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BDEW positioniert sich zum EU-Kommissionpaket Fit for 55

Es soll den klima- und energiepolitischen EU-Rechtsrahmen an die neuen europäischen Klimaziele anpassen. Aus Sicht des BDEW enthält das Paket viele richtige Bestandteile, die die Energiewende unterstützen.

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© jarrow153/ Shutterstock

Mit seinen insgesamt zwölf Legislativvorschlägen ist das am 14. Juli 2021 von der Europäischen Kommission vorgestellte Fit for 55-Paket das zentrale Maßnahmenpaket des European Green Deal. Mit ihm sollen die politischen Instrumente für die Erreichung der Ende Juni 2021 im Europäischen Klimagesetz festgeschriebenen neuen EU-Klimaziele geschaffen werden. 

Der BDEW unterstützt die Maßnahmen 

Der BDEW begrüßt, dass die Kommission mit dem Fit for 55-Paket nun konkrete Maßnahmen und Instrumente vorgelegt hat, um die erforderlichen Weichen zur Zielerreichung zu stellen. Sowohl die Zielrichtung als auch die Gesamtarchitektur des Pakets sind unterstützenswert und gehen in die richtige Richtung. Dies betrifft u. a. die folgenden Bestandteile:

  • Die ambitionierte Fortschreibung des bestehenden EU-Emissionshandels (EHS), ausgerichtet an den neuen EU-Klimazielen, und der Vorschlag für die Schaffung eines separaten EHS für Inverkehrbringer von Brennstoffen in den Bereichen Gebäude und Straßenverkehr. 

  • Die Anhebung des Ambitionsniveaus in der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II), um den Ausbau der Erneuerbaren Energien in ganz Europa mit der erforderlichen Geschwindigkeit voranzutreiben. 

  • Die Umstellung auf einen dynamischen und leistungsbezogenen Ansatz für die Zielvorgaben zum Ausbau der Ladeinfrastruktur, basierend auf der tatsächlichen Anzahl neu registrierter E-Fahrzeuge.

Verbesserungsbedarf der einzelnen Kommissionsvorschläge

Der BDEW sieht jedoch dennoch in einzelnen Aspekten Verbesserungsbedarf, um die Zielerreichung noch besser zu ermöglichen. Oberstes Ziel des Pakets sollte es dabei sein, einen flexiblen Rechtsrahmen zu schaffen, der der Wirtschaft den notwendigen Freiraum lässt, ihren Beitrag zur Erreichung der Klimaziele zu leisten. Zudem sollte die entscheidende Rolle der Energienetzinfrastruktur für das Erreichen der Klimaziele deutlich stärker im „Fit for 55“-Paket gewürdigt werden.

Von dem grundsätzlich positiven Bild des „Fit for 55“-Pakets hebt sich nach Ansicht des BDEW der Vorschlag zur Neufassung der Energieeffizienz-Richtlinie (EED) ab:

  • Die Verschärfung der Definitionen für energieeffiziente Fernwärmesysteme und hocheffiziente Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen (KWK) gefährdet den zur Erreichung der Klimaziele im Gebäudesektor erforderlichen Ausbau der Fernwärmeversorgung sowie deren Dekarbonisierung. Aufgrund langer Projektrealisierungszeiträume sind sie innerhalb des von der Kommission vorgesehenen Zeitrahmens nicht zu erreichen. 

  • Das „energy efficiency first“-Prinzip darf nicht dazu führen, dass andere energiepolitische Ziele wie Versorgungs- und Systemsicherheit, Bezahlbarkeit und die Integration Erneuerbarer Energien in die Energiesysteme in den Hintergrund treten. So gefährdet das Vorhaben, die Verringerung der Netzverluste zum treibenden Kriterium für Netzplanung, -ausbau und -betrieb zu machen, die Vertiefung des Energiebinnenmarkts und damit die Erreichung der Klimaziele.

Early mover nicht bestrafen und Hochlauf klimafreundlicher Technologien unbürokratisch ermöglichen 

Darüber hinaus gibt es auch in anderen Bereichen noch Verbesserungsbedarfe, die der BDEW in seiner Stellungnahme anhand exemplarischer Beispiele aufzeigt.

  • Bereits von der Energiewirtschaft umgesetzte klimafreundliche Projekte im Sinne der Energiewende dürfen durch das „Fit for 55“- Paket nicht entwertet werden. Das betrifft u. a. Elektrolyse-Projekte basierend auf der Nutzung von Erneuerbare-Energien-Bestandsanlagen, Biogasanlagen oder die Ladeinfrastruktur für Elektromobilität. 

  • Der Hochlauf neuer und der Umbau bestehender Technologien muss erleichtert und nicht durch zusätzliche bürokratische Hürden erschwert werden. Hierzu ist eine Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren dringend notwendig. Zudem dürfen die Kriterien für erneuerbaren Wasserstoff den Hochlauf einer europäischen Wasserstoffwirtschaft nicht ausbremsen, bevor er überhaupt Fahrt aufnehmen kann. 

  • Die Taxonomie-Verordnung und die EU-Beihilfevorschriften müssen Investitionen in die Energiewende ermöglichen und, wenn notwendig, angemessen unterstützen. Dazu zählen auch gasbasierte Energieerzeugungsanlagen und die entsprechende Infrastruktur, in der Übergangszeit auf Basis von Erdgas sowie auf dem Weg zur Klimaneutralität zunehmend unter Einbindung dekarbonisierter und erneuerbarer Gase.

  • Freiwillige Zusatzbeiträge der Mitgliedstaaten, wie beispielsweise das nationale Emissionshandelssystem Deutschlands für Gebäude und Verkehr, sollten in das „Fit for 55“- Paket integriert werden, ohne dass damit Nachteile für die jeweiligen Mitgliedstaaten entstehen. 

Sozialen Ausgleich sicherstellen 

Dem sozialen Ausgleich sowie der Entlastung von Bürgern und Unternehmen kommen eine entscheidende Bedeutung zu, gerade auch im Hinblick auf die geplante Einführung einer europaweiten CO2-Bepreisung in den Sektoren Gebäude und Straßenverkehr. Der BDEW begrüßt daher, dass die Kommission diese Problematik im „Fit for 55“- Paket bereits angeht. Die unterschiedlichen Instrumente sollten allerdings nochmals abgewogen werden:

  • Das Konzept der Energiearmut in der EED setzt bei Einzelpersonen und sozialen Gruppen an, erfordert einen hohen Prüfaufwand und adressiert dennoch oft nicht die realen Belastungen.

  • Der Sozial- und Klimafonds ist ein geeignetes Instrument, um Mitgliedstaaten, in die Lage zu versetzen, Ausgleichsmaßnahmen zu finanzieren. Bei der Ausgestaltung der Instrumente der Ausgleichsmaßnahmen sollte den Mitgliedstaaten ein breiter Gestaltungspielraum eröffnet werden, um beispielsweise auch die Entlastung des Strompreises von Abgaben zu ermöglichen. 

Ausblick: Gesetzgebungsverfahren auf EU-Ebene 

Seit Herbst 2021 befassen sich der Rat der EU und das Europäische Parlament mit den Kommissionsvorschlägen. Mit Ausnahme des Vorschlags zur Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFI), wo der Rat bereits bis zum Verkehrsministerrat am 9. Dezember 2021 seine Positionierung zu beschließen plant, schreiten die Verhandlungen bislang aber nur langsam voran. Zu den weiteren Rechtsakten strebt die slowenische Ratspräsidentschaft die Verabschiedung von Fortschrittsberichten im Rahmen der Treffen der Energieminister (2. Dezember 2021) und der Umweltminister (20. Dezember 2021) an. Ab Januar 2022 wird dann die französische Ratspräsidentschaft die Verhandlungen fortführen. 

Im Europäischen Parlament sollen die Positionen laut vorläufiger Planungen optimistischer Weise, bis Frühjahr 2022 im Plenum des Parlaments angenommen werden. Im Anschluss daran könnten dann die ersten Trilogverhandlungen beginnen. 
Der BDEW wird die Gesetzgebungsverfahren auf EU-Ebene weiterhin sehr eng begleiten, sich konstruktiv mit eigenen Verbesserungsvorschlägen in den Prozess einbringen und seine Mitglieder regelmäßig über die aktuellen Entwicklungen informieren. 

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