen Beteiligungen an Windparks in Nord- und Ostsee würden in Zukunft schwimmende Offshore-Anlagen immer wichtiger, sagt Bjarne Lauritz Bull-Berg, Country Manager von Equinor in Deutschland. Mit ihnen lasse sich auch der starke Wind auf hoher See nutzen. Equinors Bestrebungen sind zum großen Teil international angelegt. Sie kommen aber auch dem Strommarkt in Norwegen zugute. Denn die Stromnetze aller Nordseeanrainer sind verbunden. 


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Der künftige Strombedarf in Norwegen wird auch durch Energie von Windkraftanlagen aus dem internationalen Markt gedeckt. "Der Austausch von Strom zwischen den Ländern macht es für alle Seiten einfacher, mehr grüne und Erneuerbare Energie zu produzieren und zu nutzen", sagt Statnett-Sprecher Gilje.

Eine besondere Rolle spielt das Seekabelprojekt NordLink. Es verbindet die Stromnetze Norwegens und Deutschlands durch die Nordsee und hat eine Kapazität von 1,4 Gigawatt. NordLink wird von Statnett und dem Netzbetreiber TenneT unterhalten. Ende 2020 geht es in Betrieb. Gilje sagt, das Kabel diene als Ausgleichsleitung der Versorgungssicherheit. "Während Perioden mit viel Windkraft in Deutschland kann Norwegen Strom zum geringeren Preis importieren, als die Produktion im Land kosten würde." Wenn wenig Wind weht, importiert Deutschland Strom aus Norwegens Wasserkraft.

Neue Erdölförderung

Wie passt es da ins Bild, dass Equinor seit Anfang des Jahres vor der Küste das Johan-Sverdrup-Ölfeld ausbeutet? Ministerpräsidentin Erna Solberg sagte bei der Eröffnung, dass Norwegens Erdölindustrie in den kommenden Jahrzehnten bestehen bleibe. Der größte Teil des Johan-Sverdrup-Öls wird exportiert, dessen Verbrennung setzt dennoch klimaschädliches CO2 frei. Zumindest die Förderung gestaltet Equinor so klimaschonend wie möglich. "Seit 2012 laufen dafür die Planungen", sagt Bull-Berg. Nun werden die Förderanlagen mit Erneuerbarem Strom vom Festland versorgt. Dadurch könnten die CO2-Emissionen erheblich verringert werden, so Bull-Berg. Im Johan-Sverdrup-Feld betrügen die Emissionen 0,5 Kilogramm CO2 pro Fass Erdöl. Der globale Durchschnitt liege bei 16 Kilogramm.

Über die Ölexporte nehmen Equinor und der Staat zusätzliche finanzielle Mittel ein. Aber auf lange Sicht werde Erdöl keine große Rolle mehr für Norwegen spielen, sagt Bull-Berg. "Fossile Brennstoffe werden nach und nach ersetzt durch CO2-neutrale oder Erneuerbare Energien." Im Energiebereich werde vor allem CO2-freier Wasserstoff immer wichtiger. Der lässt sich aus Erdgas herstellen, wenn das frei werdende Kohlendioxid abgesondert und gespeichert wird. Equinors Lösung: das CO2 verflüssigen und in Formationen unter dem Meeresboden bringen. "Carbon Capture and Offshore Storage" (CCOS) heißt das Verfahren. So könnte auch CO2 aus anderen Ländern eingelagert werden – Interessenten gibt es mehrere. 

Text: Günter Marks


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