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Länderportrait:

Fünf Fakten über das Energieland Indien

Indiens Bevölkerung wächst – und damit auch der Energiebedarf des Landes. Wie die Energiewende trotzdem gelingen soll.

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© Robert Albrecht/BDEW

Mittlerweile ist es offiziell: Seit April 2023 gilt Indien mit 1,425 Milliarden Einwohnerinnen und Einwohnern als bevölkerungsreichstes Land der Erde; der Abstand zu China wird sich in den kommenden Jahren weiter vergrößern. Wird es Indien gelingen, die Energieversorgung für die wachsende Bevölkerung auszubauen – und das klimafreundlich und auf Basis Erneuerbarer Energien? Fünf Fakten zum Energieland Indien.

So rasant wie nirgendwo auf der Welt: wachsender Energieverbrauch 
Seit dem Jahr 2000 hat sich der Energiebedarf verdoppelt – heute ist Indien nach China und den USA das Land mit dem drittgrößten Energieverbrauch weltweit. Je nach Szenario gehen Analysen der Internationalen Energieagentur davon aus, dass der Energiebedarf allein bis 2030 um weitere 25 bis 35 Prozent wächst. Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum, zunehmende Urbanisierung und Industrialisierung bedeuteten, „dass Indien in allen unseren Szenarien bis 2040 den größten Anstieg der Energienachfrage aller Länder verzeichnet“, heißt es dort. Besonders rasant dürfte der Anstieg im Gebäudesektor ausfallen, so eine Prognose der indischen Regierung. Bis 2030 könnte sich der Energieverbrauch in diesem Sektor gegenüber 2017 sogar vervierfachen. Damit würde der Bereich „Wohngebäude“ die Industrie als größten Stromverbraucher ablösen.

Die CO2-Emissionen pro Kopf werden steigen – aber wie intensiv?
Mit 1,9 Tonnen liegen die jährlichen CO2-Emissionen pro Kopf in Indien deutlich unter dem globalen Durchschnitt (ca. 4,5 t, Deutschland: 8,1 t). Doch bis 2040 könnten sie weiter um 50 Prozent steigen – bei dann mehr als 1,5 Milliarden Menschen. Auch bei Indikatoren wie „Autos pro Kopf“ oder „Kohleverbrauch“ hat Indien in den letzten zwanzig Jahren einen Sprung nach vorn gemacht. Wirtschaftswachstum und CO2-Emissionen voll zu entkoppeln, dürfte ohne strengere Maßnahmen kaum gelingen, so Dr. Miriam Prys-Hansen vom Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien (GIGA) in Hamburg: „Vor allem setzt Indien in vielen Bereichen immer noch auf Kohle und auf große Infrastrukturprojekte, was unter anderem bedeutet, dass Indien im Moment die höchsten CO2-Wachstumsraten unter den großen Emittenten verzeichnet.“ Beim Strom hat Kohle einen Anteil von rund 70 Prozent, viele Kohlekraftwerke sind erst in den letzten Jahren ans Netz gegangen. Klimaneutralität strebt Indien erst 2070 an.

Indien setzt auf Erneuerbare – vor allem auf Solarenergie
Dass die Emissionen angesichts dessen nicht noch stärker steigen, liegt auch an den ehrgeizigen Ausbauplänen für grüne Energie. Bis 2030 will Indien 500 Gigawatt Erneuerbaren-Kapazitäten installieren – bei 160 Gigawatt heute entspricht das einer Verdreifachung. Ein Vergleich der Konrad-Adenauer-Stiftung zeigt, wie ambitioniert das ist: „Die gesamte indische Stromerzeugungskapazität, sowohl sauberer als auch schmutziger Energieträger, beträgt derzeit nur 400 Gigawatt. Die indische Regierung beabsichtigt also, in nur acht Jahren ein komplettes zweites Netzwerk an ausschließlich erneuerbarer Energie zu errichten“. Motor ist dabei die Photovoltaik. Von 59 Gigawatt sollen die Kapazitäten bis 2030 auf 280 Gigawatt steigen. Schon heute stehen zwei der weltgrößten Freiflächensolarparks in Indien: Bhadla und Pavagada sind jeweils über 50 Quadratkilometer groß, mehr als 2.000 Megawatt sind installiert. In Zentralindien wird zurzeit zudem die weltgrößte Floating-PV-Anlage (600 MW) gebaut. 

Investitionsoffensive: Klimaziele abhängig von internationalen Dollars
Indiens Privatwirtschaft unterstützt den Regierungskurs: So planen allein die Magnaten Mukesh Ambani und Gautam Adani grüne Investitionen in Höhe von 145 Milliarden US-Dollar. Doch auch für ausländische Unternehmen ist der Markt lukrativ: Zuletzt lag Indien auf Rang sieben des „Renewable Energy Country Attractiveness Index“ von EY. Kein Wunder also, dass bereits 2021/22 Investitionen in Höhe von 14,5 Milliarden US-Dollar aus dem Ausland in den indischen Erneuerbaren-Markt flossen. Um die Ausbauziele zu erreichen, soll in Zukunft allerdings mehr als das Doppelte nötig sein: So beziffert das Institute for Energy Economics and Financial Analysis den ausländischen Investitionsbedarf auf bis zu 40 Milliarden US-Dollar jährlich, die Unternehmensberatung Arthur D. Little geht von ähnlichen Summen aus. Und die Internationale Energieagentur schätzt, dass 2040 jeder siebte Dollar, der für Wind- und Sonnenenergie oder Batterietechnologien ausgegeben wird, in Indien investiert wird. 

Küstenpotenzial nutzen und Offshore-Ausbau anpacken
Mehr als 7.500 Kilometer Küste – und bisher kein einziger Windpark auf hoher See: Das soll sich ändern. Bis 2030 will Indien in den Bundesstaaten Gujarat und Tamil Nadu laut einem Strategiepapier 37 Gigawatt Offshore-Windleistung ans Netz bringen. Dabei gibt die Regierung ein hohes Tempo vor. Zum Vergleich: Die gesamten Onshore-Windkapazitäten in Indien belaufen sich derzeit auf rd. 41 Gigawatt. Und in den deutschen Windparks in Nord- und Ostsee waren Ende 2022 insgesamt 8,1 Gigawatt Leistung installiert. Auch deutsche Unternehmen könnten beim Aufbau der indischen Offshore-Windparks mitmischen: So hat sich RWE beispielsweise 2022 mit der indischen Tata Power zusammengetan. Das gesamte Offshore-Potenzial des Landes wird übrigens auf mehr als 140 Gigawatt geschätzt. Eine Analyse der Weltbank sieht zudem schwimmende Windkraftanlagen vor Indiens Küsten als Option an (Potenzial: 83 GW).

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