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Schufa:

„Fast alle Deutschen zahlen ihre Kredite pünktlich zurück.“

Im Gespräch mit Anna-Lena Rawe von der SCHUFA: Wie funktioniert Scoring und wie ist die Zahlungsmoral der Deutschen?

Anna-Lena Rawe, Pressesprecherin bei der SCHUFA Holding AG

© Monika Lourenco / BDEW

Frau Rawe, wenn über das Thema Geld diskutiert wird, fällt immer das Bonmot von der schwäbischen Hausfrau, die gut wirtschaftet und nur das Geld ausgibt, was sie hat. Hätte sie – oder natürlich auch der schwäbische Hausmann - bei der Schufa einen guten Score?
Für Privatpersonen scheint es grundsätzlich empfehlenswert, nur das zu kaufen, was man sich leisten kann. Allerdings sind Einnahmen und Ausgaben für uns bei der Schufa überhaupt nicht wichtig: Wir wissen nicht, wie viel Einkommen oder Vermögen eine Person hat. Eben so wenig kennen wir den Kontostand. Wenn wir aber annehmen, dass die schwäbische Hausfrau vermutlich schon seit Jahrzehnten ein Girokonto bei ein- und derselben Hausbank hat, dann würden wir das positiv beurteilen: Dass da jemand schon sehr lange eine Vertragsbeziehung zu einem Kreditinstitut unterhält, die offensichtlich störungsfrei läuft.

Sie bewerten die Kreditwürdigkeit von Verbrauchern und Unternehmen per Scoring. Was ist Scoring eigentlich?
Scoring ist eine Technik, die in ganz unterschiedlichen Bereichen zum Einsatz kommt – von der Wettervorhersage bis hin zur Medizin. Grundidee ist es, die Wahrscheinlichkeit bestimmter Ereignisse vorauszusagen. Bei unserem Credit Scoring prognostizieren wir anhand von kreditrelevanten Daten, wie wahrscheinlich es ist, dass eine Person ihre Verträge ordnungsgemäß bedient. Hier geht es vor allem um das pünktliche Bezahlen von Rechnungen oder die Rückzahlung von Krediten. Damit wollen wir Unternehmen vor Zahlungsausfällen ihrer Kunden schützen, aber auch Verbraucherinnen und Verbraucher vor einer Überschuldung.

Welche Daten verwenden sie hierzu?
Wir erhalten von unseren Vertragspartnern wie Banken, Versandhändlern oder Energieversorgern zunächst einmal Basisdaten – beispielsweise über die Eröffnung eines Girokontos oder den Abschluss eines Vertrags. Wir erfahren aber auch, wenn es Störungen im Vertragsverhältnis gibt, beispielsweise mehrfach angemahnte und nicht bediente Forderungen, geplatzte Kredite oder Insolvenzen. Diese wirken sich negativ auf den Score aus. Es kann unter Umständen auch negative Auswirkungen auf den Score haben, wenn jemand sehr viele Kreditkarten und Girokonten hat. Das bedeutet nicht, dass die konkrete Person dadurch automatisch weniger kreditwürdig wäre. Die Statistik zeigt aber, dass das generelle Ausfallrisiko steigt, je mehr Konten eine einzelne Person hat.

Bedeutet die Aufnahme eines Kredits, dass sich mein Score verschlechtert?
Die Aufnahme von Ratenkrediten bedeutet in der Regel eine zusätzliche finanzielle Belastung. Das heißt, dass danach weniger Spielraum für weitere finanzielle Belastungen besteht. Daher sinkt auch der Score erstmal, wenn man einen neuen Kredit aufnimmt. Die Rückzahlung verbessert den Score im Laufe der Zeit aber wieder. Nachdem der Kredit vollständig bezahlt wurde, kann der Score sogar besser sein als vor der Aufnahme des Kredits. Auch das pünktliche Zurückzahlen eines Kredits wirkt sich positiv aus, ebenso wie generell langfristige Geschäftsbeziehungen.

Angenommen, ich habe zweieinhalb Millionen Euro geerbt und besorge mir fünf verschiedene Kreditkarten und acht Bankverbindungen, weil ich mein Tagesgeld hin- und herschieben möchte. Könnte mein Score dann also sinken, obwohl ich reich bin?
Wie gesagt speichert die Schufa keine Daten zu Einkommen oder Vermögen, ob jemand reich ist, weiß die Schufa also nicht. In diesem konkreten Fall würden wir sehen, dass jemand innerhalb kurzer Zeit sehr viele Kreditverpflichtungen eingeht, was statistisch das Risiko eines Zahlungsausfalls erhöht und sich negativ auf die Kreditwürdigkeit auswirken kann.



Wie stellen Sie sicher, dass Scoring nicht zur Diskriminierung führt?
Indem wir ausschließlich Daten zu Zahlungsstörungen und Geschäftsbeziehungen heranziehen, um den Score zu bilden. Weder Geschlecht, Herkunft, Alter politische Einstellung oder Daten aus sozialen Netzwerken fließen in das Scoring ein.

Gibt es bei der Beurteilung der Kreditwürdigkeit grundsätzliche Unterschied zwischen der Privatperson und einem Unternehmen?
Ja. Bei der Bewertung von Unternehmen fließen wesentlich mehr Daten in den Score ein: beispielsweise Umsätze und Bilanzen, Alter des Unternehmens und Branche, aber auch die Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Bei sehr kleinen Unternehmen kann auch die persönliche Bonität des Inhabers mit einbezogen werden.

In den letzten Jahren kamen vermehrt Zahlungsdienstleister auf den Markt, die eine „Jetzt kaufen, später bezahlen“-Mentalität fördern. Wie beurteilen Sie solche Angebote?
Diese Angebote werden in der Tat immer beliebter, vor allem bei der jüngeren Generation. Kleinkredite haben vor vier Jahren etwa 20 Prozent der bei uns registrierten neuen Kredite ausgemacht. 2021, also ein Jahr später, waren es schon 30 Prozent. Besonders unter jüngeren Personen beobachten wir, dass sie kleinere Kredite aufnehmen. Tatsächlich können diese Kredite zur Schuldenfalle werden. Wir sehen zwar bisher noch kein Ansteigen der Zahlungsausfälle, allerdings zeigen unsere Umfragen unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen, dass sie sich mehr Aufklärung und Informationen rund um das Thema wünschen.  

Apropos Schuldenfalle: Wie kreditwürdig sind die Deutschen eigentlich?
Mustergültig. Die Menschen in Deutschland zahlen – und das schon seit Jahrzehnten - rund 98 Prozent ihrer Kredite störungsfrei und pünktlich zurück. Das können Sie unter anderem in unserem Kreditkompass nachlesen, den wir jährlich veröffentlichen.

Trotz Pandemie und Ukraine-Krieg?
Ja, die Zahlen haben sich auch durch diese beiden Krisen nicht verändert. Allerdings ergeben unsere Verbraucherumfragen, dass sich die Menschen in den letzten Jahren zunehmend stärker finanziell einschränken müssen. Sie treten gewissermaßen auf ihre private Schuldenbremse, indem sie Anschaffungen zurückstellen oder auf teuren Konsum verzichten. Wir beobachten, dass die Menschen deutlich vorsichtiger werden. Wenn Sie so wollen: wie die schwäbische Hausfrau. Ob das eine gute Entwicklung ist, ist eine andere Frage.

Frau Rawe, vielen Dank für das Gespräch.

Anna-Lena Rawe

ist Pressesprecherin bei der SCHUFA Holding AG in Wiesbaden.

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